Eine weltweite Studie mit 70.000 börsennotierten Unternehmen aus 180 Branchen der Strategieberatung Kearney hat sogenannte «Zombieunternehmen» unter die Lupe genommen. Darunter versteht man Unternehmen, die drei Jahre in Folge nicht in der Lage sind, mit ihrem operativen Ergebnis die laufenden Zinsverbindlichkeiten zu decken. Während in vielen Ländern die Anzahl der Zombieunternehmen zugenommen hat (USA +22%, UK +18%), konnte sich die Schweiz diesem Trend weitestgehend entziehen und vielen ihrer Zombies neues Leben einhauchen.
Die weltweite Anzahl der sogenannten «Zombieunternehmen» ist im Jahr 2022 um fünf Prozent gestiegen. Das ist das Ergebnis der internationalen Kearney-Studie «Dawn of the Debt: Will higher interest rates doom more zombie companies?», der globalen Unternehmensberatung Kearney. Blickt man auf einzelne Länder und Regionen, bietet sich ein heterogenes Bild. Während in vielen Ländern die Anzahl der Zombieunternehmen zugenommen hat (USA +22%, China +2%, Dänemark +104%, UK +18% und Frankreich +5%), gingen die Zahlen in anderen Regionen (Spanien -60% und Italien -6%), zurück.
Schweizer Zombies: Manchmal kommen sie wieder …
Im vergangenen Jahr erhöhte sich der Anteil an Zombie-Unternehmen in der Schweiz leicht von 4,7 Prozent im Jahr 2021 auf 5,0 Prozent im Jahr 2022, was einem Anstieg von 5,4 Prozent entspricht. Die Gesamtzahl der Zombies bleibt jedoch konstant. Trotz dieses Anstiegs liegt die Wachstumsrate deutlich unter der historischen jährlichen Wachstumsrate von rund 20%, die in den letzten 12 Jahren seit 2010 beobachtet wurde. Der Anteil der Zombie-Unternehmen (an allen börsennotierten Unternehmen) liegt – wenn auch nur knapp – über dem globalen Durchschnitt von 4,8%.
Spannend: Innerhalb des letzten Jahres verliessen 25% der vorhandenen Zombies diesen Zustand, wovon ein Drittel verstarb, aber zwei Drittel erfolgreich ins Geschäftsleben zurückkehrten. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Zinsen. Betrachtet man die Reaktion der Schweiz auf die Zinserhöhungen, so zeigt sich, dass beide Szenarien für die kommenden Jahre stark widerstandsfähig sind. In Szenario 1 führt eine Zinserhöhung um das 1,5-fache zu einem Anstieg um 8,3 %, während Szenario 2 mit einer 2-fachen Erhöhung zu einer Erhöhung um 16,7 % führt. Diese Stress-Szenarien erhöhen die Zombies jeweils nur um 1 bzw. 2 Unternehmen, was darauf hindeutet, dass die Schweizer Unternehmen gut auf die erwarteten Zinserhöhungen in den kommenden Jahren vorbereitet zu sein scheinen.
Nils Kuhlwein, Partner & Managing Director, Head of Service Line Restructuring bei Kearney: «In verschiedenen Branchen waren die Veränderungen minimal, wobei nur ein Drittel des Immobiliensektors zurückging und ein einziges Zombie-Unternehmen im Bereich der Kommunikationsdienste auftauchte. Insgesamt scheint es unter den Schweizer Unternehmen wenig Fluktuation zu geben und eine relativ stabile Basis von Zombie-Unternehmen, die Schwierigkeiten haben, aus diesem Zustand herauszukommen.»
Der Blick auf einzelne Branchen
Hier stellt die Studie heraus, dass die Zahl der Zombieunternehmen zwar von Jahr zu Jahr gestiegen ist, aber in einzelnen Branchen sehr unterschiedliche Entwicklungen zu beobachten sind. So wies die Luftfahrtindustrie 2021 weltweit einen Zombieanteil von 3,2 % auf, der 2022 auf 26,1 % anstieg. Umgekehrt führten hohe Gewinne aufgrund steigender Energiepreise zu einem Rückgang der Zombieunternehmen im Energiesektor um 13 % im Jahr 2022. Wenig überraschend reagiert die Immo-Branche empfindlich auf Zinserhöhungen. In den beiden Stress-Szenarien mit 1,5-fachen bzw. 2-fachen Zinsen würde sich die Anzahl der Zombies in diesem Sektor ebenfalls um 50% erhöhen bzw. verdoppeln.
Prognose der Kearney-Experten
Kearney geht davon aus, dass die Rate der «Zombiefizierung» und des Scheiterns von Zombieunternehmen in den kommenden 3-4 Jahren im Einklang mit den Zinssätzen zunehmen wird. Unternehmen, die in diesem Zeitraum festverzinsliche Darlehen refinanzieren müssen, werden mit teilweise deutlich höheren Zinssätzen konfrontiert werden, sofern die Zinssätze auf heutigem Niveau bleiben oder weiter steigen, was die Kosten in die Höhe treibt und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie sich zu Zombies entwickeln. Gleichzeitig steigt das Risiko, dass der Kapitalmarkt das Vertrauen in die Solvenz dieser Unternehmen verlieren könnte, was dann unmittelbar zu einer Insolvenz führen würde. «Angesichts der turbulenten globalen Wirtschaftslage ist es nicht überraschend, dass die Zahl der Zombieunternehmen weltweit gestiegen ist. Die Entwicklung ist entsprechend besorgniserregend. Unternehmen, die nicht in der Lage sind, ihre Zinsverpflichtungen aus den laufenden Gewinnen zu begleichen, befinden sich in einer prekären Lage − und es reicht nicht aus, darauf zu warten, dass sich die Märkte ändern. Die betroffenen Unternehmen müssen jetzt handeln. Unsere Stresstests haben deutlich gemacht, dass einige Unternehmen noch stark unter Druck geraten könnten. Wichtig wird sein, dass sie ihre Geschäftsmodelle erneuern und sich schnell anpassen, um die Auswirkungen weiterer Zinserhöhungen abzumildern, bevor sie in Kraft treten», so die Einschätzung von Kearney Partner und Restrukturierungsexperte Nils Kuhlwein.
Über die Studie:
Die Studie analysiert 70.000 weltweit börsennotierte Unternehmen aus 180 Branchen und 153 Ländern. Der Datensatz umfasst mehr als 5 Millionen einzelne Datenpunkte und deckt Informationen von 2000 bis heute ab.
Bilder-Quelle: Kearney