Über die Relevanz des Dranbleibens – Frauen in der Business-Welt
Noch heute bleiben viele Frauen in Unternehmen unter der «gläsernen Decke» hängen. Oft sind sie entmutigt und geben das Ruder zu schnell an ihre männlichen Kollegen ab. Wir haben Karin J. Weber, Gründerin der Female Business Seminars, gefragt, woran das liegt und mit welchen Eigenschaften Frauen punkten, um in Top-Positionen vorzudringen.
In Netzwerkveranstaltungen für berufstätige Frauen sind diese häufig in einer Blase mit Ihresgleichen mit dem Ziel, sich weiterzubilden und zu unterstützen. Wie sieht es aus, wenn sie zurückkommen in die reale Berufswelt, die eher von Männern dominiert wird?
Sie kommen dann besser vorbereitet zurück – mit neuen Skills und Selbstvertrauen. Unsere Seminare sind keine Selbsthilfegruppe. Es werden solche Skills trainiert, die Frauen nachweislich darin unterstützen, in der «realen Berufswelt» besser zu bestehen, nicht so schnell aufzugeben und neuen Mut zu fassen. Die «neutrale» und entspannte Lernumgebung, also ohne den Druck, sich vor Männern beweisen zu müssen, hilft, um vorwärtszukommen.
Sie führten im April den Female Business Erlebnistag 2017 «Trainiere Dein Durchhalte-Gen» durch. Wie kommen Sie darauf, dass Frauen ihr Durchhalte-Gen trainieren müssen?
Durchhalten ist prinzipiell für alle wichtig, die an ihren Zielen dranbleiben und diese erreichen wollen. Im realen Berufsleben brauchen Frauen aus zwei Gründen mehr Biss als Männer: Erstens müssen sie sich teilweise mehr beweisen und mehr für ihre Karriere tun. Zweitens geben sie tatsächlich manchmal zu schnell auf oder wollen sich nicht unnötig exponieren.
Viele Frauen machen sich selbstständig anstatt in einem bestehenden Unternehmen die Karriereleiter hochzuklettern. Wäre das schon ein Beispiel dafür, dass Frauen das Durchhalte-Gen fehlt?
Wer denkt, die Selbstständigkeit ist leichter, der ist auf dem Holzweg. Oft fordert das sogar mehr Durchhaltewillen und Risikobereitschaft. Allerdings belegt eine Londoner Studie, dass viele Frauen aus der Not heraus in die Selbstständigkeit ausweichen, weil sie sich sonst nicht verwirklichen und Karriere machen können. Denn in Unternehmen wird die Andersartigkeit häufig nicht berücksichtigt. Klar geben Frauen teilweise zu schnell auf oder nehmen Dinge zu persönlich. Sie werden aber auch oftmals übersehen und nicht gleich gehört. Das ist am Ende frustrierend. Dann entscheidet sich eine Frau mit grossem Durchhaltevermögen einfach, sich selbstständig zu machen.
Häufig setzen Unternehmen bei Kaderpositionen auf Mitarbeitende, die keine Lücke im Lebenslauf vorweisen. Wie kann Dranbleiben mit Familiengründung vereinbart werden? Haben Männer da nicht die besseren Chancen?
Männer haben es von Beginn an leichter. Es gibt Studien, die beweisen, dass eine Pensums-Reduktion auf 80 Prozent oder weniger die Karrierechancen um 90 Prozent vernichtet. Solange die Zeit mit Kindern eine «Lücke» ohne Wert im Lebenslauf darstellt, bleibt es schwierig für die Frauen. Ein Mann konnte währenddessen Diplome machen, die er folglich ausweisen kann.
Wir müssen lernen mit der Zeit zu gehen. Wir brauchen in der Schweiz ein flächendeckendes Angebot an Kinderkrippen. Wir haben keine Tagesschulen, weshalb viele auf teure Privatschulen ausweichen. Das hilft auch nicht gerade weiter!
Können Sie ein praktisches Beispiel einer Frau nennen, die die «gläserne Decke» in einem KMU durchbrochen hat?
Es gibt in unserem Netzwerk zahlreiche solcher Frauen: zum Beispiel eine relativ junge Frau, die das grosse Malergeschäft ihres Vaters leitet; eine Architektin, die 20 Angestellte führt; eine Frau im männerdominierten Umfeld ist Rebecca Zuber von dem Unternehmen für Immobilienprojekte HRS oder Eva Jaisli von PB Tools, die die typischen Schweizer Schraubenzieher herstellen.
Kann es beim Durchhalten und Dranbleiben nicht auch passieren, dass eine Frau zu lange an einem beruflichen Ziel festhält, ohne wirklich weiterzukommen?
Natürlich können sich Frauen an einer Sache zu lange aufhalten, die sich nicht lohnt. Wichtig ist, dass sie unterscheiden lernen, wofür es sich zu kämpfen lohnt und wofür nicht. Weiter, dass sie ihre Ziele kennen und sich selber. Was ist mir wichtig? Wo will ich hin, auch karrieretechnisch? Ich habe mit HR-Verantwortlichen gesprochen, die mir sagten, Frauen melden häufig zurück, sie wissen noch nicht, wo sie in zehn Jahren stehen werden. Männer sagen das klarer. Den Unterschied müssen Frauen sich bewusst machen. Natürlich haben es Männer leichter, da Frauen eher denken, dass vielleicht noch Kinder zwischen die Karrierepläne kommen.
