Ein sonniges Herbstwochenende, Familien vergnügen sich draussen im Park. Liebevoll wird der kleine Julius von seinem Vater in die Luft geworfen. Der Junge kreischt vor Freude: «Nochmals, Papa!» Beim dritten Mal macht es «klack» und der Arm des Sprösslings ist ausgekugelt. «Ich sagte doch, passt auf!», schreit die Mutter des Fünfjährigen. Julius weint verängstigt. Was nun? Die Praxis des Hausarztes ist an den Wochenenden geschlossen. Mit dem aufgelösten Kleinkind in die überfüllte Notaufnahme, wo man in den meisten Fällen erst nach langer Wartezeit behandelt wird? Das muss nicht sein! «Die Kindertagesklinik Liestal schliesst im Baselbiet eine wichtige Versorgungslücke»: Ein Gespräch mit Chefärztin Frau Dr. med. Elke Maritz zeigt, wieso die KTK nicht nur an Wochenenden, sondern auch unter der Woche eine gute Anlaufstelle für Klein und Gross ist.
Frau Dr. Maritz, in welchen Fällen darf man sich an die KTK wenden?
Dr. med. Elke Maritz: Die Fälle, die wir in der KTK behandeln, sind bunt gemischt. Wir kümmern uns um kleine bis mittelgradige Notfälle, führen Verlaufskontrollen durch, weil der Kinder- und Hausarzt der kleinen Patienten in den Ferien oder seine Praxis geschlossen ist. Zunehmend suchen uns auch verunsicherte Eltern für sogenannte «Second Opinions» auf. Sie wünschen sich eine Überprüfung beziehungsweise Bestätigung der Erstdiagnose, die wir ihnen in den meisten Fällen auch geben können. Diese Zweitmeinung gibt den Eltern eine wichtige Sicherheit. Ausserdem führen wir je nach Krankheitsbild diverse Ultraschall-, Röntgen- und Laboruntersuchungen durch. Zum Beispiel bei Fehlbildungen oder Rückstau in den Nieren oder bei unklaren Kopf- oder Bauchschmerzen, oder bei Verdacht auf Knochenbruch. Wir verfügen über eine sehr umfassende Ultraschalltechnik und können dadurch viele Diagnosen stellen. Insbesondere sogenannte Grünholzbrüche – Knochenbrüche bei Kleinkindern –, wo zwar der Knochen, nicht aber die Knochenhaut gebrochen ist, können wir mittels Ultraschall, ganz ohne Röntgen, erkennen.
Was tun bei einem Notfall?
Bei nicht lebensbedrohlichen Notfällen wie beispielsweise Verdacht auf Mittelohrentzündung, ausgerenkten Gelenken und leichten Knochenbrüchen darf man uns während unserer Öffnungszeiten jederzeit gerne auch ohne Voranmeldung aufsuchen. Dazu ist kein Verweis des Kinder- oder Hausarztes notwendig und wir sind natürlich Krankenkassen anerkannt. Wenn das Kind nach ein paar einfachen Handgriffen zum Wiedereinrenken eines Gelenkes wieder lachen kann und die Eltern froh sind, fühle ich mich als Ärztin sehr erfüllt.
Wird in der KTK auch operiert?
Ein- bis zweimal im Monat gibt es bei uns einen sogenannten Operationstag mit ganz tollen, sehr erfahrenen Kinderchirurgen, an denen kleinere Operationen tagesstationär durchgeführt werden. Die Bandbreite dieser Operationen umfasst von der Leistenbruch- über die Phimosen-OP (bei Verengung der Vorhaut) bis hin zur Entfernung von Metallkörpern wie Schrauben und Platten nach komplizierten Operationen. Besonders letztere OP ist ein sehr kleiner Eingriff und kann problemlos in einer kurzen Narkose erledigt werden – die Kinder sind nach Erwachen wieder fit und können direkt nach Hause zu Mami und Papi.
Was ist Ihrer Meinung nach der grösste Vorteil der KTK Liestal?
