Vielen im B2B-Bereich tätigen Unternehmen ist nicht ausreichend bewusst, wie sich der Wunsch nach Information und Betreuung ihrer Kunden im Laufe ihres Kaufentscheidungsprozesses wandelt. Deshalb treffen sie im Marketingbereich oft falsche strategische und taktische Entscheidungen, weshalb die erhofften Vertriebserfolge ausbleiben.
«50 Prozent unserer Marketingausgaben sind Fehlinvestitionen. Wir wissen nur leider nicht welche 50 Prozent.» Dieses Bonmot ist ein Klassiker im Marketingbereich. Und vermutlich hat sich der Anteil der Marketingaktivitäten beziehungsweise -ausgaben, bei denen viele Unternehmen letztlich nicht wissen, wie gross ihre Relevanz für den Vertriebserfolg sind, in den zurückliegenden Jahrzehnten noch erhöht. Denn: Heute stehen ihnen aufgrund des Siegeszugs der digitalen Medien deutlich mehr Marketinginstrumente als zur Jahrtausendwende zur Verfügung. Die Marketing- und Vertriebssysteme (und Märkte) der meisten Unternehmen sind heute komplexer als in der «guten, alten Zeit». Plattformen wie Google und YouTube, LinkedIn und Facebook legen alle ihre Algorithmen nicht offen, weshalb viele Marketingaktivitäten dort faktisch nur auf Annahmen über deren Wirksamkeit beziehungsweise auf mehr oder minder gut begründeten Erfahrungen beruhen.
Den Markt mit Ausdauer und System bearbeiten
Dass insbesondere viele im B2B-Bereich tätige Unternehmen beim Bewerten der Wirksamkeit ihrer Marketingaktivitäten – selbst wenn sie «schlaue» Online-Analysetools nutzen – letztlich im Dunkeln tappen, hat jedoch auch tieferliegende Ursachen. Einige von ihnen seien hier genannt.
Ursache 1: Viele im B2B-Bereich tätige Unternehmen betrachten auch heute noch das Marketing nicht als einen Prozess, der organisch mit dem Vertrieb und im Idealfall auch mit der Produktentwicklung verknüpft sein sollte. Deshalb haben sie zwar eine Marketing- und eine Vertriebsstrategie, aber keine integrierte Marktbearbeitungsstrategie. Die Folge: Marketing und Vertrieb führen faktisch ein Eigenleben, und der Vertrieb erhält vom Marketing bei seiner Alltagsarbeit nicht die erforderliche Unterstützung.
Ursache 2: Viele im B2B-Bereich tätige Unternehmen haben nicht ausreichend verinnerlicht, dass sie keine Schnelldreher verkaufen, die man so spontan wie ein Eis am Stiel kauft: Sie verkaufen vielmehr «Investitionsgüter», also komplexe beratungsinitiative Produkte oder Dienstleistungen, die für ihre Zielkunden eine strategische Relevanz haben. Deshalb ist der Kaufentscheidungsprozess ihrer Kunden stets mehrstufig und entsprechend langwierig (siehe AIDA-Formel). In diesem Prozess wünschen sich die Kunden abhängig von der Phase der Kaufentscheidung, in der sie sich befinden, eine unterschiedliche Betreuung. Was sich ihre Kunden hierbei konkret wünschen, haben viele Unternehmen nicht ausreichend analysiert. Folglich werden von ihrem Marketing auch nicht die erforderlichen Tools, zum Beispiel Projektbeschreibungen oder Kosten-Nutzen-Rechnungen, entwickelt, auf die der Vertrieb jederzeit bedarfsabhängig zurückgreifen kann. Die Folge: Den Unternehmen gelingt es, nur einen geringen Teil der Kunden, die ein Kaufinteresse signalisieren, zur Kaufentscheidung zu führen.
