Das Glarnerland ist ein Gebirgskanton. Wer von Ziegelbrücke in Richtung Kantonshauptort Glarus fährt, wird auf beiden Talseiten von stolzen Bergkämmen begleitet. Zwar mag hier im Talboden die Sonne etwas später auf- und etwas früher untergehen. Dafür gibt es weniger Nebel als mancherorts im Schweizer Mittelland. So hat auch hier die Nutzung der Sonnenenergie ihre Chance. Der Verein Energieallianz Linth hat sich entschieden, diese Chance zu nutzen. Der Verein will die Eigenversorgung der Region mit erneuerbarer Energie erhöhen. Auf seine Initiative und mit finanzieller Unterstützung von BFE, Kanton Glarus, Service 7000, Meyer Burger, glarnerSach und Glarner Kantonalbank ging im März 2015 auf dem Dach der Lintharena – einem Sport-, Hotel- und Freizeitkomplex am Rande von Näfels – eine grosse Solaranlage in Betrieb. 880 Solarmodule mit einer Fläche von 1400 m2 und einer Spitzenleistung von 237 kWp erzeugen pro Jahr rund 225’000 kWh Strom, genug, um den Strombedarf von 75 energieeffizienten Haushalten zu decken.
Dies allein wäre allerdings noch nicht Grund genug, um aus der Anlage ein Pilot- und Demonstrationsprojekt des Bundesamts für Energie zu machen. Diese Auszeichnung erhielt die Anlage deshalb, weil sie mit einem neuartigen Solarkonzept neben Strom auch Warmwasser bereitstellt: Knapp ein Viertel der Module (178 Stück mit 285 m2 Fläche) sind nämlich hybride PVT-Module, die Strom und Warmwasser erzeugen. So liefert die Anlage bei einer thermischen Leistung von 160 kW im Jahr auch noch ca. 165’000 kWh Energie in Form von Warmwasser.
Dieses wird in der Lintharena ganzjährig für Duschen, Hotellerie, Hallenbad und weitere Zwecke genutzt. Grundsätzlich hätte das gesamte Solardach mit PVT-Modulen bestückt werden können. Doch sie wurden nur für eine Teilfläche herangezogen, um die Warmwasserproduktion auf den tatsächlichen Bedarf abzustimmen – und um die Mehrkosten durch die PVT-Kollektoren zu beschränken.
Neues PVT-Konzept mit Grundwassernutzung
An PVT-Modulen wird seit Jahrzehnten gearbeitet. Sie haben sich am Markt bisher nicht breit durchgesetzt, vor allem weil sie noch vor den Preissenkungen für PV-Module und vorwiegend für die thermische Produktion entwickelt wurden, ohne die Stromproduktion gleichzeitig zu erhöhen (durch Modulkühlung). Erprobt ist der Einsatz von PVT-Modulen bisher in Systemen, die Solarwärme zur Regeneration von Erdwärmesonden-Feldern nutzen. Hier wird die Solarwärme über den Sommer in tieferen Erdschichten gespeichert, wo sie in den Wintermonaten dann mittels Wärmepumpe abgerufen wird (vgl. dazu das BFE-Leuchtturmprojekt im Reka-Feriendorf Blatten (VS), beschrieben im Fachartikel «Von der Sonne doppelt verwöhnt», verfügbar unter www.bfe.admin.ch/ct/solar). Das PVT-Projekt in Näfels geht einen neuen, in der Schweiz bisher einzigartigen Weg: Das von den Hybridkollektoren gewonnene Warmwasser wird nicht saisonal eingelagert, sondern direkt für die Deckung des Warmwasserbedarfs der Lintharena genutzt (vgl. Textbox rechts).
