Ein systematisches betriebliches Gesundheitsmanagement ist auch in kMU möglich. denn nicht die Quantität der Massnahmen zählt, sondern die richtige Einbettung in die Organisation. Mit wenigen Mitteln können Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Motivation der Mitarbeitenden gesteigert werden.
Geht es um betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) in KMU, beginnt schnell die Diskussion um die Unternehmensgrösse. Das vorschnelle Fazit: wir sind zu klein, um Gesundheitsförderung bezahlbar und effektiv zu betreiben. Ein Trugschluss, denn auch wenn Grossbetriebe über mehr Ressourcen verfügen, können KMU schneller und kostengünstiger agieren.
Einerseits, weil in vielen Betrieben – oft unbewusst – bereits gesundheitsförderliche Massnahmen umgesetzt werden. Andererseits, weil sich gerade aufgrund der geringeren Unternehmensgrösse Massnahmen viel schneller in den Arbeitsalltag integrieren lassen und Wirkung erzielen. Wer also den Initialaufwand auf sich nimmt, die bisherigen Aktivitäten zu systematisieren und BGM fest in der Organisation zu verankern, erarbeitet sich Wettbewerbsvorteile und kann auf motivierte Mitarbeitende zählen.
Unterstützung in der Anfangsphase bieten spezialisierte Beratungsunternehmen. Sie bringen das nötige Know-how mit und geben Auskunft über die benötigten personellen und finanziellen Ressourcen. Eine Zertifizierung für erfolgreich umgesetztes Betriebliches Gesundheitsmanagement muss jedoch nicht von Anfang an primäres Ziel sein. Qualitätskriterien, wie die des Labels Friendly Work Space, bieten jedoch hilfreiche Orientierung. Beispiele wie die Fröhlich Architektur AG oder die Process Partner AG mit jeweils rund 30 Mitarbeitenden zeigen, dass kleinere Unternehmen BGM systematisch umsetzen können.
Die Grundlage muss stimmen
Kurz zusammengefasst geht es beim systematischen BGM um drei Dinge: das Schaffen der geeigneten organisatorischen Rahmenbedingungen, die Ermittlung des aktuellen Gesundheitszustandes sowie der wahrgenommenen Belastungen und Entlastungsfaktoren seitens der Mitarbeitenden und schliesslich um die bedarfsspezifische Umsetzung von gesundheitsförderlichen Massnahmen.
Die bestehende Organisation vollständig umkrempeln muss niemand, denn ein wichtiges Merkmal für gesundheitsförderliche Bedingungen ist in KMU bereits gegeben: einfache Strukturen. Ebenso bringt es die Unternehmensgrösse meist mit sich, dass die Führungs- und Arbeitskultur sinnvolle Arbeitsgestaltung und Mitsprachemöglichkeiten erlauben. Zu klären ist noch die Frage, wer welche Rolle im BGM übernimmt und was unter dem BGM-Dach zusammengefasst wird. Neben diesen organisatorischen Rahmenbedingungen sind die arbeitsbezogenen Kompetenzen aller Mitarbeitenden und das aktuelle Gesundheitsverhalten wichtige Handlungsfelder.
Handlungsfelder für gesundheitsförderliche Massnahmen in der Organisation sind die Unternehmenskultur und das Betriebsklima, Personalprozesse, die Aufgabengestaltung und Arbeitsorganisation sowie das Arbeitsumfeld und Infrastruktur. In der Personal- und Führungsentwicklung liegen die Handlungsfelder im Führungsverhalten, im Team und der Zusammenarbeit sowie bei den individuellen (Arbeits-)Kompetenzen. Was das Gesundheitsverhalten der einzelnen Mitarbeitenden angeht, sind der Lebensstil – Bewegung, Ernährung, Erholung – und sicheres Verhalten, auch in der Freizeit, zu beachten.
In KMU wird diese strategische Aufgabe von einem Geschäftsleitungsmitglied und/ oder der Inhaberin, dem Inhaber übernommen. Sie sind das Steuergremium und gegebenenfalls auch gleich verantwortlich für die operative Umsetzung.
den Prozess starten
In vielen Unternehmen finden sich bereits gesundheitsförderliche Elemente wie ansprechende Pausenräume, Gratisfrüchte, Bewegungsangebote, Schulungen für Arbeitskompetenzen wie Projektmanagement oder Firmenevents. Diese müssen nur noch richtig eingeordnet werden.
Die Bestandesaufnahme der vorhandenen.gesundheitsrelevanten Angebote, Strukturen und Prozesse unterstützen Hilfsmittel wie der Friendly Work Space Check.
Wichtig für das Führungsteam ist es, sich ein umfassendes Bild der Belastungen, Ressourcen, Motivation und Einstellung der Belegschaft zu machen. Dazu sollte das Führungsteam einerseits Personalkennzahlen erheben, aber auch die subjektive Sicht der Mitarbeitenden einbeziehen. Richtig zusammengeführt, zeigen die gewonnenen Informationen schnell die relevanten Bedürfnisse. Dabei helfen Checklisten und Online-Tools, die speziell für KMU-Bedürfnisse entwickelt wurden.
