Ein Verwaltungsrat muss strategische Mehrwerte schaffen. Mit der Digitalen Transformation verändern sich die Ansprüche an diese Mehrwerte. Das verlangt von etablierten Verwaltungsräten eine Weiterentwicklung sowie eine Hinterfragung der digitalen Kompetenz. Und bei der Rekrutierung von neuen Verwaltungsräten auch ein neues Sensorium für die Digitalkompetenz.
Digital Leadership: noch gibt es für Verwaltungsräte keinen Masterplan, welches Rollenverständnis die digitale Transformation für sie in der Zukunft vorsieht. Sicher ist aber, dass sich das Bisherige mit der Digitalisierung transformieren wird. Und in dieser Übergangsphase befinden wir uns gerade. Verwaltungsräte müssen also lernen, sich in unsicheren, schwer prognostizierbaren Zeiten agil zu bewegen. Mit dem Bereich «Digital Transformation» stehen viele Verwaltungsratspräsidenten und ihre Ratskolleginnen und -kollegen vor der Herausforderung, dass sie plötzlich ein strategisches Erfolgselement in ihrem Unternehmen haben, von welchem sie bisher nur wenig verstehen. Weil die meisten von ihnen in Schweizer Unternehmen – etwas böse ausgedrückt – digital nicht fit sind. Fast parallel mit der digitalen Transformation kommt, dass die traditionelle Interpretation von Führung und Leistung nicht mehr funktioniert. Damit liegt es auf der Hand, dass Verwaltungsräte ihr Kompetenzen-Heft erweitern müssen. Andernfalls werden sie das Tempo der sich verändernden Marktsituationen nicht mehr mitgehen können.
Neues Rekrutierungsprofil
Einen ganzen traditionellen Verwaltungsrat zu digitalen Profis umzuschulen, ist illusorisch. Ich wage zu behaupten, dass es auch keine probate Strategie ist, die Verwaltungsräte in eine digitale Grundschulung oder Weiterbildungen zu senden und davon auszugehen, dass das genügt. Die digitale Kompetenz kann bei den meisten Unternehmen nur durch die Rekrutierung von «digital native Board Members» beziehungsweise zur, Spezialisten mit fundierter technischer Ausbildung erworben werden, welche – notabene – auch strategisch denken können. Verwaltungsräte der Zukunft müssen abschätzen können, welche Veränderungen im Unternehmen und vor allem auch im Markt mit der digitalen Transformation einhergehen. Ein Verwaltungsrat muss die Evolution eines Unternehmens im Internetzeitalter verstehen und vorantreiben können. Führungsprozesse verändern und beschleunigen sich. Für «Langsamentscheider» wird es ungemütlich und diese für Unternehmen zur Hypothek. Es sind Innovationen, welche zum Treiber des Erfolgs werden. Langatmige Planungsprozesse wie fünfjährige strategische Mittelfristpläne sind oft schon überholt, bevor der erste Schritt der Umsetzung vollzogen wird. Ergebnisoffene Prozesse tragen dem beschleunigten Wandel Rechnung. Und mit diesen neuen Prozessen müssen nun nicht nur die digitalen Spezialisten im Verwaltungsrat, sondern alle arbeiten können.
Checkliste zur Überprüfung
> Verfügen wir über mindestens einen Verwaltungsrat, der alle digitalen Belange abdeckt? > Findet der digitale Spezialist im VR Gehör? Und falls nicht, liegt es an diesem oder am bestehenden Verwaltungsrat?
> Ist der Verwaltungsrat so organisiert, dass Innovation möglich ist, respektive nicht verhindert wird?
> Akzeptiert der Präsident, dass jemand mit einer entscheidenden strategischen Kompetenz im Gremium sitzt, über die er selber nicht verfügt?
Checkliste zur Rekrutierung
> Kann der Kandidat aufzeigen, welche Auswirkungen sich aus Big Data für die Branche und das betreffende Unternehmen ergeben können?
> Wie kann Big Data im Unternehmen selber eingesetzt werden?
> Wie gut kann der neue Verwaltungsrat digitale Lösungen verständlich machen und nachhaltig überzeugen?
> Kann der neue Verwaltungsrat ein Sparring Partner für den operativen CTO oder CIO sein?