Die PVT-Anlage in Näfels ist somit für den unmittelbaren Verbrauch der Wärme konzipiert. Das System ist zugeschnitten auf Einrichtungen, die im Sommer einen nennenswerten Warmwasserbedarf haben. «Ich bin persönlich überzeugt, dass PVT-Module für ausgewählte Anwendungen wie Sport- und Freizeitanlagen sowie Hotels oder in Verbindung mit Erdwärmesonden bei grösseren Mehrfamilienhäusern bzw. Gewerbebauten eine sinnvolle Lösung sind. Für Einfamilienhäuser entwickeln wir zusammen mit Meyer Burger derzeit eine Lösung als Alternative zu Luft-Wasser-Wärmepumpen. Wir haben das Glarner Projekt gezielt mit prominenter Beteiligung öffentlicher Akteure aus der Region realisiert, um nicht nur heimische Energie zu nutzen, sondern auch die Wertschöpfung in der Region zu halten», sagt Jürg Rohrer, Präsident der Energieallianz Linth und Professor für Ecological Engineering an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil.
Bisher rund 5 % mehr Strom dank PVT
Die Erfahrungen aus dem ersten Betriebsjahr haben Jürg Rohrer in seiner positiven Einschätzung der Hybridtechnologie bestärkt: «Die Installation der PVT-Kollektoren durch die Solarteure verlief problemlos und konnte durch die selbe Firma vorgenommen werden, die die PV-Module aufstellte. Die Hybridkollektoren sind technisch ausgereift und arbeiten tadellos. Die bisherigen Auswertungen bestätigen, dass PVT-Kollektoren dank der Kühlung durch das Thermofluid mehr Strom erzeugen als PV-Module. Nach bisherigen Messungen beträgt der Mehrertrag rund 5 %, was genau unserer Simulation für ein typisches Klima-Jahr entspricht. Mit einer Optimierung der Anlagensteuerung hoffen wir diesen Betrag noch um 3 bis 4 Prozentpunkte erhöhen zu können.» Der Mehrertrag wirkt sich günstig auf die Wirtschaftlichkeit der PVT-Kollektoren aus. Die PVT-Module waren im Fall der Lintharena etwa doppelt so teuer wie die auf dem Dach ebenfalls verbauten PV-Module. Dank der Vorerwärmung des Grundwassers kann bei den Wärmepumpen zudem pro Jahr ca. 25’000 kWh Strom eingespart werden. Dieser Effekt ist bei der Demo-Anlage wesentlich grösser als der Mehrertrag der PVT-Module durch Kühlung. Ob die PVT-Kollektoren den PV-Modulen auf lange Sicht in einer wirtschaftlichen Betrachtung ebenbürtig sind, soll die vom BFE unterstützte Messkampagne in den kommenden Jahren zeigen.
Nach Auskunft von Jürg Rohrer gibt es gerade aus dem Kreis der Schweizer Gemeinden immer wieder Anfragen für die Nutzung der PVT-Technologie. So haben die Hybridtechnologie-Experten der ZHAW Wädenswil beispielsweise mehrere Projekte durchgerechnet, die PVT-Wärme für die Beheizung ihrer Freibäder vor und nach der Badesaison oder sogar im Winter nutzen wollten. Die Studien zeigten allerdings, dass die Wärmeproduktion für einen Ganzjahresbetrieb nicht ausreicht und die Verlängerung der Badesaison unbedingt durch eine nächtliche Abdeckung der Schwimmbecken ergänzt werden muss. Gemeinden bleiben für Jürg Rohrer eine wichtige Zielgruppe für die Kombination von PVT-Kollektoren und Grundwassernutzung: «Ob der Einsatz sinnvoll ist, muss die Prüfung des jeweiligen Einzelfalls zeigen.»
Weitere Auskünfte zu dem Projekt erteilt Dr. Stefan Oberholzer [email protected], Bereichsleiter des BFE-Forschungsprogramms Photovoltaik.
Weitere Fachbeiträge über Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Bereich Photovoltaik finden Sie unter: www.bfe.admin.ch/CT/PV