Daniel Abbühl, das Internet der Dinge (IoT) ist gegenwärtig in aller Munde. Ist es für Sie etwas Neues?
Daniel Abbühl: Das Internet ermöglichte es den Menschen, auf vorher nie dagewesene Weise miteinander in Verbindung zu treten. Es integrierte Rechner, Server, dann ganze Unternehmen – bis hin zu Dingen. In meinem Verständnis gibt es IoT schon seit Langem; es hatte seine Anfänge zirka um 1990, als die Kommerzialisierung des Internets begann.
Was ist für Sie IoT?
Dank des Fortschritts von Mikroelektronik und Informationstechnologie wuchs das Bewusstsein, dass alles miteinander vernetzt werden kann. Einfach ausgedrückt bedeutet es für mich, dass Dinge mit Intelligenz versehen werden und sie untereinander – mit dem Internet als Transportmedium – kommunizieren. Durch die Daten der smarten Dinge ergeben sich neue Anwendungsmöglichkeiten, die die Wertschöpfungs- und Lieferketten beschleunigen. Für den Anwender entsteht dadurch ein besseres Kundenerlebnis, wie etwa die nutzungsbasierte Verrechnung für Musik und Film.
Ist IoT eine Spielerei oder bringt es den normalen Endnutzer effektiv weiter?
Es bringt uns weiter! Mit IoT bezeichnet man eine Vision – etwa vergleichbar mit dem Kundenbeziehungsmanagement (CRM). CRM ist die Philosophie eines Unternehmens, wie es mit seinen Stakeholdern umgeht. Genauso empfinde ich bezüglich IoT, denn niemand in der zivilisierten Welt kann sich seiner Entwicklung entziehen. Ein Beispiel: Die Aufzüge in Wolkenkratzern werden heute intelligent gesteuert. Dabei werden die Besucher am Eingang mittels Smartphone-App erkannt. Ihnen wird akustisch und visuell mitgeteilt, welcher Aufzug sie am schnellsten zu ihrem Bestimmungsziel führt. Somit lastet dieses intelligente Transitmanagement-System die Aufzüge optimal aus, verkürzt die Wartezeiten und versorgt die Besucher erst noch mit wichtigen Informationen!
Wo sehen Sie interessante Schnittstellen für KMU?
KMU sind gefordert, genauso innovativ wie Grossfirmen zu sein. KMU profitieren dann, wenn sie ihre Wettbewerbsvorteile ausspielen. So können sie ein IoT-Projekt schneller umsetzen, da sie flexibler sind und über kürzere Entscheidungswege verfügen.
Welches sind aus Ihrer Sicht die Anforderungen, damit sich IoT tatsächlich durchsetzt?
Die Frage ist nicht «ob», sondern «wie schnell» sich IoT durchsetzt. Es geht darum, wie sich ein KMU einen Wettbewerbsvorteil durch Zuhilfenahme von Technologie verschafft. Ein gutes Beispiel ist die Durchführung eines Services an einer Maschine, bevor sie still steht: Sensoren registrieren einen Fehler und melden diesen autonom dem Serviceprovider. Dieser führt vorausschauend einen Service durch – Stichwort: Predictive Maintenance – und benachrichtigt den Kunden. So wurde ein längerer Systemausfall verhindert.
Welche Geschäftsfelder könnte IoT nachhaltig verbessern?
Grundsätzlich alle. Denn durch die technischen Möglichkeiten werden neue Geschäftsmodelle geschaffen. Beispielsweise kann heute ein Heizungssystemanbieter für unterschiedliche Temperaturen im Wohnzimmer und Schlafzimmer sorgen. Mittels übertragener Daten und per Fernzugriff stellt er Ihr Heizsystem genau auf Ihre Bedürfnisse ein. Der Heizungsanbieter verkauft somit nicht mehr Geräte, sondern Behaglichkeit in Form von Temperatur. Ein weiteres Feld ist das Servicegeschäft mit Maschinen, Fahrzeugen oder Gebäuden – hier werden schon heute IoT-Lösungen eingesetzt! Auch die Gesundheitsbranche wird für den Kunden nachhaltige Verbesserungen bieten: Denken Sie nur an die Überwachung von älteren Personen, die zu Hause leben. Dank dem Tragen von speziellen Sensoren («Wearables») kann man ihren Gesundheitszustand permanent kontrollieren. Meldet ein Sensor, dass die Person gestürzt ist oder der Blutdruck nicht mehr normal ist, wird ein Alarm ausgelöst, damit jemand sofort helfen kann.
Welches sind mögliche Gefahren?
