Das leicht lesbare «Basler Europa-Brevier» ist kein explizites Plädoyer pro oder contra EU. Es ist vor allem als Nachschlagewerk zu gebrauchen, das über die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaften (EG) beziehungsweise der Europäischen Union (EU) von den Anfängen bis heute, über die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EG/EU sowie die gegenwärtigen Herausforderungen informiert. Die Kurzporträts wichtiger Schweizer Unterhändler, statistische Hinweise sowie ein Stichwort-, Namens- und Abkürzungsverzeichnis ergänzen die Publikation.
Verfasser ist alt Botschafter Dr. iur. Benedikt von Tscharner, ein ausgewiesener Kenner der Beziehungen Schweiz/«Europa», der unter anderem das Integrationsbüro EDA/EVD in Bern als auch die Schweizerische Mission der Schweiz bei den EG in Brüssel geleitet hat. Herausgeber sind Dr. rer. pol. Paul Aenishänslin, unter anderem ehemaliger Botschaftsrat, Schweizerische Mission bei den EG, Brüssel oder Delegierter des Vororts/SHIV in Brüssel sowie lic. rer. pol Hans Rudolf Bachmann, Berater für Public Relations, Public Affairs und Kommunikation, ehemals Grossrat im Kanton Basel-Stadt und langjähriger Geschäftsführer der Vereinigung für eine STARKE REGION BASEL. Im Interview mit dem «Geschäftsführer» legt Mitherausgeber Hans Rudolf Bachmann vor allem Wert auf die Feststellung, dass das «Basler Europa-Brevier» die sachliche Information in den Vordergrund stellt und einen objektiven Beitrag leisten will, die Wissenslücken bezüglich Europa und EU insbesondere bei Politikern und Führungskräften zu schliessen.
«Geschäftsführer»: Als Laie hat man das Gefühl, über das Verhältnis Schweiz – EU sei eigentlich alles gesagt und geschrieben – was waren die Beweggründe, nun das «Basler Europa-Brevier» zu publizieren?
Hans Rudolf Bachmann: Es stimmt, was in Bezug auf die EU oder das Verhältnis Schweiz – EU geschrieben wurde, könnte ganze Bibliotheken füllen. Gerade aber die enorme Fülle der Informationen zu diesem zweifellos komplexen Thema ist nicht dazu geeignet, sich ein klares Bild zu machen. Tatsächlich ist die Diskussion zum Thema Europa – sowohl bei Gegnern, als auch Befürwortern eines Beitritts der Schweiz zur EU – vielfach durch emotionelle Vorurteile, Klischees, Behauptungen und Allgemeinplätze anstatt durch Fakten geprägt. Dies ist bedauerlich, denn in der Schweiz und insbesondere in Basel sitzen wir mitten in Europa und müssen uns – wie auch immer – mit der uns umschliessenden EU arrangieren und langfristig gute Lösungen finden. Dass die Eidgenossen zu wenig über die EU, deren Geschichte und deren Strukturen wissen, obwohl es für die Schweiz wichtig wäre, den Verhandlungspartner EU mit seinen Stärken und Schwächen gut zu kennen, war der Auslöser, das «Basler Europa-Brevier» als Wissensbasis und Nachschlagewerk zu publizieren.
Das «Basler Europa-Brevier» ist also kein Plädoyer pro oder contra EU?
Um es noch einmal zu wiederholen: Unabhängig davon, ob man der EU positiv oder ablehnend gegenübersteht, die EU existiert und diese Tatsache kann man nicht ignorieren. Das «Basler Europa-Brevier» liefert «lediglich» Sach- und Basisinformationen und erklärt, wie Europa funktioniert. Es ist aber durchaus auch ein Plädoyer für die Weiterführung der von der Schweiz praktizierten Politik des pragmatischen Bilateralismus. Dieser hat sich bewährt und stellt die notwendige Brücke zwischen der Schweiz und dem grossen europäischen Binnenmarkt dar.
Wie stellen Sie sich persönlich denn die Beziehungen der Schweiz zur EU vor?
In meiner politischen Tätigkeit habe ich mich stets für sachliche nicht ideologische Lösungen eingesetzt. Dieser Ansatz ist auch bei unseren Beziehungen zur EU zielführend. Wir brauchen eine vernünftige, den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Schweiz angepasste, flexible, aber dennoch stabile Partnerschaft mit der EU. Themen wie Personenfreizügigkeit, Unternehmensbesteuerung, Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes, der Markt für Finanzdienstleistungen oder die Forschungszusammenarbeit – um nur einige zu nennen – sind Realität, und die Schweiz kann dies nicht ignorieren oder sich darum foutieren. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Vernetzungen finden über nationale Grenzen hinweg statt und sind für Menschen und Unternehmen selbstverständlich. Gerade für eine Grenzregion wie Basel sind gute Beziehungen zu den Nachbarn in der EU zentral.
Jetzt präsentiert sich die EU zurzeit nicht gerade positiv, dementsprechend skeptisch wird das Europa der EU von der Schweiz aus beobachtet, und auch die Strategie des Bilateralismus steht auf dem Prüfstand. Wie müsste denn die EU aussehen, um gegen Schweizer Zweifel bestehen zu können?
Die EU muss sich entwickeln und föderalistische Strukturen schaffen, um in der Zukunft bestehen zu können. Wenn in Grenzregionen wie der Nordwestschweiz über die Grenzen hinweg zusammengearbeitet wird, dann macht es wenig Sinn, wenn darüber in Brüssel, Paris oder Berlin befunden wird. Die Beziehung Schweiz – EU darf keine Einbahnstrasse sein, wo allein Europa die Regeln bestimmt. Bilaterale Verträge müssen für beide Seiten sinnvoll sein. Es ist nötig – und das soll ja das «Basler Europa-Brevier» vermitteln – dass wir Stärken und Schwächen der EU kennen, um auf Augenhöhe mit ihr verhandeln zu können. Wir werden in den kommenden Jahren immer wieder grundsätzlich und in Einzelfragen an der Urne über unser Verhältnis zur EU entscheiden müssen. Da ist es wichtig, «en conaissance de cause» entscheiden zu können.