Haben Sie ein konkretes Beispiel, wofür es sich lohnt zu kämpfen und was Zeitverschwendung ist?
Das ist von Person zu Person verschieden. Es ist auch wichtig, nicht alleine zu kämpfen, sondern sich Verbündete zu holen, auch im Unternehmen, und sich zu vernetzen. Frei nach L’Oréal, «Weil ich es mir wert bin», sollte man sich aber nicht alles gefallen lassen, um nach oben zu kommen.
Sondern sich durchsetzen …
Genau. Denn ist man zu verkrampft, dann wird’s schwierig, Karriere zu machen.
Sehen Sie Unterschiede beim Dranbleiben in der Arbeitswelt bei Frauen und Männern?
Es gibt Unterschiede. Dranbleiben ist schwieriger, wenn erstens die Frau beruflich weniger ernst genommen wird und zweitens das berufliche Umfeld für Frauen zu wenig vorbereitet ist, damit sie in eine höhere Position aufsteigen können. Es braucht beispielsweise andere Denkweisen, andere Lösungen und andere Führungsstile. Und eine dritte Hürde ist, wenn Kinder und Haushaltspflichten eine Karriere verunmöglichen. Wer deswegen nie zu Hause bleiben muss, hat es definitiv einfacher, an seiner Karriere dranzubleiben.
In den Köpfen vieler ist immer noch der Mann in der Führungsposition verankert. Weshalb hat in dieser Hinsicht noch kein Mentalitätswechsel stattgefunden? Liegt das nur an den Männern oder auch an den Frauen selber?
Beide sind wir gefangen in unseren Denkmustern und Stereotypen. Das hat auch etwas mit unserer Prägung, unseren Vorbildern und unserer Erziehung zu tun. Wir müssen flächendenkend etwas tun – nicht nur ein paar Unternehmen –, um diese Stereotypen zu durchbrechen. Viele Attribute, die mit Erfolg, Karriere oder Führung verbunden werden, wie Ehrgeiz und Klarheit, werden Männern zugeschrieben und nicht Frauen. Solange das Wort «Karriere» an diesen Attributen hängt, wird die Frau auch nicht damit assoziiert.
Was kann dagegen getan werden?
Es braucht mehr Toleranz, mehr Bewusstsein und vielfältige Rollen- und Karrieremodelle. Letztlich haben die jeweiligen männlichen CEOs massiv Einfluss darauf, für die Frauen etwas zu ändern. Es werden also viele Männer einstehen müssen für gendergerechte Karrieren. Wir Frauen alleine können das nicht schaffen.
Sie erwähnten eben Vorbilder. Können diese schon bei Kindern etwas bei der Berufswahl bewirken?
Berufliche Vorbilder haben einen enormen Einfluss. In der Firma meines Mannes, der Elektroingenieur ist, finden wir keine Frauen, obwohl man bei diesem Job eine Perspektive hat und gut verdienen kann. Schon in den Schulen Lobbying zu betreiben, finde ich deswegen wichtig: Wenn ich als junge Frau sehe, dass eine Pilotin das Flugzeug steuert, dann will ich vielleicht auch mal eine werden. Ein männlicher Pilot triggert bei Mädchen hingegen nicht das Gleiche, und es bleibt die Angst, das als Mädchen nicht zu können. Die Sozialisation spielt hier auch eine zentrale Rolle.
Was können Sie Frauen auf den Weg geben? Mit welchen Eigenschaften können Frauen punkten, um Erfolg zu haben?
Viele Frauen stellen ihre Fähigkeiten noch zu sehr unter den Scheffel. Frauen brauchen Selbstvertrauen in ihr Können, müssen klare Aussagen machen, was sie wollen, ihre Ziele kennen und Spass am Wettbewerb haben, auch im Unternehmen. Und nicht sagen: «Das ist mir zu blöd!» Ich glaube, viele Frauen nehmen sich zu schnell aus dem Rennen. Seine eigene Karriere sportlich zu nehmen, hilft enorm. Frauen sollten besser sagen: «O.k., diesmal hat es nicht geklappt. Ich versuche es nochmal, dann bekomme ich nächstes Mal den Job!» Mit dem notwendigen Biss und gleichzeitiger Gelassenheit navigieren und dem Vertrauen, dass es gut kommt, ist mein Tipp. Natürlich müssen auch Frauen belastbar und teamfähig sein. Eigentlich bringen Frauen aber schon viel mit, was Unternehmen zum Erfolg verhelfen würde. Man muss ihnen aber die Karriere ermöglichen und ihnen zuhören. Das ist häufig nicht der Fall.
Welche Eigenschaften meinen Sie da genau?
Gerade in der Arbeitswelt 4.0 wird immer wieder von Innovation, Kreativität und Flexibilität geredet. Diese Eigenschaften bringen Frauen sicher mit, Mütter erst recht. Frauen sind gut aufgestellt und gut ausgebildet. Aber solange wir so weitermachen, haben wir in 50 Jahren entweder wenig Kinder oder noch immer keine Frauen in der Führung.