Verschlechtert sich das Rating eines Unternehmens, ändert der Banker seinen Blickwinkel darauf. Das sorgt in der Regel für Emotionen bei Geschäftsführern und Gesellschaftern. Doch: Der Finanzierer braucht schlichtweg die Sicherheit, dass geliehenes Geld auch zurückbezahlt werden kann – selbst wenn es «hart auf hart» kommt. Und so liegt es quasi in der Natur des Bankers, durch die Risikobrille auf Unternehmensgeschicke zu blicken und Prozesse zu hinterfragen. Er will Entscheidungsprozesse des Managements beurteilen können: Wie werden Entscheidungen getroffen? Wer ist in die Entscheidungsfindung eingebunden? Zu welchem Zeitpunkt und wie erfolgt die Umsetzung einer Entscheidung?
An dieser Stelle wird häufig missverstanden, welche Botschaften «richtig» für den Banker sind. Der vielfache Glaube, nur gute Nachrichten seien «bankable», ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. Denn diese Botschaften sind in aller Regel nicht stimmig und beleuchten nur die positive Seite der Medaille – was mit der Risikosicht des Bankers kollidiert und so für Zweifel sorgt. Statt Risiken auszublenden und nur von positiven Perspektiven zu berichten, ist ein realistischer Blick nach vorne gefragt, indem Chancen und Risiken gleichermassen beschrieben werden und angemessen auf diese reagiert wird. Risikomanagement ist kein Feuerwehreinsatz!
Zu zaudern, zu zögern und nur negative Entwicklungen hervorzustellen, ist meist noch schlechter als «Schönfärberei». Denn: Der Manager outet sich damit als «wenig souverän», als überfordert und entscheidungs- beziehungsweise beurteilungsschwach.
Jeder Finanzierer will – berechtigterweise – wissen, wofür das von ihm verliehene Geld eingesetzt wird und wodurch es EBITDA generiert. Er will auch wissen, vor welchen strategischen Herausforderungen und Optionen das Unternehmen steht und welche Bedeutung diese jeweils für das EBITDA und die Finanzierung haben. Darum sind Schubladenkonzepte genauso wie durchgespielte Zukunftsszenarien und Antworten gefragt – Ad-hoc- Feuerwehreinsätze hingegen sind völlig kontraproduktiv.
Weitere Herausforderungen bei der Zusammenarbeit mit dem Banker bestehen in der Beantwortung der Frage nach dem Finanzierungszweck – also in der Erklärung der «Ursache» für den Mittelbedarf. Die klare Sicht des Bankers: Mit Fremdkapital kann alles finanziert werden, was Cashflow und EBITDA generiert. Verluste, Personalabbau, Restrukturierungen? Sie gehören definitiv nicht dazu, schliesslich soll das geliehene Geld zurückbezahlt werden – das geht durch Cashflow, nicht aber durch Verluste. Entsprechend sollte mit dem zuständigen Finanzierer proaktiv und vorausschauend über die Finanzierungsstruktur gesprochen und die folgenden Drei-W-Fragen geklärt werden: Was soll finanziert werden (Wachstum, Investition, Working Capital)? Wie soll das erfolgen (welche Finanzierungsinstrumente)? Wo soll die Finanzierung erfolgen (in welcher Gesellschaft)?
Auch diese Fragen müssen für den Banker mit Blick durch die Risikobrille beantwortet werden, um eine «risikoadäquate Lösung» zu finden – eine Lösung, die zu Geschäftsmodell und Strategie passt sowie von den Fianzierern mitgetragen wird, weil im Vorfeld klar abgesteckt wurde, was die Finanzierung alles «aushalten» muss.
Alle genannten Aspekte fliessen in unterschiedlicher Gewichtung in das Rating und damit in die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens ein. Der Blick durch die Risikobrille des Bankers sorgt im Zweifel für eine Risikominimierung für das Unternehmen, denn: Jede Bank will gute Kunden mit gutem Rating und hohem Finanzbedarf – die Verwertung von Sicherheiten gehört nicht wirklich zum Geschäftsmodell einer Bank.
Darum: Geschäftsführer und Gesellschafter sollten ruhig mal die Perspektive wechseln und durch die Risikobrille blicken – denn wenn sie sich Gedanken über ihr Rating und die bestimmenden Faktoren machen, kann sich das letztlich durchaus «lohnen»!