von Martin Steiger
Ist Ihr Geschäftsmodell eher langweilig, gerade auch für Investoren und Medien? Dann erwähnen Sie, die Blockchain nutzen zu wollen, und schon können Sie von der «Goldgräberstimmung» profitieren – noch mehr, wenn Sie auch Bitcoin, Cloud und Smart Contracts erwähnen … So hat IBM kürzlich tatsächlich angekündigt, langweilige «Mainframes mit der Blockchain und der Cloud» zu kombinieren, und Sachversicherungen verkünden Visionen von einem Blockchain-basierten Internet der Dinge gerne als Teil der Sharing Economy.
Das Prinzip der Blockchain steht nüchtern betrachtet für verteilte Datenbanken. Hauptvorteil gegenüber zentralen Systemen ist die verbesserte und vereinfachte Transaktionssicherheit, was bislang insbesondere Kryptowährungen wie Bitcoin nutzen. Aber auch die junge Fintech-Industrie, inzwischen tatkräftig von Banken und Versicherungen gefördert, hofft auf disruptive und revolutionäre Entwicklungen. Und als Rechtsanwalt beobachte ich fasziniert die zahlreichen Legaltech-Experimente mit Smart Contracts. Es lockt meist das Versprechen von viel Geld mit wenig Einsatz, was wie immer – im besten Fall – mit hohen -finanziellen Risiken einhergeht.
Ähnlich wie im Wilden Westen fordert auch dieser «Goldrausch» seine Opfer: The DAO, einer dezentralen autonomen Organisation (DAO) auf der Plattform Ethereum, wurden durch einen Fehler im entsprechenden Smart Contract rund 50 Millionen Dollar entwendet. Die Rettung für die betroffenen Investoren erfolgte nach kontro-versen Diskussionen durch eine Aufspaltung der Organisation. Das Beispiel zeigte, dass es auf viele Rechts- und Sicherheitsfragen in diesem Zusammenhang noch keine überzeugenden Antworten gibt. Wer haftet, die DAO oder deren Teilnehmer, der Protokoll-Entwickler oder der Smart-Contract-Programmierer? Wie geht man mit der Transparenz einer öffentlichen Blockchain um, die auch Sicherheitslücken umfasst? Wie kann Rechtssicherheit -gewährleistet werden? In welchen Rechtsordnungen und unter welchen Umständen sind solche Entitäten überhaupt legal?
Und jeder «Goldrausch» kennt «Banditen»: Was früher ein Schneeballsystem war, trägt heute «Coin» im Namen und lehnt sich an ernst zu nehmende Marktteilnehmer wie Ethereum an. In der Schweiz wurden unter anderem gegen OneCoin entsprechende Vorwürfe laut. «Zu schön, um wahr zu sein» und andere Warnzeichen sind jeweils deutlich sichtbar, aber wer einem entsprechend talentierten Visionär auf den Leim kriecht, blickt plötzlich nur noch durch die rosarote Brille. Dabei ist trivial, dass es hilft, das Geschäftsmodell, in das man investiert, ausreichend zu -verstehen und die beteiligten Personen als seriös beurteilen zu können. Wer sich nur auf die Anpreisungen von Blockchain–Predigern verlässt, muss beten und hoffen – das Glück ist -bekanntlich häufig mit den Dummen!
Das Disruptionspotenzial der Blockchain ist offensichtlich, nicht nur für Fintech und Legaltech. Aus diesem Grund sollten Unternehmer die Entwicklungen in diesem Bereich mit klarem Blick verfolgen, ohne aber selbst dem Goldfieber zu verfallen. Bitcoin, das heute vor allem als scheinbar anonymes Zahlungsmittel im Darknet beliebt ist, zeigt, dass sich revolutionäre Erwartungen zumindest im ersten Anlauf nicht erfüllen müssen. Aber angesichts der zahlreichen Startups, die in aller Welt versuchen, bestehende Geschäftsmodelle zu verbessern und neue Geschäfts-modelle aufzubauen, ist mit viel schöpferischer Zerstörung zu rechnen – bei geeigneten rechtlichen Rahmenbedingungen auch in der Schweiz und für die Schweiz.
Ach ja, schlagen Sie bei Wikipedia doch mal «Buzzword-Bingo» nach!
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