In den Leserbriefspalten und an den Stammtischen, auf dem politischen Parkett, aber auch im nachbarschaftlichen Umgang: Wenn man in Basel den Menschen zuhört, dann bekommt man oft den Eindruck, das in dieser Stadt so ziemlich alles schief läuft, sich Gräben unverrückbarer politischer, wirtschaftlicher, kultureller oder sozialer Divergenzen auftun, dass «die, da oben» sowieso tun, was sie wollen und die Bevölkerung piesacken, dass der Abstieg in die Provinz schon längst vollzogen sei oder dass – wenn nicht bald was geschieht – alles den Bach runter geht.
Für Thomas Kessler, Leiter der Abteilung Kantons- und Stadtentwicklung im Präsidialdepartement, ist dies zwar kein Grund, ebenfalls zu lamentieren, sich aber im Gespräch mit dem «Geschäftsführer» zumindest Gedanken darüber zu machen.
«Geschäftsführer»: Es gehört mit zu den Aufgaben der Abteilung Kantons- und Stadtentwicklung, das Verhalten der Menschen, ihre Bedürfnisse, ihre Ansichten, und was ihnen wichtig ist, zu kennen – können Sie denn als nicht in Basel Gebürtiger bei uns ein typisch baslerisches Nörgel-Gen erkennen?
Thomas Kessler: (lacht) Angesichts der Tatsache, dass über ein Drittel der in Basel Wohnenden Ausländer sind und über 160 Nationen hier am Rheinknie vertreten sind, kann ich beim besten Willen kein solches,
typisch baslerisches Gen feststellen.
Beobachten Sie denn tatsächlich bei der Bevölkerung Unzufriedenheit, welche sich unter anderem in besagtem Lamentieren widerspiegelt?
Im Gegenteil. Bevölkerungsbefragungen ergeben sehr hohe Zufriedenheitswerte. Über 97 Prozent der Baslerinnen und Basler – und insbesondere auch die Zugezogenen – leben gerne hier. Hoch eingestuft werden Lebensstandard und Lebensqualität, was übrigens auch das internationale Vergleichsportal Opencities, das Basel diesbezüglich auf den ersten Platz setzt, so sieht. Im nationalen, aber auch im internationalen Vergleich nimmt Basel in zahlreichen Bereichen eine Spitzenstellung ein. Basel geht es finanziell vergleichsweise gut, hat eine florierende Wirtschaft und
Unternehmen von Weltgeltung oder bietet Spitzenkultur und -bildung.
Wieso wird dann trotzdem gejammert?
Gejammert wird ja nicht nur in Basel, jammern ist menschlich. Aber vielleicht geht es uns einfach zu gut und wir vergessen angesichts der Herausforderungen des Hier und Jetzt einfach, welches Potenzial diese Stadt und die ganze Region haben.
Was schlagen Sie vor?
Wir sollten uns die Vergangenheit in Erinnerung rufen, wir haben als visionäre Geister das Geistesleben der Stadt mit liberalem Gedankengut geprägt, mit visionären Ideen in die Zukunft geschaut und damit das moderne, weltoffene Basel, wovon wir heute noch profitieren, geschaffen. Das Basel der Zukunft braucht eine Vorwärtsstrategie, innovative Lösungen, vielleicht sogar Querdenkende sowie die Freude am Leben und am Neuen. Vor allem brauchen wir aber nicht Menschen, die jammern und über einander, sondern die miteinander reden. Denn nur der freie Austausch von Meinungen und Ideen sowie die Vernetzung der diesbezüglichen Ressourcen – also der Institutionen, Unternehmen und der Bevölkerung – schaffen die Voraussetzungen dafür, dass es uns weiterhin gut geht.