Interview mit Samuel Schmid und Thomas Müller von Georg Lutz
Ein Hilfswerk und eine Bank arbeiten auf den ersten Blick in zwei unterschiedlichen Welten. Über die Klammer der gesellschaftlichen Verantwortung kommen sie aber zusammen. Wir führten mit Thomas Müller, dem CEO der Banque CIC (Suisse), und Alt Bundesrat Samuel Schmid, dem Zentralpräsidenten der Winterhilfe ein Interview.
Wenn ein Hilfswerk und eine Bank zusammen spannen, gilt es zunächst etwas den gesellschaftlichen Hintergrund auszuleuchten. Die Schweiz ist im internationalen Vergleich ein sehr reiches Land. Trotzdem geht auch hier in den letzten Jahren die Schere zwischen den ärmeren und den reichen Schichten der Gesellschaft weiter auseinander. Was bedeutet das für Sie?
Müller: Als Bank mit rund 300 Mitabeitenden sind wir Teil der Gesellschaft. Ich glaube, die Schweiz ist seit vielen Jahrzehnten bestrebt, einen guten und funktionierenden gesellschaftlichen Ausgleich zu gewährleisten, so dass möglichst alle am Wohlstand teilhaben können. Wir sind ein in der Schweiz seit einem Jahrhundert verwurzeltes Mittelstandsunternehmen und profitieren von guten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Es ist Teil unseres Selbstverständnisses, Erfolg auch zu teilen und Menschen, die in unserer Gesellschaft ein schweres Los haben, zu unterstützen.
Bei einigen Akteuren der Finanzbranche hatte ich den letzten Jahren allerdings den Eindruck, dass sie auf einem anderen Planeten leben.
Müller: Eine solche Sichtweise mag in Einzelfällen eine berechtigte Kritik sein, aber nicht nur auf die Finanzwelt bezogen. Als regional verankerte Bank sind wir uns bewusst, dass wir Teil des Wirtschaftsstandorts und mit ihm verwurzelt sind. Wir brauchen gut ausgebildete Mitarbeiter und sind dafür auf ein Bildungssystem auf international höchstem Niveau angewiesen. Zudem brauchen wir auch eine leistungsstarke Infrastruktur, politische Stabilität, Rechtssicherheit und vieles anderes an staatlichen und gesellschaftlichen Leistungen. In der Schweiz haben wir das zur Verfügung und daher können wir
uns als Bank auch gut entwickeln. Dafür sind wir dankbar und sehen es als eine ehrenhafte Aufgabe an, diejenigen, die nicht so begünstigt worden sind oder durch Schicksalsschläge, wie Krankheiten oder Unfälle in schwierige Situationen kommen, zu unterstützen. Das entspricht unseren Werten, die wir in unserer Bank pflegen und die wir auch durch die Hilfe für Bedürftige in der Schweiz leben.
Herr Schmid, wie kommen Sie als Zentralpräsident der Winterhilfe dazu, mit einer Bank zusammen zu spannen? Die Reputation der Finanzbranche hat in den letzten Jahren doch immer wieder neue Tiefpunkte erreicht.
Schmid: Zunächst gilt es festzuhalten: Tatsächlich gab und gibt es im Finanzwesen und auch anderswo Exzesse. Man hebt ab und verliert den Bezug zur übrigen Arbeitswelt, die Teil der gleichen Wirtschaft ist. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die meisten, die ein Unternehmen führen oder in verantwortlicher Position tätig sind, sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind. Ich bin daher froh, dass die Banque CIC (SUISSE), angesichts der Möglichkeiten, die sie hat, einen Beitrag für die Gesellschaft leistet. Denn in jeder Gesellschaft gibt es gesellschaftliche Randgruppen, die unsere Unterstützung brauchen.
Was bedeutet das Stichwort gesellschaftliche Randgruppen in der reichen Schweiz?
Schmid: Wir sprechen in der Schweiz von etwa zehn Prozent der Bevölkerung, die als bedürftig gelten. Hier ist Hilfe notwendig. Wir lindern die Not dank unserer Spender – Einzelpersonen und Unternehmen. Hut ab vor all denen, die hier einen Beitrag leisten. Sie müssen Erträge erwirtschaften, sie müssen Aktionäre befriedigen und sie müssen Reserven bilden. Aber dann gibt es in der Regel einen Beitrag, den man der Gesellschaft zurückgeben kann. Das ist auch ein Beitrag zur sozialen Kohäsion, dem Zusammenhalt der Gesellschaft. So bleibt am Ende des Tages die soziale Sicherheit gewährleistet, was wiederum die Wirtschaft prosperieren lässt.