Ursache 3: Nur ganz wenige Unternehmen haben für sich eine (Marktbearbeitungs-)Strategie formuliert, wie sie ihre Zielkunden Schritt für Schritt zur Kaufentscheidung führen oder den Kontakt zu ihnen immer heisser und heisser machen, sodass irgendwann der gewünschte Erstauftrag fällt. Zudem haben sie keine Strategie, wie sie sich Neukunden im Zuge der Zusammenarbeit im Rahmen des Erstauftrags mit System erschliessen, sodass sie nach dem in der Regel kleinen Erstauftrag grosse Folgeaufträge erhalten. Die Folge: Relativ hohen Ausgaben im Marketing- und Vertriebsbereich stehen oft recht kleine (Erst-)Aufträge gegenüber, weshalb sich die Frage stellt: Lohnte sich die Investition? Ein systematisches «Aufbohren» der Kunden mit einem hohen Umsatzpotenzial erfolgt nicht. Folgeaufträge sind weitgehend vom Zufall und individuellen Engagement einzelner Berater oder Key-Accounter abhängig.
Ursache 4: Viele Unternehmen im B2B-Bereich sehen in den neuen digitalen Marketingtools nicht nur eine Bereicherung ihres Werkzeugkoffers, sie sind vielmehr der Überzeugung: «Dem Online-Marketing gehört die Zukunft.» Also forcieren sie ihre Aktivtäten in diesem Bereich. Deshalb gelangten in den letzten Jahren viele junge High Potentials in Entscheiderpositionen im Marketingbereich, die zwar ein grosses (Fach-)Know-how im Online-Marketing-Bereich, aber wenig Vertriebs-Know-how und nicht selten auch ein eher geringes Verständnis des Business ihres Arbeitgebers haben. Sie versuchen oft, Marketingstrategien, die sich zum Beispiel bei Webshops oder im Konsumgüter-Bereich bewährt haben, auf den B2B-Bereich zu übertragen, obwohl dieser ganz anders tickt. Die Folge: Häufig steigt zwar aufgrund der verstärkten Online-Aktivitäten die Brand Awareness der Unternehmen, aber ein systematischer Auf- und Ausbau der persönlichen Kontakte und Beziehungen zu den Zielkunden mit einem hohen Umsatzpotenzial erfolgt nicht.
Die Kundenbeziehungen gezielt auf- und ausbauen
Aufgrund der genannten grundlegenden Defizite begehen im B2B-Bereich tätige Unternehmen im Marketing- und Vertriebsbereich oft folgenschwere strategische und taktische Fehler. Einige seien hier genannt.
Fehler 1: Bei vielen Unternehmen, die keine integrierte Marktbearbeitungsstrategie haben, stellt man fest, dass sie sich, wenn die geplanten Marketing- und Vertriebserfolge ausbleiben, immer wieder in Grundsatzdiskussionen verlieren. Die Folge: Das Unternehmen befindet sich in einer Art Dauerkrise, weil es immer wieder die Grundlagen seiner Geschäftstätigkeit in Frage stellt. Entsprechend unsicher agiert es am Markt – was auch die Zielkunden spüren.
Weit häufiger stellen Unternehmen aber, wenn die erhofften Erfolge ausbleiben, die genutzten Marketingtools grundsätzlich infrage. Sie vergessen dabei, dass diese stets nur Teilfunktionen im Marktbearbeitungsprozess erfüllen können. So ist es zum Beispiel schlicht unmöglich, mit einer guten Website, Mailings, Presseartikeln oder (AdWords-)Anzeigen allein Maschinen- und Computeranlagen oder komplexe Beratungsprojekte zu verkaufen. Trotzdem können all diese Tools wichtige Teilfunktionen im Marktbearbeitungsprozess übernehmen. Weil ihnen dieses prozesshafte Denken fehlt, hüpfen besagte Unternehmen oft von einem Marketinginstrument zum nächsten – stets in der Hoffnung, endlich das Zaubermittel zu finden, das ihnen den erhofften «Impact» und die begehrten Aufträge bringt. Doch dieses gibt es nicht. Entsprechend häufig wechseln bei diesen Unternehmen meist die Marketingleiter (und nicht selten auch Verkaufs- und Vertriebsleiter).
