Es steht im Industriegebiet von Lugano und trägt doch einen englischen Namen: das «Swiss PV Module Test Center». Seit fünf Jahren ist das landesweit erste und einzige Test- und Zertifizierungslabor für Photovoltaik-Module (PV-Module) in Betrieb. Laborleiter Dr. Thomas Friesen spricht im Interview über die Neuausrichtung des Testzentrums im Zuge der aktuellen Krise der europäischen Solarindustrie. In Qualitätskontrolle und Forschung sieht er die zentralen Zukunftsaufgaben seiner Institution.
Interview: Dr. Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)
Herr Friesen, was waren für Sie die Highlights seit der Gründung des Swiss PV Module Test Center vor fünf Jahren?
Dr. Thomas Friesen: Ein Highlight ist die Einführung von Hageltests und weiteren mechanischen Belastungstests für Solarmodule, die speziell auf Schweizer Verhältnisse zugeschnitten sind. Ein weiteres Highlight ist die vor einem Jahr aufgegleiste Zusammenarbeit mit Electrosuisse, dem Fachverband für Elektro-, Energie- und Informationstechnik. Dank der Akkreditierung durch die Internationale Elektrotechnische Kommission (IEC) im Februar 2014 sind wir heute ein national und international anerkanntes Prüflabor.
Zentrum in Konkurrenz zu ähnlichen im europäischen Ausland steht.
Durchaus! Dies auch deshalb, weil wir nicht nur kommerzielle Prüf-Dienstleistungen erbringen, sondern auch viel Forschung betreiben, so wie beispielsweise in Deutschland die Fraunhofer-Institute oder der TÜV Rheinland in Köln. Es ist eine unserer Stärken, dass wir Teil der Fachhochschule der Südwestschweiz (SUPSI) sind und damit direkten Anschluss zu einer Forschungsinstitution haben. Zu unseren Kunden gehören Schweizer Hersteller wie Meyer Burger oder die Tessiner Sunage SA, aber auch Elektrizitätswerke, wenn sie grosse Mengen von Modulen einkaufen.
Das Testzentrum wurde 2009 als Schweizer Prüf- und Zertifizierungslabor ins Leben gerufen, weil in ausländischen Einrichtungen Engpässe bestanden. Diese Engpässe sind Vergangenheit, seit die europäische PV-Industrie in die Krise schlitterte. Wie war das Tessiner Testzentrum von dieser Krise betroffen?
Wir waren zu Beginn auf den italienischen Markt ausgerichtet, da der deutsche Markt mit Prüflabors wie TÜV Rheinland, Verband der Elektrotechnik (VDE), TÜV Süd und anderen gut abgedeckt ist. In der Krise 2012/13 machten die italienischen PV Hersteller dann einer nach dem anderen dicht. Innerhalb von sechs Monaten war unser Markt praktisch vollständig weggebrochen – was uns blieb, waren erhebliche finanzielle Einbussen und unbezahlte Rechnungen. Wir haben in der Folge umgeschwenkt auf Forschung, Entwicklung und Qualitätskontrolle. Im Zentrum stehen heute Schneelast- und Hageltests sowie weitere Tests im Bereich der gebäudeintegrierten Photovoltaik. Das sind ischenprodukte, die andere, kommerzielle Anbieter so nicht anbieten können. Dieser Markt entwickelt sich positiv, unsere Investitionen waren richtig. Neben diesen Dienstleistungen betreiben wir verstärkt Forschung. Sie nimmt heute rund 60 % unserer Tätigkeit ein.
Stichwort Qualitätskontrolle: Wie gut ist die Qualität der PV-Module, die auf den Schweizer Markt kommen?
In den überwiegenden Fällen sind das sehr gute Module. Qualitätskontrollen sind aber trotzdem nötig. Entscheidend ist nämlich nicht die Qualität, mit der ein Modul aus der Fabrik kommt, sondern die Qualität des installierten Moduls. Module können auf dem Transportweg beschädigt werden. Wer PV-Module einsetzt, sollte die Gewissheit haben, dass er die gute Qualität, die er eingekauft hat, auch verbaut und nutzt. Qualitätstests sind überdies auch ratsam bei gebrauchten Modulen.
Das stellen die Qualitätstests an Ihrem Prüfzentrum in Lamone sicher?