Von 100 Kindern verweisen wir nur zirka fünf Prozent mit schweren Erkrankungen weiter an das UKBB oder das Kantonsspital. Wir sind somit ein sehr effizienter Filter für kleine bis mittlere Notfälle. Besteht bei einem Kind eine unklare Diagnose oder ist der Befund schwerwiegender, verweisen wir den Patienten direkt an unsere Partner, mit denen wir eng zusammenarbeiten, weiter und organisieren eine reibungslose Übernahme beim weiterbehandelnden Kollegen. Wer schon mit seinem Kind in der Notfallambulanz war, kennt das Problem der langen Wartezeiten aufgrund von Überlastung des Personals. Bei uns ist das anders. Der Prozess von der Patientenvorbereitung über Röntgen oder Ultraschall bis hin zur Besprechung des Befundes ist sehr effizient und somit zeitsparend. Diese Effizienz können wir insbesondere durch einen Punkt gewährleisten, der uns von grossen Spitälern unterscheidet: Wir haben keine schwerstkranken Patienten. Ich habe selber in grossen Kliniken gearbeitet und festgestellt, dass die schwerstkranken Patienten die meiste Zeit beanspruchen und oft zu wenig Zeit für kleine bis mittelschwere Patientenfälle bleibt und diese dann leider oft zu kurz kommen. Das einzigartige Konzept der Kindertagesklinik hat sich aber genau auf diese Fälle spezialisiert. Wir sind ein kleines, sehr eng und harmonisch zusammenarbeitendes Team. Zudem verfügen wir über sehr viel Platz und Raum zum Arbeiten, in angenehmer Atmosphäre, was dazu führt, dass sich unser eingespieltes Team, bestehend aus Ärzten, MPA und Krankenschwestern, sehr viel Zeit für unsere leichtkranken oder verletzten Patienten nehmen kann.
Was gefällt Ihnen in der KTK besonders?
Was ich hier total klasse finde, ist die Bobbycar-Autobahn, welche durch die ganze Klinik führt. Der grosszügige Spielbereich mit rosa Puppenecken und sonstigen Sachen lädt zum Spielen ein. Der deutsche Arzt Carl Ludwig Schleich hat mal gesagt: «Ein nicht fröhliches Kind ist unter allen Umständen ein krankes Kind.» Flitzt ein kleiner Patient also mit gefühlten 100km/h durch die Gänge und den Spielbereich, können wir meist davon ausgehen, dass er nicht schwerkrank ist. Das ist auch sehr beruhigend für die Eltern, denn zu Hause ist es immer schwierig abzuschätzen, wie krank das Kind wirklich ist. Wir freuen uns immer, wenn die Kinder gar nicht mehr nach Hause wollen (lacht).
Wie sehen Sie die Zukunft der KTK in Liestal?
Die Zukunftsaussichten für die KTK sind ausgezeichnet. Die ambulante Behandlung von Patienten, dort wo es sinnvoll und verantwortbar ist, wird in nächster Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die Versicherten und der Staat können sich die jedes Jahr ansteigenden Gesundheitskosten nicht mehr lange leisten. Diese wachsen in schwindelerregende Höhen und werden zunehmend untragbar. Statistiken zeigen, dass zum Beispiel in Norwegen 80 Prozent aller Patienten ambulant behandelt werden und dadurch keinen Nachteil erleiden. Wir haben eine Vergleichsstudie gemacht und den Aufwand der KTK für 22 typische Fälle mit dem des UKBB verglichen. Die verrechneten Beträge waren bei der grossen Klinik um Faktor 4 teurer. Wir möchten unbedingt am Ball bleiben und unser Angebot erweitern, indem wir Informationsabende und Kurse für Eltern zu aktuellen Themen anbieten. Ausserdem führen wir auch zahnmedizinische Eingriffe unter Vollnarkose für Menschen mit Behinderung (auch Erwachsene) durch. Dieses Angebot würden wir gerne noch etwas bekannter machen. Es ist ein einmaliges Gefühl zu erleben, wie ein cerebral gelähmter Patient nach dem Flicken eines Loch im Zahn langsam aus der Narkose erwacht und alle seine Glieder vollständig entspannt sind – ein Zustand, der für cerebral gelähmte Menschen sonst nie möglich ist – und er uns danach schmerz- und angstfrei verlassen kann.