Fehler 2: Bei vielen Unternehmen, die keine aus dem Kaufentscheidungsprozess ihrer Zielkunden abgeleitete Marktbearbeitungsstrategie haben, stellt man fest, dass sie viel Zeit und Energie in das Steigern der sogenannten «Brand Awareness» investieren. Sie turnen, salopp formuliert, in allen sozialen Medien herum, die gerade en vogue sind, sie investieren viel Zeit und Geld in die (Online-)Pressearbeit und Content-Produktion für ihre Website, sie schalten auf den unterschiedlichsten Online-Plattformen Anzeigen – stets in der Hoffnung: Vielleicht werden so Personen und Organisationen, die lukrative Kunden werden könnten, auf uns aufmerksam. Kaum Zeit verwenden sie aber auf folgende Fragen: Sind die Personen, mit denen wir direkt oder indirekt kommunizieren, überhaupt diejenigen, zu den wir einen Draht brauchen, wenn wir grössere Aufträge an Land ziehen wollen? Wie können wir die werthaltigen virtuellen Kontakte, die wir haben, in reale, persönliche Beziehungen umwandeln? Und: Wie bringen wir die Personen, die schon einmal aufgrund unserer Marketingaktivitäten ein latentes Interesse an unserer Unterstützung signalisiert haben, dazu, ein persönliches Treffen oder eine Online-Konferenz zur Bedarfsermittlung und zum gemeinsamen Nachdenken über eine mögliche Problemlösung zu vereinbaren?
Die Folge: Die sogenannte Brand Awareness mutiert zum Selbstzweck, weil hierauf keine aufbauenden Aktivitäten zum Umwandeln der «Awareness» in reale Kundenbeziehungen erfolgen.
Fehler 3: Dass die «Hitrate» vieler B2B-Unternehmen recht niedrig ist, also diese so wenig Kontakte in nachhaltige (Kunden-)Beziehungen umwandeln, liegt auch daran, dass bei ihnen oft die Tendenz besteht, die «sehr geehrten Kunden» mit einer «Fast-Food-Kommunikation» abzuspeisen – selbst wenn sie von ihnen Aufträge im fünf-, sechs- oder gar siebenstelligen Bereich erhalten möchten. Dies gilt insbesondere für solche, die eine hohe Affinität zur digitalen Kommunikation haben.
So fühlt sich zum Beispiel kein Entscheider im Unternehmen als Person wahrgenommen und wertgeschätzt, nur weil er bei LinkedIn eher zufällig ein, zwei Mal pro Woche einen Post vom Inhaber eines Beratungsunternehmens sieht, mit dem er dort verbunden ist. Also tragen diese Posts auch nichts zum Beziehungsausbau bei. Ebenso wenig fühlen sich Entscheider als Person wahrgenommen und wertgeschätzt, wenn sie alle ein, zwei Monate von einem potenziellen Lieferanten einen Newsletter erhalten, denn jeder Empfänger weiss, dass Newsletter neben Social Media die billigste Möglichkeit bieten, um mit vielen Kunden auf einmal zu kommunizieren.
Also tragen auch Newsletter nichts zum Beziehungsaufbau bei. Weil viele Unternehmen solche Dinge nicht ausreichend reflektieren, gelingt es ihnen nicht, sich mit der Zeit als attraktive Partner bei ihren Zielkunden zu profilieren. Also erhalten sie von ihnen auch keine Aufträge oder werden rasch wieder ausgetauscht.
