Sie sind der Inbegriff elektrischer Performance, gemischt mit moderner Technologie und Design– die Fahrzeuge von Polestar. Erst seit fünf Jahren gegründet und bereits geschätzt aufgrund seiner geradlinigen Klimapolitik, läutete das Unternehmen eine neue Ära ein. Sascha Heiniger, Head of Polestar Switzerland, spricht über die Entwicklung einer jungen Marke, die innert weniger Jahre zum Vorreiter der Nachhaltigkeitswelle heranwuchs.
von Swenja Willms
PRESTIGE BUSINESS: Die Marke Polestar hat sich seit 2017 als eigenständige Marke für Elektroautos etabliert. Welche Rolle spielte dabei die Mutter Volvo?
Polestars Geschichte startete als Racingteam in der schwedischen
Tourenwagen-Meisterschaft. Dieses Team ist mit Volvos gefahren und hat die Meisterschaft auch mehrmals gewonnen. Um das Know-how dieses Racingteams besser nutzen zu können, nahm Volvo Cars Polestar als Haustuner auf. «Polestar Engineered» steht bei Volvo auch heute noch für optisches und Leistungs-Tuning.
Wie wurde Polestar dann zu einer eigenen Marke?
Ich kann mich noch gut an die Diskussionen im Jahr 2013 erinnern, als ich während
drei Jahren im Hauptsitz von Volvo in Göteborg gearbeitet habe. Volvo entschied sich, zu einer elektrischen Marke zu werden, und wollte, dass in dieser Transformation auch Polestar eine aktive Rolle spielt. 2016 wurde entschieden, dass Polestar eine eigenständige Marke für Elektrofahrzeuge werden soll, unter demselben Dach wie Volvo. Die Überzeugung war, dass Polestar als «standalone»-Marke den Wechsel zu vollelektrischen Fahrzeugen schneller und konsequenter gehen kann. Im Dezember 2020 schliesslich konnten wir dann unser erstes Fahrzeug in der Schweiz ausliefern.
Welche Verbindungen zu der Marke Volvo blieben bestehen?
Polestar gehört zur Hälfte dem grössten privaten chinesischen Automobilhersteller
Geely und zur Hälfte Volvo Cars. Wir sind zu zwei Dritteln ein Start-up. Und zu einem Drittel dürfen wir Know-how und Infrastruktur von Volvo nutzen. Ein wichtiger Punkt ist beispielsweise, dass unsere Service- und Garantieleistungen über das Volvo-Vertreter-Netzwerk abgewickelt werden–ein qualitativ hochstehendes Netzwerk, das viel Vertrauen geniesst.
Weshalb sollte man nun einen Polestar kaufen?
Weil unsere Modelle für herausragendes Design stehen und viel Spass machen beim Fahren. Mit unserer DNA aus dem Racing wissen wir, was Performance heisst. Aber auch weil wir Nachhaltigkeit sehr ernst nehmen. Mit dem «Polestar 2» wurden wir zu einer vollelektrischen Marke. Als solche legen wir grossen Wert auf Transparenz: So legen wir beispielsweise offen, wie unsere Batterien hergestellt werden oder welchen CO2-Footprint
ein Fahrzeug von uns hat, wenn es im Showroom steht. Basierend darauf lässt sich berechnen, ab wie vielen gefahrenen Kilometern ein Polestar ein Modell mit klassischem Verbrenner-Motor punkto ausgestossenem CO2 überholt.
Wie viel von einem Volvo steckt noch in einem Polestar? Führen Sie mittlerweile eigenständige Produktionsstätten?
Wir arbeiten in der Produktion eng mit Volvo Cars zusammen. Da wir in dieselbe Gruppe gehören, teilen wir dieselben Plattformen und teilweise auch Komponenten. In unseren Modellen stecken aber auch viele Eigenentwicklungen. So zum Beispiel auch in unserem letzten Konzeptfahrzeug, dem Elektro-Cabriolet «O2», wo für das Chassis geklebtes Aluminium zum Einsatz kommt.
Das Stichwort für die nächste Frage: Aluminium – welche Leistungs- und Umweltvorteile bringt diese Materialverwendung mit sich?
Es ist leichter und kompakter und bietet mehr Freiheiten im Design. Zudem verbraucht es weniger Energie und lässt sich in multiplen Schichten verbauen. Ein grosser Vorteil ist, dass man Aluminium komplett recyceln kann, und dies ohne Qualitätsverlust.
Wie sehen Sie den elektrischen Markt in der Schweiz, gerade
auch in Bezug auf Ladestationen?