Sie haben gerade von Randgruppen gesprochen. Viele Sozialwissenschaftler gehen aber inzwischen davon aus, dass es nicht mehr nur um klassisch arme Gesellschaftsschichten geht, sondern dass Teile des Mittelstands gewaltig unter Druck geraten sind. In anderen europäischen Ländern sieht man das sicher noch etwas deutlicher. Was lernen wir aus diesen Verschiebungen?
Schmid: Ja, es ist feststellbar, dass der Mittelstand immer grösseren Belastungen standhalten muss, die sehr ernst zu nehmen sind, selbst wenn wir in der Schweiz von einem hohen Niveau ausgehen. Es ist jedoch immer schwierig, wenn man mit statistischen Durchschnitten argumentiert und vom hohen Volkseinkommen ausgeht. Vor diesem Hintergrund scheint alles in Ordnung zu sein. Wir sind ein reiches Land. Trotzdem gibt es auch hier Schicksale, die von bitterer Not betroffen sind. Oft gehen schwere Schicksalsschläge, wie schlimme Erkrankungen, Todesfälle oder Arbeitslosigkeit mit finanzieller Not einher und die Betroffenen rutschen in der Folge nicht selten in die Armut ab. Natürlich haben wir eine Arbeitslosenversicherung, aber oft treten diese Schicksalsschläge auch in einer unheilvollen Verkettung zusammen auf und bringen das schon knappe Budget ins Wanken. Auch Alleinerziehende können in der reichen Schweiz schnell mit einem Armutsrisiko konfrontiert sein. Zusammengefasst: Leider stellen wir fest, dass Armut in unserem reichen Land leider keine Seltenheit ist. Uns geht es darum die «Abwärtsspirale» aufzuhalten und Betroffenen zu einem Leben in Würde zu verhelfen. Dazu kann auch gehören, dass wir jungen Menschen den Einstieg in einen Beruf ermöglichen. Wir unterstützen über 15’000 Menschen pro Jahr in der Schweiz, unsere Hilfe ist also sehr nötig und jeder Spendenfranken bewirkt Positives.
Wie wird diese Hilfe konkret eingesetzt?
Schmid: Wir als Hilfswerk können Not nicht aufheben, aber wir können sie lindern. Konkret geht es im Einzelfall darum, abzuklären, ob eine Überbrückungs- und Nothilfe eingesetzt werden muss. Zusätzlich zu finanziellen Leistungen decken wir die Grundbedürfnisse Kleider, Nahrung und Schlaf mit Kleiderpaketen, Essensgutscheinen und Bettenlieferungen ab. Gerade unsere jüngsten Gesellschaftsmitglieder dürfen nicht an den Rand gedrängt werden; von Armut betroffenen Kindern hilft auch ein Beitrag für das Schullager oder an den Sport- und Musikkurs. Das bedeutet gleiche Chancen wie die Kollegen zu haben.
Müller: Lassen Sie mich hier noch ergänzend argumentieren. Es geht doch darum, ein Stück Chancengleichheit wieder herzustellen. In unserer wohlhabenden Gesellschaft muss man sich positionieren. Häufig geht es nur darum, eine kleine Lücke zu schliessen. Zum Beispiel wenn man als Jugendlicher aus finanziellen Gründen nicht im Fuss-ballverein sein kann, oder nicht ein Musikinstrument spielen kann. Damit verbauen wir als Gesellschaft jungen Menschen Möglichkeiten und können das später nur mit ungleich höheren Mitteln wieder gerade rücken. Hier muss die Gesellschaft
sensibel sein und wir als ökonomische Akteure
sollten darauf ebenfalls ein Auge werfen. Es geht
schlicht um die Frage, welche Gesellschaft wir in
der Zukunft haben wollen.
Der Spenden- und Sponsoringmarkt ist auch ein sehr umkämpfter Markt. Herr Müller, Ihr Haus hat in den letzten Jahren unterschiedlich agiert. Sie haben klassische Konzerte und Segelregatten unterstützt. Wie sind die Banque CIC (Suisse) und die Winterhilfe zusammen gekommen?