Zur Erhebung einer subjektiven Sichtweise gibt es beispielsweise das Analyse-Tool Friendly Work Space Check. Dieses hinterfragt, wie weit BGM im Unternehmen entwickelt ist, wo die Stärken liegen und wo sich das Unternehmen verbessern kann. Ein Online-Befragungsinstrument ist die Friendly Work Space
Job-Stress-Analysis, welche einen detaillierten Überblick über Belastungen und Ressourcen in einem Betrieb verschafft. Ein weiteres Analyse-Tool ist KMU-vital, ein onlinebasierter Werkzeugkasten, der praxiserprobte Arbeitsinstrumente für das Gesundheitsmanagement beinhaltet, zum Beispiel für die Befragung der Mitarbeitenden.
Sind der aktuelle Stand sowie Lücken dokumentiert, können erste Verbesserungen in Angriff genommen werden. Für die Entwicklung von bedarfsgerechten Massnahmen sollten die Mitarbeitenden einbezogen werden. Ihre Partizipation ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, denn so entwickelte Massnahmen sind näher am Berufsalltag und damit besser akzeptiert.
Die richtige Mischung
Bei den gesundheitsförderlichen Massnahmen nur beim individuellen Verhalten anzusetzen, ist weniger wirkungsvoll als eine Kombination mit der Verbesserung
der strukturellen Verhältnisse. Ist beispielsweise Erschöpfung ein Problem, können auf Ebene Organisation flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice-Regelungen oder grössere Handlungsspielräume Abhilfe schaffen. Auf individueller Ebene können eine systematische Thematisierung von Arbeitslast, Zeitmanagement-Schulungen und ein freiwilliges Entspannungsangebot über Mittag die organisatorischen Massnahmen ergänzen.
BGM systematisch im Unternehmen zu etablieren, ist aber keine Frage der Quantität an gesundheitsförderlichen Angeboten. Es gilt vielmehr, die abteilungs- beziehungsweise funktionsspezifischen Bedürfnisse zu kennen und konkret zu adressieren. Wie die Praxisbeispiele verdeutlichen, kann ein BGM-Verantwortlicher die Massnahmen nicht allein umsetzen. Themen wie Führungsentwicklung, Arbeitssicherheit und Gesundheitsförderung sind miteinander verzahnt und müssen gemeinsam angegangen werden.
Praxisbeispiele BGM-Massnahmen
Zum Beispiel kann ein Unternehmen gesundheitsförderliche Verhältnisse am Arbeitsplatz fördern und ergonomische Arbeitsmittel und Einrichtungen bereitstellen. Gleichzeitig kann es die arbeitsbezogenen Kompetenzen durch eine Beratung zu Ergonomie am Arbeitsplatz fördern und durch Instruktionen zu Bewegungsübungen die gesundheitsbezogenen Kompetenzen ausbauen. Ein anderes Beispiel ist das Einführen eines Absenzen-Managementsystems gepaart mit einem Kurs zu Zeitmanagement und Achtsamkeitstraining. Eine gesundheitsförderliche Struktur kann auch die Institutionalisierung von Gesundheitszirkeln sein, welche auf der arbeitsbezogenen Kompetenz durch Führungsretraite zu mitarbeiterorientierter Führung gefördert wird.
Weitere gesundheitsförderliche Strukturen und Verhältnisse im Unternehmen können beispielsweise eine Gesundheitsförderliche Aufgabengestaltung, ein Ruheraum oder gesunde Ernährungsangebote sein. Zur Förderung der arbeitsbezogenen Kompetenzen sind auch Führungsschulungen zu Früherkennung und Gesprächsführung denkbar und um die gesundheitsbezogenen Kompetenzen der Mitarbeitenden zu fördern das Angebot von Grippeimpfungen, Entspannungstrainings oder eine Ernährungsberatung.
Wer ein BGM-Gesamtsystem etabliert hat, sollte in regelmässigen Abständen einen kritischen Blick darauf werfen. Was wurde erreicht? Welche Massnahmen sind relevant? Stimmt die BGM-Organisationsstruktur? Dies sind einige Fragen, die es neben definierten Kennzahlen zu überprüfen gilt.
Lohnt sich der Aufwand?
Detailanalysen von Personalkennzahlen, Durchführung von Befragungen der Mitarbeitenden, Anpassung der Organisation, bedarfsgerechte Massnahmenplanung, Wirkungsmessung – die Mehrheit der KMU schreckt aus Ressourcengründen vor einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema BGM zurück. Was sich viele nicht bewusst sind: mit den flachen Hierarchien und kurzen Kommunikationswegen, die in KMU vorherrschen, sind wesentliche gesundheitsförderliche Grundpfeiler schon vorhanden. Sind zusätzlich belastende Faktoren erkannt, lässt sich mit wenigen Mitteln die Gesundheit und damit die Leistungsfähigkeit sowie die Motivation nachhaltig stärken.
Doch eigentlich stellt sich die Frage, ob sich der Aufwand lohnt, gar nicht. Mitarbeitende fit und motiviert im Betrieb zu halten und dank einem guten Arbeitsklima neue Mitarbeitende zu gewinnen, ist ein Wettbewerbsvorteil im Kampf um Fachkräfte und für den wirtschaftlichen Erfolg.