Unternehmern und Unternehmen stehen turbulente Zeiten bevor. Nach Dekaden von ruhigen Gewässern erreichen wir ein qualitativ neues Niveau von Handelsprotektionismus und Ungewissheit, was sich insbesondere in steigenden Zolltarifen und eingeschränkteren Handelsfreiheiten widerspiegelt. Jahrzehntelang konnte die Welthandelsorganisation (WTO) als verlässliche Institution ein multilaterales Handelssystem schaffen, das für Stabilität sorgte und Streitigkeiten in diesen Belangen beilegte. Leider aber haben die WTO-Mitglieder auf Dauer keine Einigkeit mehr in Fragen zu fortlaufenden Handelsbeziehungen gefunden. Während sich vor allem die grossen geopolitischen Blöcke USA und China in Position bringen und handelsrechtliche Klingen kreuzen, stehen europäische und schweizerische Unternehmen – gerade im mittleren und kleineren Bereich – zwischen den Fronten und verstehen oft nicht, was mit ihnen geschieht.
Trotzdem muss agiert werden. Was ist zu tun? Es gilt die eigenen Wertschöpfungs- und Zulieferketten im Detail zu prüfen und kritisch zu hinterfragen. Die politische Schweiz ist auf der einen Seite sehr aktiv und unabhängig vom europäischen Umfeld bemüht, mit wichtigen Handelspartnern Freihandelsabkommen (FHA) abzuschliessen. Schlagzeilen machte erst kürzlich die Einigung zwischen der Schweiz mit Grossbritannien mit dem Übergangsabkommen für den Fall eines unkontrollierten Brexits. Auf der anderen Seite können wir uns den direkten und extraterritorialen Auswirkungen von Entscheiden der Grossmächte nicht entziehen.
Mit über 30 FHA ist die Schweiz eines der Länder mit der grössten Anzahl solcher Handelsverträge. Das FHA mit China war ein Meilenstein und besteht noch heute als eines der einzigen FHA, das China mit einem westlichen Land (mit Ausnahme von Island) eingegangen ist. Die Schweiz spielt somit nicht nur international in der höchsten Liga mit, sondern packt auch auf nationaler Ebene notwendige Massnahmen an, wie zum Beispiel das «DaziT», ein Schlüsselelement zur Modernisierung und Digitalisierung der Eidgenössischen Zollverwaltung. Die Zoll- und Abgabenerhebungsprozesse werden damit vereinfacht, harmonisiert und durchgehend digitalisiert. Des Weiteren hat die Schweiz vor, per 1. Januar 2022 sämtliche Industriezölle auf null zu senken sowie die Tarifstruktur grundsätzlich zu vereinfachen.
Doch der Staat nimmt den Unternehmen nicht alle Aufgaben ab. Jetzt sind alle Unternehmer gefordert, ihre Hausaufgaben zu machen und ihre internen Prozesse, Handelsbeziehungen und Wertschöpfungsketten zu überprüfen. Das Thema Zölle und Handelsabkommen wurde jahrelang sehr stiefmütterlich behandelt, und vielerorts fehlt es am notwendigen Wissen im Unternehmen. Kennen die KMUs in der Schweiz ihre Zulieferketten? Sollen Lieferanten gewechselt und Warenströme umgeleitet werden?
Alles Fragen, die es rasch zu klären gilt, wenn nicht nur die politische Schweiz, sondern auch die importierenden und exportierenden KMUs im Land ihre Agilität und Wettbewerbskraft erhalten sollen. Der wachsende Protektionismus und die handelspolitische Streitigkeiten der grössten Wirtschaftsmächte führen dazu, dass auch Schweizer Unternehmen weltweit betroffen sind und die Handelskosten dadurch in die Höhe getrieben werden. Deshalb sind das Verständnis sowie die Kontrolle über die Lieferkette und die Verknüpfung zu den zoll- und handelsrechtlichen Aspekten für Unternehmen heute essentiell. Wenn ein Unternehmen seine Warenströme kennt, kann es in Bezug auf den Handel strategisch planen, so von reduzierten Abgaben profitieren und die eigene Konkurrenzfähigkeit verbessern.