Die Schweiz ist ein Exportland. Im Jahr 2018 exportierte die Eidgenossenschaft Waren im Wert von 233 Milliarden Franken – und davon stammen drei von den vier Export-Franken aus den reifen Märkten. Diese machen gemessen am Bruttoinlandsprodukt zwei Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung aus. Entsprechend wichtig sind sie demnach auch für die KMU. Allerdings sind diese Märkte zusehends gesättigt und die Frage stellt sich, wie es dennoch gelingen kann Produkte und Dienstleistungen erfolgreich zu exportieren.
Reife Märkte sind für den Export aus der Schweiz zentral. Fast die Hälfte aller Ausfuhren geht in die EU und an zweiter Stelle folgen die USA. «Alleine die beiden an die Schweiz grenzenden deutschen Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern importieren doppelt so viele Schweizer Produkte wie China», betont Sascha Jucker, Ökonom der Credit Suisse, die Bedeutung der reifen Märkte. Diese sind weit entwickelt und verfügen über eine hohe Kaufkraft. Die kulturelle und teils geografische Nähe zur Schweiz erleichtert es, Waren in entwickelte Länder auszuführen. Nicht zuletzt unterstützen wirtschaftliche Stabilität und langjährige Handelsbeziehungen den beständigen Erfolg. Dennoch ist es falsch zu glauben, es wäre einfach, Produkte und Dienstleistungen in reife Märkte auszuführen. Denn meist sind es gesättigte Märkte. Es herrscht ein grosser Wettbewerbsdruck und selbst Nischen sind häufig bereits besetzt. Gleichzeitig sind die Kunden äusserst anspruchsvoll. Deshalb müssen Schweizer KMU in diesen Ländern von Anfang an mit ihren Produkten und Dienstleistungen überzeugen.
Klare USP entwickeln
Für Schweizer Unternehmen, die in reife Märkte exportieren möchten, ist eine klare USP zentral. Gegenüber der Konkurrenz müssen sie sich deutlich positionieren und mit starken Produkten und Dienstleistungen überzeugen. Gefragt sind insbesondere innovative Produkte. Als innovativstes Land der Welt befindet sich die Schweiz diesbezüglich in einer guten Ausgangslage. Neben Nachhaltigkeit ist der grosse Megatrend derzeit ganz klar die Digitalisierung. Beispielsweise suchen Kunden in Grossbritannien stets nach digitalen Lösungen – sowohl im B2B – als auch im B2C-Bereich. Bei der Vermarktung müssen Schweizer Exporteure ebenfalls digital denken. So ist E-Commerce in den USA und in Kanada ein wichtiger Verkaufskanal, in Südkorea ist hingegen Home-TV-Shopping beliebt.
Kundenbedürfnisse im Zentrum
Überhaupt gilt es, besonders beim Exportieren in reife Märkte die Kundenbedürfnisse zu kennen und zu erfüllen, sei es betreffend Marketing, Lieferfristen oder Serviceleistungen. So sind in den USA Lieferzeiten von einigen Stunden heute Standard. In Japan ist vor allem der Aftersales-Service zentral und Support wird rund um die Uhr verlangt. Je nachdem muss auch das Preismodell angepasst werden. Zwar handelt es sich bei reifen Märkten um kaufkräftige Volkswirtschaften. Doch sind zum Beispiel Kunden in Deutschland deutlich preissensibler als in der Schweiz. Auch in südeuropäischen Ländern, wie Italien, Frankreich oder Spanien, ist der Preis ein wichtiges Kaufkriterium. Selbst in Hochpreisländern, wie Australien und Neuseeland, werden die Preise zunehmend hinterfragt. Hier drängt günstige Konkurrenz aus dem nahen Asien auf den Markt.
Geschäftsmodell überdenken
Reife Märkte weisen zwar eine gewisse kulturelle Nähe zur Schweiz auf. Dennoch müssen beim Export länderspezifische Eigenheiten berücksichtigt werden. Dies gilt besonders für südeuropäische Länder, in denen viel Wert auf persönliche Beziehungen gelegt wird. Dort arbeiten Schweizer Exporteure am besten mit lokalen Verkaufspersonen oder lokalen Partnern zusammen. Dasselbe gilt auch für weiter entfernt liegende Märkte, wie zum Beispiel Australien und Neuseeland. In manchen Ländern bilden zudem rechtliche Bestimmungen eine Stolperfalle. Diesbezüglich sind KMU die nach Nordamerika ausführen besonders gefordert. Nicht nur sind die Vorschriften oftmals strenger, sie sind in den USA und Kanada auch fast immer unterschiedlich. Aus diesem Grund müssen sich Unternehmen, die in reife Märkte exportieren möchten, gut mit den örtlichen Besonderheiten auseinandersetzen. Allenfalls muss beim Export aus der Schweiz das Geschäftsmodell angepasst werden.
Qualität als wichtiges Kriterium
Zentral ist in reifen Märkten insbesondere die Qualität der exportierten Produkte und Dienstleistungen. Diesbezüglich geniesst «Swissness» einen guten Ruf. Im Ausland ist «Made in Switzerland» als Gütesiegel ein wichtiges Verkaufsargument. «Es steht für Qualität, Exklusivität, Tradition und neuste Technologie», so der Ökonom Sascha Jucker. Wenn Schweizer KMU also auch künftig konsequent auf Schweizer Qualitätsstandards setzen – vom Produkt über den Lieferanten bis hin zum Service – stehen die Chancen gut, dass sie weiterhin erfolgreich in reife Märkte ausführen können.
