In der Schweiz haben finanzkräftige Anleger im ersten Halbjahr Rekordsummen in Startup-Firmen investiert. Angesichts des unsicheren Finanzmarktumfelds dürfte sich der Wachstumstrend der letzten Jahre aber abschwächen, auch weil der Ausstieg weniger lukrativ sein könnte.
In der ersten Jahreshälfte sind hierzulande 2,59 Milliarden Franken als Risikokapital an Startup-Firmen geflossen, wie das Online-Newsportal Startupticker.ch und die Investorenvereinigung SECA Swiss Private Equity & Corporate Finance Association am Donnerstag mitteilten. Das ist Rekord und verglichen mit dem bereits guten Vorjahr ein Plus von fast 50 Prozent.
Die gute Entwicklung in der Gründerfinanzierung ist auch anhand der durchgeführten Finanzierungsrunden abzulesen: Diese Zahl kletterte im Halbjahr um 30 Prozent auf 163. Dabei habe es bislang in diesem Jahr besonders viele grosse Finanzierungsrunden gegeben, erklärte Stefan Kyora von Startupticker.ch an einer Medienpräsentation.
Grosser Climeworks-Deal
Mit Abstand am meisten Geld floss mit 600 Millionen Franken an das Cleantech-Unternehmen Climeworks. Die Firma mit Wurzeln an der ETH Zürich bietet Dienstleistungen zur Filterung von CO2 aus der Umgebungsluft an. Auf grosses Interesse stiessen auch das Genfer Software-Unternehmen SonarSource (395 Mio) und die Zürcher IT-Firma Scandit (139 Mio).
Total haben 13 Startups jeweils mehr als 50 Millionen Franken eingesammelt. Die meisten der 163 Deals sind in den Bereichen ICT und Fintech anzusiedeln, während Biotech an Boden verlor. Unter den Kantonen liegt Zürich mit 70 Transaktionen im Wert von 1,38 Milliarden Franken klar vorne, gefolgt von Genf (457 Mio) und der Waadt (347 Mio).
Trend lässt nach
Die Startup-Finanzierungen sind über die Jahre stark gewachsen. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2018 war in 82 Finanzierungsrunden insgesamt Risikokapital im Umfang von 456 Millionen Franken in Jungfirmen investiert worden. Doch nun seien Anzeichen einer Abschwächung am Startup-Markt auszumachen, sagte Thomas Heimann von SECA.
Gründe dafür ist das schwächer werdende Finanzmarktumfeld. Dabei drücken nebst Zins- und Rezessionsängsten sowie sinkenden Aktienbewertungen insbesondere auch das schlechtere Umfeld für Börsengänge auf die Finanzierungen von Startups. Im ersten Halbjahr 2022 gab es aber immerhin noch fünf Börsengänge nach elf im sehr guten Gesamtjahr 2021.
Die meisten Startups gehen jedoch nicht an die Börse, sondern werden übernommen. Im laufenden Jahr gingen 29 Firmenverkäufe über die Bühne nach 24 im ersten Halbjahr 2021. 23 Käufer kamen den Angaben nach aus dem Ausland, fast die Hälfte davon aus den USA.
Rückgänge erwartet
Die gedämpfte Stimmung in der Startup-Szene zeigt sich auch in einer vom SECA durchgeführten Umfrage unter 80 Schweizer Risikokapitalinvestoren. Die Mehrheit erwartet einen Rückgang beim gesamten investierten Kapital von bis zu 25 Prozent und mit einer Abnahme bei Übernahmen und Börsengängen.
Schweizer Investoren verfügten aber nach wie vor über genügend Mittel für weitere Investitionen, so Heimann. Zwei Drittel der befragten Investoren wollen in den kommenden drei Jahren mindestens 20 Millionen Franken in Startups investieren, ein Drittel sogar mehr als 50 Millionen.
Im europäischen Vergleich könnte die Schweiz verlorenes Terrain zurückgewinnen, glaubt Kyora. Während Grossbritannien unangefochten an der Spitze und Deutschland sowie Frankreich auf dem Podest stehen, habe die Schweiz die Niederlande und Spanien wieder überholt und werde bis zum Jahresende den Rückstand auf das viertplatzierte Schweden verkleinern. (awp/mc/pg)