Diamanten werden mittlerweile auch im Labor gezüchtet – zerstört das den Mythos?
Es gibt wohl keinen Stein, den so viele Emotionen, Songtitel und Geschichten begleiten, wie den Diamanten – sein unvergleichliches Funkeln birgt das Versprechen von Ewigkeit und Luxus. Wir kennen die Namen der grössten Steine, ihre berühmten Träger*innen und die schönsten Lovestorys und Anekdoten, die sich um sie ranken. Doch sind Diamanten in den letzten Dekaden auch in die Kritik geraten: Sowohl die Gewinnung aus Minen, in denen Bergarbeiter und Diamantenschürfer unter erheblichen Menschenrechtsverletzungen leiden, als auch die Tatsache, dass die kostbaren Steine zum Teil der Finanzierung von Armeen und Kriegen dienen, werden zunehmend als problematisch bewertet und entsprechend geahndet. Hinzu kommen negative Einflüsse auf die Umwelt wie Bodenerosion, Entwaldung oder die Zerstörung von Ökosystemen, die mit der Gewinnung von Diamanten aus Minen einhergehen.
ATTRAKTIVE ALTERNATIVE
Als attraktive Alternative gelten seit einigen Jahren Diamanten, die im Labor gezüchtet werden. In ihrem chemisch-physikalischen Aufbau sind Lab-grown-Diamanten identisch mit natürlichen Steinen: Natürliche Diamanten werden in Vulkanen geboren und gelangen bei einem Ausbruch an die Oberfläche. In Hunderten Kilometern Tiefe und unter enormem Druck kristallisiert unter dem Vulkanschlot reinster Kohlenstoff im glühenden Erdinnern aus. Die dort herrschenden extremen Bedingungen werden heute mit innovativen Technologien im Labor nachempfunden. Diamanten werden dort aus Rohsteinen gezüchtet, die sich weder optisch noch physikalisch von ihren natürlichen Vorbildern unterscheiden. Ein Besuch bei Courbet, dem ersten Juwelier an der wunderbaren Place Vendôme in Paris, der für seine Kreationen ausschliesslich Labordiamanten verwendet, soll tiefere Einblicke in das Business mit den sauberen Steinen geben.
DISRUPTOR AN DER PLACE VENDÔME
Courbet wurde 2018 von Emanuel Mallen und Marie-Ann Wachtmeister gegründet – Mallen hatte 22Jahre bei Richemont für verschiedene Schmuckund Uhrenmarken gearbeitet, bis ihm eines Tages klar wurde, dass er die Ausbeutung von natürlichen Ressourcen wie Erde und Mensch nicht länger unterstützen kann und will. Seine Liebe zum Schmuck und den schönen Steinen war jedoch ungebrochen, und so fand er eine Partnerin, mit der er seine Vision eines komplett nachhaltigen Schmuckhauses, das auf höchstem Niveau agiert, umsetzen wollte.
Ann-Marie Wachtmeister ist der kreative Part des Duos: Sie entwirft die verschiedenen Kollektionen, kümmert sich um Kooperationen und die künstlerische Entwicklung des Portfolios. Im Gespräch mit Emanuel Mallen wird klar, dass es sich um einen Unternehmer handelt, der genau weiss, welche Parameter von Bedeutung sind, um sich in der traditionellen Schmuckbranche als Disruptor zu positionieren. Es ist nicht genug, Diamanten aus Laboren zu beziehen, um als nachhaltig zu gelten, denn der Energieaufwand, welcher für die Zucht der Steine benötigt wird, ist sehr hoch. Also argumentiert er mit dem CO2-Footprint und bezieht seine Diamanten nur aus Laboren, die mit emissionsarmem Strom arbeiten. Diese befinden sich in den USA und in Frankreich, wo Courbet auch selbst in ein Diamantenlabor investiert hat. So kann er sagen, dass die Produktion eines Karats von Courbet nicht mehr CO2 ausstösst, als in eine Espressotasse passt.
Der Nachhaltigkeitsanspruch gilt bei Courbet für die gesamte Wertschöpfungskette: Das in den Kreationen verwendete Gold ist zu 100Prozent recycelt und stammt aus Computern und Mobiltelefonen. Die Präsentationselemente im Showroom und die Verpackungen werden von einer Künstlerin aus Papier gefertigt, innerhalb Paris wird nur per Fahr radkurier geliefert und die Versandmaterialien lassen sich wiederverwenden. Aus der Kollektion «Let’s commit» gehen 15 Prozent des Erlöses an eine von fünf Charity-Organisationen, aus denen der Kunde beim Kauf wählen kann.
Auf der Suche nach nachhaltigen Alternativen zu Minendiamanten wird man bei Courbet fündig – doch wie sieht es mit der Haute Joaillerie, der Luxusdisziplin des Schmuckhandwerks aus? Mallet erklärt, dass die Zucht eines grossen Diamanten im Labor einen höheren Zeitaufwand bedeutet als die eines kleinen – bisher lassen sich im Labor Steine bis zur Grösse von etwa zwölf Karat herstellen. Dies geschieht meist auf Bestellung und nimmt von dem Moment der Order bis zum fertigen Produkt ein gutes Jahr in Anspruch. Das aufwendigste Stück bei Courbet besteht aus 1800Diamanten und wurde in 400Arbeitsstunden gefertigt. Es steht der Haut Joaillerie anderer Häuser an der Place Vendôme in nichts nach – der Handwerkskunst sind auch hier keine Grenzen gesetzt.
EIN AUSBLICK
Preislich werden die Diamanten aus dem Labor im Vergleich zu Diamanten aus Minen immer interessanter, je grösser sie werden. Kostet ein Karat aus der Mine zwischen 7000 und 10’000Euro, so liegen die Labordiamanten bei etwa 5000Euro, steigern sich dann aber im Gegensatz zu den Minendiamanten linear und nicht exponentiell. Zwei Karat kosten also etwa 10’000 Euro, drei Karat um die 15’000Euro. Gerade für personalisierte Teile ist dies äusserst interessant – besonders für den amerikanischen Markt, wo Size bekanntlich matters. Dort bietet der Handel mittlerweile beide Optionen nebeneinander zur Auswahl an, was in Europa erst langsam beginnt. Der Anteil von Labordiamanten ist derzeit noch klein und beträgt mit 5.5Millionen Karat etwa ein Prozent des Gesamtaufkommens, das im Jahr aus Minen gewonnen wird. Doch der Aufstieg der Labordiamanten ist unaufhaltsam, denn das Naturprodukt neigt sich langsam dem Ende – man wird im Jahr 2050 nur noch etwa zehn Prozent des heutigen Diamantenaufkommens aus Minen schöpfen können, mit immer grösseren Auswirkungen auf die Umwelt.
Es wird in der Luxuswelt langfristig also kein Weg an Labordiamanten vorbeiführen, und Pioniere wie die Maison Courbet ebnen bereits diesen Weg, getreu ihrem Firmenmotto «Without goodness beauty means nothing».
INFO
Andrea Steiner beschäftigt sich seit dem Jahr 2007 mit inhabergeführten Luxusunternehmen. Sie ist Inhaberin der Agentur Goldstück und Dozentin für Nachhaltigkeit und Luxusmarken an der International School of Management (ISM).