Am Aussenwirtschaftsforum von Switzerland Global Enterprise diskutierten deshalb Schweizer Wirtschaftsgrössen, wie es gelingt, in reifen Märkten zu wachsen. An der Breakoutsession «Wohin geht die Reise in den reifen Märkten?» warfen die Experten der Credit Suisse einen Blick in die Zukunft und wir führten ein Interview.
Heute stammen drei von vier Schweizer Export-Franken aus reifen Märkten: Wie wird sich dieses Verhältnis künftig entwickeln?
In den letzten Jahren hat sich das Verhältnis nur sehr wenig verändert. Tendenziell ist der Anteil der reifen Märkte aber leicht zurückgegangen. Im Gegenzug gewinnen Schwellenländer etwas an Bedeutung für den Schweizer Export. Insbesondere wird die Kaufkraft von China grösser. Die Entwicklung geht aber sehr, sehr langsam vonstatten. Ich rechne damit, dass der Anteil am Schweizer Exportvolumen, der in reife Märkte geht, in den nächsten Jahren auf nicht weniger als 70 Prozent zurückgehen wird.
Sie sprechen China an. Wird das Land für Schweizer Exporte so zentral werden, wie manche es erwarten?
Für Luxusgüter wie Uhren ist China aufgrund der grossen Bevölkerungszahl und der Kaufkraft der Oberschicht tatsächlich ein spannender Markt. Das gilt aber nicht für alle Branchen gleichermassen. Die Industrie, beispielsweise die Autoindustrie, ist stark von Deutschland abhängig. Das wird auch so bleiben. Sicherlich ist es für Schweizer Exportunternehmen sinnvoll, sich in China zu etablieren. Die anderen und insbesondere die reifen Märkte dürfen aber nicht vernachlässigt werden.
Welche Exportländer sind für die Schweiz besonders wichtig?
Europa und insbesondere Deutschland ist für Schweizer Exporte zentral und wird es auch bleiben. Das unterschätzen viele. Weiche Faktoren wie der ähnliche kulturelle Hintergrund erleichtern den Handel mit unseren Nachbarländern. In Asien oder Lateinamerika ist das völlig anders. Doch auch hier ist teils vielversprechendes Potenzial vorhanden, beispielsweise in grossen Ländern wie Brasilien. Wichtig ist allerdings, sich nicht nur aufgrund der aktuellen Wirtschaftslage für einen neuen Markt zu entscheiden, sondern auch hinsichtlich Rahmenbedingungen wie der politischen Stabilität.
Wie ist die Situation in den USA? Dorthin gehen Schweizer Exporte am zweithäufigsten.
Ähnlich wie beim Export in unsere Nachbarländer gibt es in den USA kaum Sprachbarrieren für Schweizer Exporteure. Spannend in den USA ist insbesondere das Gesundheitswesen. Dieses ist weniger stark reguliert und der Gesundheitsmarkt wächst schnell. Für mehr Nachfrage wird die demografische Alterung sorgen.
Welche Länder werden für Schweizer Exporteure in den nächsten Jahren wichtig sein?
Das Grundwachstum wird global in den meisten Ländern anhalten. Überdurchschnittlich wachsen werden die Schwellenländer. Ihr Marktanteil ist aber gering und die Hürden, welche ein Exporteur überwinden muss, sind teilweise hoch. Innerhalb der reifen Märkte dürften die USA das stärkste Wachstum verzeichnen.
Am Aussenwirtschaftsforum wurde die Wachstumsverlangsamung in Europa angesprochen. Was ist die Ursache?
2017 und im ersten Halbjahr 2018 hatten wir ein starkes Wachstum. Ende 2018 folgte dann eine Verlangsamung. Das ist völlig normal im Wirtschaftszyklus, vor allem in der Industrie. Einerseits hatten wir aussergewöhnliche und temporäre Faktoren wie beispielsweise den Hitzesommer 2018, die zu einer Abschwächung führten. Andererseits löste der Handelsstreit zwischen den USA und China Unsicherheit aus. In der Folge verzeichnete insbesondere Deutschland eine schwächere Nachfrage aus China. Diese betrifft allerdings primär den Industriebereich. Der Dienstleistungsbereich und der Arbeitsmarkt sind nach wie vor solide.
Wird die Konjunktur in den reifen Märkten bald wieder anziehen?
Das wahrscheinlichste Szenario ist tatsächlich, dass wir bereits am Tiefpunkt angelangt sind. Die europäische Wirtschaft dürfte sich in den nächsten Monaten erholen. Wir erkennen bereits erste positive Wachstumsimpulse aus China. Ginge der Abschwung dagegen weiter, würde sich das früher oder später im Arbeitsmarkt niederschlagen. Eine Rezession wäre dann das «Worst Case Szenario». Davon gehen wir allerdings nicht aus.
Für die Schweizer Wirtschaft ist der Exportsektor bedeutend. Wie abhängig ist die Schweiz aber tatsächlich von der Entwicklung in anderen Ländern?
Da wir nicht zu den grossen Volkswirtschaften gehören, sind wir selten Handelspartner Nummer 1 für ein anderes Land. Daher leiden wir auch oft nicht als erste bei einer Wirtschaftsflaute. Häufig bewegen sich Schweizer Unternehmen in Nischen oder Sektoren, welche weniger konjunktursensibel sind. Beste Beispiele sind die Pharmaindustrie, der Medtech-Bereich, die Uhrenindustrie, aber auch die Textilindustrie, welche sich auf hochfunktionale Textilien spezialisiert hat. Die Qualität von Schweizer Produkten schützt uns daher auch zu einem gewissen Grad vor Preisdruck. Trotzdem ist es gut, wenn man sich diversifiziert und in mehreren Märkten präsent ist. Gerade die Dominanz der reifen Märkte wird noch einige Jahrzehnte anhalten.