Die Schweiz hat eine der höchsten Dichte an Schnellladestationen. Wir empfehlen unseren Kund*innen ausserdem eine Wallbox für zuhause. Das ist die bequemste und günstigste Art, um die Batterie aufzuladen. Allerdings ist die Schweiz nicht gerade ein Land von
Hausbesitzern. Viele Leute wohnen in Mehrfamilienhäusern oder in der Stadt. Gerade als Mieter*innen in Überbauungen ist es nicht immer einfach, eine Wallbox installieren zu können. Da gibt es gerade bei Vermietern noch Potential, dem Wandel hin zur vollelektrischen Mobilität gegenüber offener eingestellt zu sein. Zudem gibt es im Vergleich zu Ländern wie Deutschland oder Norwegen wenig staatliche Unterstützung bei uns. Aber
die Schweiz ist so gesehen vielleicht der ehrlichste Markt. Das, was bei uns gekauft wird, wird gekauft, weil es eine reale Nachfrage gibt und nicht, weil sie künstlich geschaffen wurde. Und wie wir wissen, sind Kunden und Kundinnen in der Schweiz auch bereit, für gute Qualität einen hohen Preis zu bezahlen.
Apropos Preis: Der Polestar 3, ein grösseres, sportliches SUV, wird im Jahr 2023 über die Strassen fegen. Es herrschen Spekulationen von Preisen bis zu über 100’000 CHF. Der Spagat in der Preisklasse der Polestar-Modelle wächst dadurch. Welche Entwicklungen streben Sie an?
Der «Polestar 2», unser aktuelles Volumenmodell, ist eine kompakte Limousine. Ich finde es sehr gut, dass wir als Marke mit diesem Modell gestartet sind, nicht mit einem SUV wie die meisten unserer Konkurrenten. Wir positionieren uns klar als progressiver Premium-Brand mit einem europäischen Verständnis von Fahrzeugbau. Mit unseren künftigen, auch grösseren Modellen wird sich Polestar aber sicher noch deutlicher im höheren Fahrzeugsegment positionieren.
Wie würden Sie Luxus definieren?
Ich finde, die Definition von Luxus hat sich über die letzten Jahre stark verändert. Früher war Luxus meist «Bling-Bling», heute ist das Schlichte Luxus. Dazu müssen wertige Materialien und Fortschrittlichkeit den Kern bilden. Dafür stehen auch wir als Marke.
So waren wir beispielsweise der weltweit erste Hersteller, der Android Automotive von Google direkt im Fahrzeug verbaut hat. Was bei anderen Herstellern nur Spiegelung des Mobilephones ist, ist heute das Betriebssystem unserer Fahrzeuge. Aber auch Nachhaltigkeit definiert Luxus neu. Zum Beispiel bewegen wir uns beim Interieur weg von Leder hin zu neuen, aus der Sportindustrie inspirierten, innovativen Materialien aus erneuerbaren Ressourcen.
Worauf legen Ihre Kunden Wert? Wie sieht der Polestar-Kunde
von heute aus?
Unsere Kunden und Kundinnen lassen sich nicht nach bestimmten sozio-demografischen Kriterien einteilen. Viel eher fühlen sie sich von unseren Markenwerten angesprochen–der skandinavischen Interpretation von Luxus, den intuitiven Technologien, dem eigenständigen Design und der Nachhaltigkeit. Gerade das Wort Nachhaltigkeit wird heutzutage leider sehr inflationär benutzt. Man bezeichnet sich beispielsweise als nachhaltig, wenn man Emissionen kompensieren lässt. Das heisst aber nicht, dass diese Emissionen nicht stattgefunden haben. Deswegen hat sich Polestar zum Ziel gesetzt, bis 2030 ein Auto komplett ohne CO2-Ausstoss zu bauen – und dies ohne Kompensationen. Das ist eine riesige Challenge. Denn es bedeutet, dass wir unsere ganzen Zulieferungsketten prüfen und nachhaltig aufstellen müssen. Dabei weisen wir unsere aktuellen Resultate transparent aus. Das heisst, unsere Kunden haben Einsicht in die entstandenen Emissionen und die verbauten Bestandteile ihres Fahrzeugs.
Das komplette Recyceln eines Fahrzeuges ist eines der Ziele von Polestar. Was geschieht dabei mit den Batterien?
Batterien können nach dem Einsatz in einem Fahrzeug wiederverwertet werden. Ebenso werden wir gebrauchte Batterien in einem zweiten Einsatz als Speichereinheit nutzen. Ein grosses Problem von nachhaltig produzierter Energie ist ja, dass sie nicht gespeichert werden kann. Wenn sie mal da ist –nehmen wir Windenergie –, muss sie genutzt werden, sonst geht sie wieder verloren. Batterienblocks als Speicher können da eine Lösung bieten.
Eines der grössten Probleme von Recycling bei Fahrzeugen sind derzeit auch die eingesetzten Materialmischungen. Daher haben wir bei unserem letzten Konzeptfahrzeug, dem «O2», möglichst viele Teile aus demselben Material eingesetzt. Letztlich wird uns das Energie-Thema als Menschen immer begleiten. Ich bin daher der festen Überzeugung, dass wir hin müssen zu einer nachhaltigen, zirkulären Wirtschaft und in diesem Sinne weg von den fossilen Brennstoffen.
Fotos: Polestar