Genau. Ein schöner Nebeneffekt unserer Tätigkeit: Die Hersteller in China wissen, sie werden kontrolliert, schlechte Produkte werden nicht toleriert.
Im Rahmens eines dreijährigen, vom Bundesamt für Energie unterstützten Projekts bieten Sie seit Mitte 2013 auch Beratungsleistungen an. Wer hat welchen Beratungsbedarf?
Wir beraten typischerweise kleine Hausbesitzer, Bauern, Wohngemeinschaften oder Kleininstallateure mit noch geringer Erfahrung. Wenn beispielsweise Installateure oder Importeure zu uns kommen, verlangen diese neben unseren Testangeboten meist auch nach qualifizierten Zusatzinformationen. Die Fragen sind vielfältig: Was können wir machen, um die Qualität unserer PV-Module zu verbessern? Wie können wir die von den Herstellern versprochenen Leistungsmerkmale prüfen? Welche Dokumente müssen von den Herstellern zur Verfügung gestellt werden? Wie lässt sich die Echtheit solcher Dokumente abchecken? Andere Kunden wünschen einfach eine Einschätzung ihres PV-Projekts. Die Leitung eines Altersheims hatte beispielsweise drei Angebote für eine Dachanlage eingeholt und wollte von uns dann wissen, worauf sie bei der Beurteilung dieser Angebote achten muss.
Solche Auskünfte werden von uns erwartet, und zwar kostenlos. Die finanzielle Unterstützung des Bundesamts für Energie gibt uns die Möglichkeit, die erforderliche Zeit in Beratungsleistungen zu investieren. Wir haben rund zehn, zwanzig Beratungskontakte pro Monat. Die Anfragen werden mündlich oder schriftlich erledigt. Wir wollen keine Ingenieurs- und Beratungsbüros konkurrenzieren. Beratungen für grosse Firmen wie Ikea, Migros oder Grossinvestoren machen wir nur gegen Bezahlung.
Wie erklären Sie einem PV-Anwender, dass ein Zertifizierungssiegel nicht ausreicht, um die Qualität seiner Solarpanels zu garantieren?
Eine solche Zertifizierung ist beispielsweise wenig aussagekräftig, wenn die Prüfung schon einige Jahre zurückliegt. Und es empfiehlt sich auch, stichprobenmässig zu überprüfen, ob die Module einer aus China gelieferten Charge tatsächlich halten, was das Zertifikat verspricht. Wir geben unser Wissen und unsere Erfahrung übrigens nicht nur in direkten Beratungen weiter. Unsere Experten halten auch Vorträge bei Veranstaltungen, die zum Beispiel ein Tessiner Installateur für seine Kunden organisiert.
Kommen die Beratungskunden ausschliesslich aus dem Tessin?
Viele kommen aus dem Tessin, hier sind wir gut bekannt. Mehr und mehr aber kommen die Kunden aber auch aus der Deutschschweiz.
Welches sind Ihre nächsten Vorhaben?
Gemeinsam mit Electrosuisse wollen wir ein System anbieten, das die Qualität der Module bis zur fertigen Installation überprüft und garantiert. Dafür haben wir schon Richtlinien etwa zur Stichproben- Überprüfung von Modullieferungen ausländischer Hersteller erarbeitet. Weitere Richtlinien beispielsweise zu Lagerung und Transport sind geplant. Diese Richtlinien wollen wir gemeinsam mit Electrosuisse festlegen.
Denken Sie herbei an verpflichtende Vorschriften?
Pflicht ist nicht unser Ziel. Wenn einer sich eine billige Anlage aus Restbeständen aufs Dach setzen will, soll er das tun können. Bei der Qualität soll jeder selber entscheiden, ob er sie haben will oder nicht.
Fünf Jahre sind seit der Gründung des Testzentrums in Lamone vergangen. Welches ist Ihre Vision für die Weiterentwicklung dieser Institution?
Wir wollen das nationale Referenzinstitut der Schweiz für Fragen der Qualität sein. Und wir wollen eine hohe Qualität auf dem Schweizer Markt für PV-Module sicherstellen.
Ist ein Standortwechsel an eine zentralere Lage in der Schweiz ein Thema?
Nein, wir wollen am Standort Lamone festhalten.
Weitere Auskünfte zu dem Projekt:
Stefan Nowak ([email protected])
Leiter des BFE-Forschungsprogramms Photovoltaik.