Stéphanie Portmann, vor knapp eineinhalb Jahren haben Sie die Geschäftsleitung der Fred Tschanz Management AG übernommen. Wie reagieren die Leute darauf, dass Sie das Geschäft Ihres Grossvaters, Fred Tschanz, weiterführen?
Zum grossen Teil positiv! Es ist ein schönes Zeichen, dass viele Menschen meinem Grossvater nachtrauern und sagen, das ist doch «nur» die Enkelin vom Fred und das bin ich in manchen Momenten auch gerne… Aber ich mache es nun so, wie ich es für richtig halte – und mein Grossvater hätte sicher Freude daran und er hat mir dankenswerterweise viel von seiner Erfahrung mitgegeben. Dass wichtigste dabei ist, dass ich die Arbeit sehr gerne mache und mit viel Herz und Leidenschaft bei der Sache bin. Und das bin ich.
Wie läuft das Geschäft zur Zeit, sind Sie denn zufrieden mit der Entwicklung der Betriebe?
Ja, danke! Alle Betriebe laufen sehr gut. Gerade das Bauschänzli macht uns zurzeit grosse Freude, es war bisher auch ein guter Sommer aber auch an dieser Toplage wird heutzutage von einem Gastronomen ein erstklassiger Job verlangt.
War es für Sie einfach, plötzlich so viel Verantwortung übernehmen zu müssen?
Es ist natürlich noch Vieles neu für mich. Neulich mussten wir beispielsweise das Walhalla renovieren, was mir einige schwierige Entscheidungen abverlangt hat und etwas völlig Unbekanntes für mich war. Aber mir macht es einfach Spass, mich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen und mich in Sachen hineinzudenken, mit denen ich vorher nicht viel am Hut hatte. Als ich damals von der Hotelfachschule kam, dachte ich, dass ich noch genug Zeit zum Lernen hätte und eben über die Jahre nach und nach in das Business hineinwachsen würde. Als dann allerdings plötzlich mein Grossvater verstarb, war es für mich schon wie ein Sprung ins kalte Wasser. Aber: Wer schwimmen kann, hat gute Überlebenschancen, und ich bin eine gute Schwimmerin!
Können Sie denn mittlerweile auch viel delegieren, oder bleibt doch noch die meiste Arbeit an Ihnen hängen?
Doch, das muss ich sogar, auch wenn es nicht immer einfach ist, Verantwortung abzugeben. Schliesslich bin ich es, die am Ende den Kopf hinhalten muss, falls doch einmal etwas schief geht. Aber ich habe zum Glück grossartige Mitarbeiter, denen ich vertrauen kann und die immer mit vollem Einsatz dabei sind.
Was ist für Sie das Faszinierende an Ihrem Beruf? Gibt es bestimmte Eigenschaften, die man in der Gastro-Branche mitbringen sollte?
Ja, man sollte definitiv Spass am Umgang mit Menschen haben und den Dienstleistungsgedanken richtig verkörpern. Das verlangt eine gewisse Offenheit, man muss auf die Leute zugehen können. Auch sollte man ein Gespür dafür haben, was die Kunden wollen, ohne dass sie es explizit äussern. Die Österreicher sind in dieser Beziehung meiner Meinung nach vorbildlich. Man muss die Arbeit einfach gerne machen und Freude daran haben, wenn die Leute einen schönen Nachmittag oder Abend bei einem hatten – und es eben nicht nur als Pflicht sehen, nochmal eine neue Flasche Wein aufzumachen, auch wenn es schon etwas später geworden ist.
Wo bekommen Sie Ihr Personal her? Sind da auch viele Deutsche oder andere Ausländer dabei?
Bei uns sind über 25 verschiedene Nationalitäten vertreten. Schweizer, Deutsche, Polen, Italiener, Spanier usw. Es macht einfach Spass, mit so einem bunt gemischten Team zusammenzuarbeiten!
Die Schweizer haben sich vor kurzem für einen Einwanderungsstopp ausgesprochen. Müssen Sie jetzt um Ihr Geschäft bangen?