Müller: Die Banque CIC (Suisse) hat sich in ihrer 100-jährigen Geschichte an vielen karitativen Projekten beteiligt. Das Prinzip, sich als Firma ausserhalb der Geschäftstätigkeit zu engagieren, ist tief verwurzelt. Unsere Engagements erfolgten aber oft nach dem «Giesskannenprinzip» – überall ein wenig: Man lernt so weder die Projekte kennen noch entsteht Identifikation. Umgekehrt wissen die Projektschaffenden nicht, wie lange sie auf die Unterstützung zählen können. Deshalb haben wir beschlossen uns zu konzentrieren und drei soziale Projekte während je drei Jahren zu unterstützen und zu begleiten. So können wir mehrere Themen aufgreifen, ohne uns zu verzetteln. Wir wollen mit unserem Engagement auch die Aufmerksamkeit für die Projekte steigern und kommunizieren aus diesem Grund mit unseren Mitarbeitern aktiv zu diesen Themen, aber auch gegenüber unseren Kunden. Der Entscheid für die Winterhilfe geht auf eine Umfrage zurück, die wir bei unseren Mitarbeitenden gemacht haben. Die meisten Mitarbeitenden haben sich klar dahingehend ausgesprochen, Menschen zu helfen, die in schwierigen Situationen sind. Wir wollen sicher gehen, dass die Hilfe beim konkreten Fall ankommt. Wenn ein Kind ein Bett braucht, dann soll es auch genau das bekommen. Dazu braucht es eine Organisation mit grosser Erfahrung und professionellen, zuverlässigen Akteuren. Wir sind überzeugt, mit der Winterhilfe dafür den richtigen Partner gefunden zu haben.
Herr Schmid der karitative Spendenmarkt ist ein moralischer und zugleich sehr umkämpfter Markt. Wie findet die Winterhilfe mit einer klassischen und vergleichsweise sehr bescheidenen Positionierung Ihren Platz?
Schmid: Das ist eine Herausforderung und langfristige Problematik, der wir uns zu stellen haben. Die Winterhilfe existiert seit über 75 Jahren. Das breite, über die ganze Schweiz verteilte Netz an Winterhilfestellen garantiert eine profunde Betreuung der Hilfesuchenden und eine gewissenhafte Prüfung der einzelnen Gesuche. Wir setzen nicht auf laute Töne, sondern auf Qualität und Beständigkeit. Das Beispiel mit CIC zeigt auch, dass wir auf dem richtigen Weg sind – es wird hoffentlich Schule machen. Wir glauben, dass damit auch ein Dienst an der Gesellschaft erwiesen wird. Bei der Winterhilfe geht es laut Statuten um Übergangshilfen und die Förderung von Chancen. Das kann nicht staatliche Hilfe ersetzen, ist aber ein wichtiger Baustein zum Zusammenhalt der Gesellschaft.
Oft wird Unternehmen vorgeworfen, Ihre Spendenaktionen seien ein Feigenblatt und passen nicht zur Unternehmensphilosophie?
Müller: Wir gehören in eine Finanzgruppe, die sieben Millionen Genossenschafter hat, die direkt am Unternehmen beteiligt sind. Sie schätzen die kundenorientierten Dienstleistungen ihrer Bank und verzichten dafür auf Dividenden. Auch dies verdeutlicht die Werte, welche wir in unserer Bank leben Unsere Philosophie ist es, effektive Lösungen für unsere Kunden zu finden und es ist uns auch sehr wichtig, in unserem gemeinnützigen Engagement ebenso effektiv zu sein. Das können wir, Dank der Winterhilfe sicherstellen.
Die Bank
Die Banque CIC (Suisse) steht seit 1909 im Dienst ihrer Kundinnen und Kunden. Sie versteht sich als lokal verankerte Universalbank, die auf dem starken Fundament ihrer über 100-jährigen Geschichte und auf der Zugehörigkeit zur genossenschaftlich organisierten, internationalen Bankengruppe Crédit Mutuel-CIC aufbaut. Die Banque CIC (Suisse) unterhält neben ihrem Hauptsitz in Basel ein Netz an Standorten in allen Schweizer Sprachregionen. Die Banque CIC (Suisse) bietet als Bank der Privat- und Geschäftskunden sowohl für Unternehmen und Unternehmer als auch für Privatkunden bedarfsgerechte Gesamtlösungen.
weitere Informationen: www.cic.ch
Das Hilfswerk
Die Winterhilfe wurde 1936 zur Zeit der grossen Weltwirtschaftskrise ins Leben gerufen und blickt auf eine lange Tradition zurück. Sie ist ein schweizerisches, ZEWO-zertifiziertes Hilfswerk, das gegen die Armut in der Schweiz kämpft. Die 27 Kantonalorganisationen unterstützen nach sorgfältiger Prüfung direkt vor Ort die Menschen, die in Not sind. Jedes Jahr werden ca. 15‘000 bedürftige Personen mit gezielten und nachhaltigen Naturalleistungen oder mit der Übernahme von Rechnungen im Umfang von total fünf Millionen Franken unterstützt. Die Winterhilfe Schweiz ist ein mittelgrosses privates Hilfswerk, das keine Subventionen erhält, aber sehr eng mit den Sozialämtern zusammenarbeitet. Die Winterhilfe wird von Alt-Bundesrat Samuel Schmid präsidiert.
weitere Informationen: www.winterhilfe.ch