Marketingtools selektiv und gezielt einsetzen
Das heisst nicht, dass die genannten Marketinginstrumente nicht wertvoll sind. So können zum Beispiel Posts auf LinkedIn und Facebook durchaus ein geeignetes Tool sein, um mit Klein- oder Ex-Kunden zu kommunizieren, bei denen sich eine höhere Investition an Zeit und Geld nicht lohnt. Inwieweit diese Tools jedoch auch im B2B-Bereich beziehungsweise beim Projektgeschäft eine hohe Relevanz haben, darüber kann man streiten. Ebenso können Newsletter ein wunderbares Tool sein, um im B2B-Bereich eine Vielzahl an Kunden und Anwendern zu informieren und dafür zu sorgen, dass man bei den Personen, die auf die Einkaufsentscheidungen einen mehr oder minder grossen Einschluss haben, nicht in Vergessenheit gerät. Doch um die Beziehungen zu den Top-Entscheidern bei den Kunden auszubauen oder um dafür zu sorgen, dass lauwarme Kontakte zu ihnen nicht erkalten – dazu eignet sich das Tool Newsletter nicht. Also sollten sich Anbieter im B2B-Bereich und ihre Marketingabteilungen darüber Gedanken machen, welche dies sein könnten – zumindest, wenn das Ziel lautet: Wir wollen von den «sehr geehrten Kunden» irgendwann einen Auftrag erhalten.
Eine hohe «Brand Awareness» allein nutzt Unternehmen wenig
Genau dies tun viele Marketingleiter nicht – insbesondere solche, die sich nicht auch als verlängerte Werkbank des Vertriebs, sondern primär als zuständig für die Pflege des Markenimages verstehen. Das ist bei vielen Marketingverantwortlichen der Fall, die das Credo «Dem Online-Marketing gehört die Zukunft» verinnerlicht haben. Deshalb sind ihre Marketingstrategien und -pläne nicht selten Stückwerk. Das heisst, sie erfüllen zwar – wie die einzelnen Marketingtools – im Marktbearbeitungssystem eines B2B-Unternehmens eine Teilfunktion, doch dem Bedarf im Marketingbereich, um Vertriebsziele zu erreichen, genügen sie nicht.
Die AIDA-Formel: Kunden gezielt zur Kaufentscheidung führen
Viele Anbieter im B2B-Bereich verkaufen ihren Kunden komplexe und beratungsintensive Produkte und Dienstleistungen, die für diese eine strategische Relevanz haben. Je höher diese ist, umso seltener kaufen Kunden die angebotenen Leistungen spontan. Ihre Kaufentscheidung ist vielmehr das Ergebnis eines langwierigen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesses, in den nicht selten eine Vielzahl von Personen involviert ist. In diesem Kaufentscheidungsprozess lassen sich verschiedene Phasen unterscheiden, die von der sogenannten AIDA-Formel beschrieben werden. Ihr zufolge durchläuft jeder Kunde vor einer Kaufentscheidung folgende vier Bewusstseinsstufen:
- Attention = Aufmerksamkeit
(Anbieter/Produkt existiert)
- Interest = Interesse
(Anbieter/Produkt könnte mir einen Nutzen bieten)
- Desire = Wunsch
(Anbieter/Produkt bietet mir einen Nutzen)
- Action = (Kauf-)Entscheidung
(Anbieter/Produkt bietet mir die beste Kosten-Nutzen-Relation; Nutzen ist grösser als die Investition)
Möchte ein im B2B-Bereich tätiges Unternehmen die gewünschten Vertriebserfolge erzielen, muss es ihm einerseits gelingen, zum Beispiel durch eine Website, die gut im Netz gefunden wird, (Online-)Anzeigen oder Mailings die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden zu wecken. Andererseits muss es auch die anschliessende Kommunikation mit den Zielkunden so gestalten, dass diese Schritt für Schritt zur Kaufentscheidung geführt werden. Das erfordert in den verschiedenen Phasen des Kaufentscheidungsprozesses auch unterschiedliche «Werbemittel».