Nein, das nicht. Natürlich wird es dadurch nicht einfacher, Personal zu rekrutieren, aber wir werden sicherlich das Beste daraus machen. Noch ist ja auch nicht endgültig entschieden, wie das in der Praxis genau umgesetzt werden soll.
Was sind denn zur Zeit Ihre Aufgaben? Sind Sie hauptsächlich im Büro oder auch bei Ihren Gästen zu finden?
Das letzte Jahr habe ich eigentlich fast ausschliesslich im Büro verbracht, so dass mir der Kontakt nach aussen irgendwann sehr gefehlt hat. Seit diesem Jahr bin ich nun wieder jeweils einen Tag pro Woche im Bauschänzli und einen Tag im Odeon anzutreffen, um nach dem Rechten zu sehen, den Tagesabschluss zu machen und den Kontakt zu unseren Gästen zu suchen. Die restlichen drei oder vier Tage arbeite ich dann vom Büro aus.
Mit einem regulären 8-Stunden-Tag kommen Sie da aber nicht hin, oder?
Nein. Aber für mich wäre das auch nichts, meine acht Stunden irgendwo abzusitzen und dann nachhause zu gehen. Im Bauschänzli bin ich oft mehr als 13 Stunden am Tag. Aber das ist kein Problem, solange einem die Arbeit Spass macht. Man bewegt sich viel, hat Kontakt zu den Gästen und kann dann abends zufrieden nachhause gehen.
Bleibt denn da auch noch Zeit für`s Privatleben, einen Mann oder Familie? Oder haben Sie das alles erstmal zurückgestellt?
Nein, im Gegenteil. Lustigerweise habe ich heute mehr Zeit für mein Privatleben als noch vor ein paar Jahren, als ich die ganze Saison über im Bauschänzli gearbeitet habe. Im Sommer ist es natürlich schwierig, sich mal einen oder mehrere Tage frei zu nehmen, dafür wird es dann im Winter etwas ruhiger.
Was machen Sie denn am liebsten, wenn Sie doch mal ein paar Tage frei haben?
Sie werden es nicht glauben, aber vor allem: Essen gehen! Natürlich dann aber nicht in unseren eigenen Restaurants. Ich finde es immer spannend zu sehen, was die anderen so machen, wie sie ihr Menü präsentieren, welchen Kaffee oder welches Mineralwasser sie anbieten usw. Natürlich treibe ich dann auch viel Sport, um die Balance wieder herzustellen.
Wie sind die einzelnen Betriebe organisiert? Haben die alle einen eigenen Restaurantleiter?
Ja, richtig. Mit ihnen arbeite ich sehr eng zusammen, der regelmässige Austausch ist hier für beide Seiten sehr wichtig. Insgesamt gibt es bei uns fünf AGs, die zusammen eine Holding ergeben. Ich bin aber die Geschäftsführerin und damit auch für alle AGs zuständig.
Eine hohe Anzahl neu eröffnete Gastro-Betriebe müssen nach kurzer Zeit wieder schliessen. Was meinen Sie, was machen die falsch?
Ich glaube, dass viele Leute nach wie vor einfach eine zu romantische Vorstellung vom Gastro-Gewerbe haben. Nach dem Motto: «Komm, wir machen mal ein schnuckeliges Kaffee auf, du in der Küche und ich im Service.» So einfach ist es aber eben leider nicht. Man muss sehr viel kalkulieren: Wie lange arbeiten die einzelnen Mitarbeiter, wie gross sollen die Portionen sein usw. Das klingt nach Kleinigkeiten, aber am Ende des Monats kommt da einiges zusammen!
Was bedeutet für Sie Luxus?
Zeit zu haben! Einfach auch mal nur zuhause zu sein, Kollegen einzuladen und den Grill anzuschmeissen. Mit materiellen Dingen kann ich persönlich nicht so viel anfangen.
Worüber könnten Sie sich ärgern?
Meistens über mich selber (lacht)! Wenn mal ein Mitarbeiter etwas falsch macht, ist das ja oft nicht seine eigene Schuld. Da muss ich dann auch schon mal mit mir selbst ins Gericht gehen, wenn ich beispielsweise etwas falsch kommuniziert oder mich nicht klar genug ausgedrückt habe. Aber das kommt zum Glück nicht allzu oft vor, man lernt ja auch von Jahr zu Jahr dazu.
