Querdenkerinnen und Querdenker sind vor allem in Krisenzeiten unentbehrlich. Sie stossen notwendige Veränderungen an und generieren klaren Mehrwert in allen Arbeitsbereichen und auf allen Hierarchieebenen. Der folgende Beitrag thematisiert, wie ein Querdenkender identifiziert wird, wo dieser gewinnbringend eingesetzt werden könnte und mit welchen Herausforderungen Querdenker intern konfrontiert sind.
Unternehmen haben leider oft Angst vor Querdenkern, weil sie den Status quo infrage stellen, beteiligte Personen aus der Komfortzone holen und Unternehmen zu Handlungen zwingen. Das ist unbequem und benötigt eine gelebte Innovationskultur.
Die Corona-Krise verändert die Wirtschaft und unsere Gesellschaft nachhaltig. Und Innovation ist der Schlüssel, um diesen pandemiebedingten Wandel aktiv zu gestalten1. Manche Unternehmen entwickeln ungewohnte neue Ideen, andere wirken eher hilflos. Es ist aber wichtig für den Unternehmenserfolg, mit überzeugenden und innovativen Lösungen Kundenbedürfnisse befriedigen zu können.
Dabei kann es sich um Produkte (zum Beispiel Corona-Schutzwände statt Möbel), Dienstleistungen (wie hauseigene Lieferung von Landwirtschaftsprodukten oder Mahlzeiten während des Lockdowns), Prozesse (zum Beispiel innovative Online-Lehrformate der Fernfachhochschule Schweiz3) oder neue Geschäftsmodelle4 handeln.
Die Frage nach dem wie
Doch wie können Unternehmen mit ihren Mitarbeitenden Innovation vorantreiben? Und wer kann aus Ideen noch bessere Ideen entwickeln? Wer erkennt komplexe Fragestellungen und bringt neue Blickwinkel ein, die Firmen gestärkt durch eine Krise manövrieren? Und wenn Querdenkerinnen und Querdenker diese leisten können oder sollen: Was machen sie genau? Welche sind ihre Stärken und Schwächen? Worauf müssen Unternehmen achten?
Innovationsprozess – Design Thinking
Design Thinking hilft, Antworten auf bestehende Fragen zu entwickeln. Lösungen sollten sich konsequent an den Kundenbedürfnissen orientieren, die subjektiv und emotional sein können. Der Design Thinking-Prozess folgt dabei einem sehr strukturierten Ablauf und erfolgt iterativ, das heisst wiederholt in Schlaufen – bis vor allem potenzielle Kunden zufrieden sind. Erst dann geht es in die Umsetzung. Der Design Thinking-Prozess5 gliedert sich in sechs Phasen mit verschiedenen Ergebnissen, die hier in aller Kürze skizziert werden:
1. Verstehen: Themenpool und Projektplan sind erstellt.
2. Beobachten: Beobachtungs- und Interviewprotokolle von Nutzern und Experten sind vorhanden; Testprotokolle bestehender Lösungen liegen vor.
3. Synthese: User Journey und Kundenbedürfnisse sind klar.
4. Ideengenerierung: Strukturierte und bewertete Ideen zur Bedürfniserfüllung sind vorhanden.
5. Prototyping: Prototypen in unterschiedlichen Ausführungen liegen vor.
6. Testen: Test- und Feedbackprotokolle von Nutzerinnen und Nutzern liegt vor. Beschreibung des Produkts, der Dienstleistung, des Prozesses, des Geschäftsmodells anhand verschiedener Kriterien liegt vor.
Bevor der Innovationsprozess mittels Design Thinking beginnt und Unternehmen Lösungen generieren möchten, muss gefragt werden: Wer macht mit? Das ist keine einfache Frage, denn Innovation geht mit Kreativität einher6 – aber welche Personen sind kreativ oder können andere Sichtweisen einnehmen und sollten eigentlich am Design-Thinking-Prozess teilnehmen, damit dieser ein voller Erfolg wird? Es sind die Querdenkerinnen und Querdenker, die nun gefragt sind.
Anders denken, transformieren
Ein Querdenker denkt (a) eigenständig, (b) originell und oft werden dessen Ideen und Ansichten (c) nicht verstanden oder akzeptiert. Dabei ist Querdenken laut Weltwirtschaftsforum dringend notwendig und eine der Top-Fähigkeiten in der Zukunft7. Aber da präzise Kriterien bislang fehlen und sich deshalb solche Querdenker in Unternehmen nicht zielsicher identifizieren lassen, gingen wir an der FFHS mithilfe von semistrukturierten Experteninterviews mit Innovationsexperten und -expertinnen (mittleren und oberen Managements aus unterschiedlichen Branchen) verschiedenen Fragen nach und führten eine Anforderungsanalyse8 durch.
Im Rahmen der Analyse wurde auf Fähigkeiten, Persönlichkeitseigenschaften und Verhaltensweisen von Querdenkern, ihren Stärken und Schwächen sowie die beste Passung zu den verschiedenen Phasen des Design-Thinking-Prozesses geachtet. Die Resultate zeigen, dass Querdenkende vor allem als «eigenständig», «Entdecker» und «kreativ» beschrieben werden.
Durch das sogenannte Out-of-the-boxDenken fallen sie besonders positiv auf und können in fast allen Innovationsphasen eingesetzt werden. Spezifisch in der Phase der Ideengenerierung kommt der Querdenker voll zum Einsatz und ist unverzichtbar. Er oder sie besitzt die Fähigkeit, komplexe Frage- und Problemstellungen rasch zu erkennen, die Ideen – auch der anderen Projektmitglieder – aufzuwerten oder so weit zu verbinden, dass Ideen noch wettbewerbsfähiger werden. Strukturiertes Zusammentragen von Informationen oder administrative Aufgaben sind nicht die Stärken des Querdenkers.
Unruhestifter mit Mehrwert
Querdenker stossen Transformation und Innovation an – und können damit schliesslich Umsatz in Krisenzeiten oder in der Post-Krise gewährleisten. Schwierig ist, dass Querdenker bisweilen als Querulanten gelten. Allzu oft hat man in Unternehmen Angst vor Querdenkern. Auch und vor allem in höheren Hierarchiestufen. Denn neue Ideen können bedrohlich sein, weil man sich bewegen und verändern muss. Deshalb benötigt Querdenken unbedingt eine innovationsförderliche Kultur – und kein militärisches «Ist so, weil ist so». Sonst kündigen Querdenker irgendwann innerlich, weil sie nicht gehört werden.
Sinnvoll ist es, wenn Unternehmen Stellen für Querdenkende oder ganze Bereiche respektive Gefässe schaffen, in denen Querdenken wirklich erwünscht ist. Querdenker müssen ihrerseits allerdings in der Lage sein, ihr berufliches Umfeld in ihre Ideen einzubeziehen, sonst gelten sie als reine «Unruhestifter». Querdenkerinnen und Querdenker müssen daher den Mehrwert ihrer Ideen aufzeigen und diesen im Optimalfall in Schweizer Franken quantifizieren können. So überzeugen sie auf verschiedenen Ebenen und können final aus der Krise helfen.