Als grösste Gefahr sehe ich die Datensicherheit: Wie kann gewährleistet werden, was mit unseren Daten passiert? Was passiert, wenn ein Hacker die Herrschaft über mein Auto übernimmt, das mit dem Internet über «Car-Net» vernetzt ist, und mich zum Passagier degradiert? Es geht folglich darum, Security-Richtlinien zu schaffen, die den grösstmöglichen Schutz bieten.
Was sind No-Gos?
Sicher gilt es zu vermeiden, dass durch IoT die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit jedes einzelnen Individuums umgangen wird. Nehmen wir beispielsweise an, Sie tragen einen Fitnesstracker, also ein Gerät, mit dem man gesundheitsrelevante Daten auszeichnen kann. Wenn dieses Instrument Ihre täglichen Bewegungsaktivitäten und Ernährungsdaten automatisch Ihrer Krankenkasse meldet, könnte diese monatlich die Prämie entsprechend Ihrem Risikoprofil anpassen.
Welche Empfehlungen bezüglich Umgang mit IoT geben Sie KMU ab?
KMU sollen unbedingt offen für Neues sein! Bei der strategischen Ausrichtung der jeweiligen Unternehmen gilt es, die sich durch IoT bietenden Möglichkeiten zu berücksichtigen. Dies ist ein dynamischer Prozess. Laden Sie deshalb Kunden, Lieferanten sowie branchenfremde Personen zu Workshops ein und werden Sie kreativ. Stellen Sie sich Ihren Markt vor, wie er in drei bis fünf Jahren aussehen könnte, und beantworten Sie Fragen wie: «Wie denken die Kunden?» und «Wie kann man die Lieferanten noch enger in den Produktentwicklungsprozess einbinden?». «Design Thinking» ist eine bewährte Methode, um innovative Ideen zu entwickeln.
Wie nutzt die GIA Informatik AG dieses Thema?
Als IT-Outsourcing-Partner überwachen wir unsere Rechenzentren mit Instrumenten, die uns unterstützen, einen störungsfreien und performanten Betrieb zu gewährleisten. Auch beraten wir unsere SAP-Industriekunden über Möglichkeiten, den Schritt zur digitalen Transformation zu bewältigen. Hier geht es neben betriebswirtschaftlichen Aspekten darum, technische Machbarkeiten zu prüfen und in Pilotprojekten zu testen.
Sind bereits konkrete Projekte im Gang?
Ja. Wir sind zurzeit in der Vorprojektphase eines IoT-Projekts. Wir prüfen die technische Umsetzbarkeit, indem wir im Pilotbetrieb die Konnektivität der «Dinge» herstellen und danach die Aktivitäten auf ein paar Dutzend Geräte und Kunden erweitern. Dabei geht es darum, eine grosse Anzahl von Gerätedaten (Big Data) zu sammeln und zu analysieren. Daraus ziehen wir die richtigen Schlüsse und lösen proaktiv Aktionen aus. Predictive Maintenance wirkt, bevor Schaden entsteht.
Weshalb führen Sie IoT-Workshops für Kunden durch?
Es gehört zu unseren Herausforderungen, die Trends im IT-Markt zu beobachten. Erkennen wir bei unseren Kunden Potenzial, sehen wir es als unsere Aufgabe an, Möglichkeiten mit ihnen zu diskutieren. Daraus kann – wie im zuvor geschilderten Beispiel – sogar ein Projekt entstehen.
Welchen konkreten Nutzen erhalten die teilnehmenden Kunden?
Mit den von uns angebotenen Technologien kann der Kunde mit überschaubarem Aufwand ein einzelnes Pilotgerät mit dem Internet verbinden, erste Daten sammeln und Analysen erstellen. Er sieht dann schnell, dass es funktioniert und kommt auf Ideen, was sonst noch möglich wäre.
Welche Lösungsansätze sollen KMU in nächster Zeit verfolgen?
Wahrscheinlich sehen wir derzeit nur die Spitze des Eisbergs. KMU sollten deshalb unter die Wasseroberfläche blicken und sich intensiv mit dem Thema «digitale Transformation» auseinandersetzen. Am Ende des Tages geht es meistens um die gleichen Fragen: «Wie erhöhe ich die Kundenbindung und die Kundenzufriedenheit?», «Wie produziere ich günstiger?» und «Wie erreiche ich mehr Kunden?». Mit den heute zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten in der Mikro- und Sensortechnologie kann IoT ein Werkzeug sein, einen Wettbewerbsvorsprung zu erzielen. Es gilt deshalb, diese Herausforderung anzunehmen und Oberwasser gegenüber den Mitbewerbern zu erlangen.