Hatten Sie als Kind einen Berufswunsch?
Ja, so das Übliche unter Mädchen. Ich wollte bestimmt auch irgendwann mal Kindergärtnerin, Ärztin oder Krankenschwester werden.
Gibt es irgendeine Persönlichkeit, die Sie bewundern oder gerne einmal treffen würden?
Nein, ein echtes Vorbild habe ich eigentlich nicht. Auch wenn es sicherlich Leute gibt, deren Eigenschaften ich bewundernswert finde und die ich dann ein bisschen darum beneide. Dazu gehörte auch sicherlich mein Grossvater. Ein Treffen mit irgendeinem Star oder bekannten Schauspieler wäre für mich eher uninteressant. Viel wichtiger ist es für mich, viele Zürcher Gastronomen zu treffen, da ich noch recht neu in diesem Gewerbe bin und bestimmt noch viel von ihnen lernen kann. Es gibt da eine ganze Reihe von interessanten Persönlichkeiten mit denen ich gern mal einen Kaffee trinken gehen würde!
In diesem Jahr richten Sie bereits das 19. Oktoberfest in Zürich aus. Wir haben gelesen, dass Sie jedes Jahr ca. 2000 Haxen, 4400 Händel und 80.000 Liter Bier verkaufen. Sind diese Zahlen noch aktuell?
Ja, das kommt ungefähr hin. Wir bieten jeden Tag 600 reservierbare und 200 frei verfügbare Plätze an – und das über einen ganzen Monat lang! Die Leute können also auch ganz spontan bei uns vorbeischauen, ein Plätzchen findet sich immer noch irgendwo! Wir freuen uns schon sehr auf das Fest, es ist jedes Jahr ein tolles Erlebnis!
Ist die Atmosphäre denn vergleichbar mit jener in München? Oder geht es in Zürich etwas «gesitteter» zu?
Das kann man denke ich nicht vergleichen. Aber wir geben uns sehr viel Mühe, haben alles sehr authentisch und gemütlich eingerichtet. Das Publikum ist bunt gemischt, das kulinarische und musikalische Angebot sehr vielfältig. Ich denke, dass für jeden Geschmack und jede Altersgruppe etwas dabei ist. An unserem «Pink Monday» (findet immer am dritten Montag statt, Anm. d. Red.) bewirten wir beispielsweise über 800 Homosexuelle. Da herrscht immer eine einzigartige Atmosphäre, da es zumeist sehr lustig und friedlich zugeht. Am Wochenende hat man dann natürlich ein anderes und jüngeres Publikum als unter der Woche. Wir schenken aber ganz bewusst keinen Alkohol an unter 18-Jährige aus, dieses Risiko wollen und können wir nicht eingehen. Letztlich sind wir aber alle erwachsene Menschen, die selber wissen müssen, wie viel sie vertragen können.
Gibt es denn auch Leute, die Anstoss nehmen an der «gay-friendlyness», für die Sie und Ihr Team – dankenswerterweise –einstehen?
Natürlich gibt es da leider manchmal immer noch komische Blicke. Für uns ist es aber eine Selbstverständlichkeit, keinen Unterschied hinsichtlich Geschlecht oder sexueller Orientierung zu machen. Es gibt Städte, die in dieser Beziehung viel weiter sind als Zürich: Berlin zum Beispiel.
Wenn Sie nun einmal zurückblicken auf die letzten beiden Jahre, würden Sie alles noch einmal so machen?
Das ist natürlich eine schwierige Frage, da man ja nie weiss, was passiert wäre, wenn man etwas anders gemacht hätte. Aber insgesamt würde ich sagen: Ja, ich würde es zu jeder Zeit noch einmal tun. Klar ist es eine grosse Challenge, und natürlich gibt es immer ein paar Kleinigkeiten, die man anders oder besser hätte machen können. Aber was die grossen und wichtigen Entscheidungen angeht, habe ich doch hoffentlich immer richtig gehandelt.