> Ist das technische Wissen des Kandidaten auf dem richtigen Level?
> Hat der Kandidat Erfahrung im Bereich Change Management und digitale Transformation? > Welches Verständnis hat der Kandidat von «New Work» im betreffenden Betrieb und ist das vernünftig und erfolgsversprechend?
> Kann der Kandidat einen potentiellen neuen CTO oder CIO beurteilen, sein Netzwerk bei der Suche eines solchen nutzen und im besten Fall selber «searchen» oder der optimale Sparringpartner für das Rekrutierungsunternehmen sein?
«Clash of Cultures» verhindern
«New Work» benennt die neuen Haltungen, die neuen Themen und die neuen Methoden in der Arbeitswelt von morgen, die durch die digitale Revolution geschaffen wird. Ein moderner Verwaltungsrat muss dieses «New Work» kennen, verstehen und im besten Fall auch akzeptieren oder sogar gut finden. Denn im strategischen Verwaltungsrat muss auch künftig die Arbeitsweise der operativen Ebene verstanden und abgebildet werden. Andernfalls droht ein «Clash of Cultures», ein veritables Aufeinanderprallen von moderner Arbeitswelt im Unternehmen und veralteter Herangehensweisen im VR. In den Unternehmen werden Projekte vermehrt iterativ und inkrementell umgesetzt und zeichnen sich durch eine anpassbare Vorgehensweise aus (zum Beispiel «Scrum»). Genauso wenig, wie ein Unternehmen operativ um den Aufbau einer digitalen Arbeitskultur herumkommt, kann es sich der Verwaltungsrat leisten, sich um die Digitalisierung zu foutieren. Das heisst auch, dass es in einem neuen Verwaltungsrat sehr viel mehr um das Wir, um Teamprozesse und Vernetzung geht.
VR-Arbeit ist TeamWork
Diese Vernetzung erfordert ein neues Sensorium bei der Zusammensetzung eines Verwaltungsrates als strategisch lenkendes Organ. Es müssen nicht mehr nur verschiedene Erfahrungs- und Ausbildungshorizonte kombiniert werden, sondern diese müssen gut aufeinander abgestimmt und auf ihre Teamfähigkeit geprüft werden. Wissen und damit auch Macht kann nicht mehr gehortet, sondern muss geteilt werden. Ein erfolgreicher VR muss heute als Team funktionieren, in welchem dialektische Diskussionen, Workshops und Vernetzung in operative Einheiten möglich sind. Neben der Verstärkung eines Verwaltungsrates mit neuen Kräften ist es ebenso wichtig, die Innovations- und Kreativitätskiller rasch loszuwerden. Denn die Wahrheit ist: Moderne Prozesse sind mit diesen nicht kompatibel.
«Street Credibility» Versus Business-Erfahrung
Die Digitalisierung setzt die bisherigen Karriere-Parameter ausser Kraft. Das erhöht für junge, unverbrauchte Kräfte die Chance auf einen Einsitz in einem Verwaltungsrat. Denn diese Kandidatinnen und Kandidaten mögen zwar über weniger BusinessErfahrung und einen noch etwas schlaksigen Umgang verfügen, dafür über umso mehr «Street Credibility» in der Handhabe der anstehenden Disruption. So wird bei jedem Verwaltungsrat und künftigen Verwaltungsratkandidaten Lernfähigkeit vorausgesetzt. Lernfähigkeit heisst auch Freude an Neuem und vor allem Kritikfähigkeit. Adaptives Lernen gehört zum Grundrepertoire. Denn Wissen wird bei Bedarf und im Prozess abgerufen. Verwaltungsräte müssen ihr Know-how fortlaufend erneuern und sich stetig weiterqualifizieren. Sie müssen Handlungsoptionen schaffen und den Innovationswettbewerb moderieren. Das hat zur Konsequenz, dass zur Abdeckung der digitalen Kompetenz mindestens ein digital versierter Verwaltungsrat benötigt wird (kein Betriebswirtschaftler). Zudem müssen alle Verwaltungsräte in der Lage sein, agil zu denken und zu arbeiten und damit auch die Prozesse der operativen Einheiten zu verstehen. Und vor allem sind Innovations- und Kreativitätskiller rasch zu ersetzen.