Die Schweiz ist bekanntlich ein beliebtes Einwanderungsland. Allerdings gibt es auch hier Schwankungen. Zugleich nutzen auch Schweizerinnen und Schweizer die Möglichkeiten, einige Jahre ihres Arbeitslebens im Ausland zu verbringen. Wie sehen diese in der Migrationssprache Push- und Pull-Faktoren genauer aus? Die internationale Studie «Decoding Global Talent», welche in der Schweiz von jobs.ch und jobup.ch durchgeführt wurde, gibt genauere Antworten zur Attraktivität des Arbeitsplatzes Schweiz und zur Bereitschaft von Schweizern, im Ausland zu arbeiten.
Die Schweiz fungiert weltweit unter den Top-5-Wunschdestinationen für ausländische Arbeitnehmer. Insbesondere auf Fachkräfte übt die Schweiz eine grosse Anziehungskraft aus. Allerdings zeigen einige historische Rückblicke durchaus Schwankungen an. Nehmen wir das Beispiel der Deutschen, die in der Schweiz arbeiten.
Seit der Einführung der Personenfreizügigkeit hat sich die Zusammensetzung der Zuwanderung deutlich geändert. Ab Inkrafttreten des Abkommens kurz nach der Jahrhundertwende stieg die Netto-Zuwanderung durchschnittlich um mehr als das Doppelte an. Das waren (sind) die Schweizer Pull-Faktoren. Die Push-Faktoren aus Deutschland haben zum gleichen Zeitraum ebenfalls zugenommen. Der Konjunktureinbruch in Deutschland und die im Vergleich zu heute hohe Arbeitslosigkeit waren zentrale Treiber. Experten und Fachkräfte fanden in der Schweiz Arbeit.
Heute haben sich die Wanderungsströme verlangsamt. Auch hier zu gibt es deutsche und Schweizer Gründe. In Deutschland stellt sich die ökonomische Situation viel besser dar. Der Arbeitsmarkt ist stabil. Viele Unternehmen spüren erstmals die Folgen des demografischen Wandels und zahlen gerade qualifizierten Arbeitskräften höhere Gehälter. Zudem wird Deutschland attraktiver für Einwanderer etwa aus Südeuropa und nimmt dadurch Druck von der Schweiz.
In der Schweiz haben die Abstimmungen über die Einwanderungsinitative und die von ECOPOP in den letzten Monaten auf beiden Seiten Verunsicherung ausgelöst. Das hat sicher auch zu einigen Schleifspuren bei der Arbeitsmigration in die Schweiz geführt.
Schweiz als Wunschdestination
Wie sieht nun die aktuelle Situation aus statistischer Sicht aus? Die Studie von «Decoding Global Talent» gibt hier folgende Antworten. Als fünftbeliebtestes Land für ausländische Arbeitskräfte klassiert sich die Schweiz gleich hinter den USA, UK, Kanada und Deutschland. Nach Deutschland stellt die Schweiz somit den beliebtesten nicht englischsprachigen Arbeitsmarkt dar. Zudem lässt sie vergleichbare Länder bezüglich Bruttosozialprodukt und Grösse hinter sich. Vorwiegend spezialisierte und gut ausgebildete Arbeitskräfte streben auf den Schweizer Arbeitsmarkt.
Trotz der aufgeführten Veränderungen und Verunsicherungen gilt die Schweiz in Deutschland weiter als die Nummer 1 unter den favorisierten Auslanddestinationen. 37 Prozent der deutschen Arbeitnehmer könnten sich vorstellen, für eine neue Herausforderung in die Schweiz zu ziehen. Sowohl in Österreich (36 Prozent) wie auch in Italien (46 Prozent) rangiert die Schweiz auf Platz zwei (hinter Deutschland beziehungsweise UK). In Frankreich erzielt die Schweiz ebenfalls noch einen Podestplatz: Hinter den USA und Kanada befindet sie sich auf Rang drei (59 Prozent). Ebenfalls in den Top 3 ist die Schweiz in Weissrussland und Portugal.
Viele Arbeitnehmer könnten sich auch einen längeren Aufenthalt in der Schweiz vorstellen. Geht es um die gewünschte Aufenthaltsdauer, so sind 36 Prozent gewillt, für berufliche Zwecke über zehn Jahre in der Schweiz zu leben. 21 Prozent stellen sich vor, fünf bis zehn Jahre zu bleiben, während 30 Prozent einen Zeithorizont von drei bis fünf Jahren für ihren Aufenthalt in der Schweiz in Betracht ziehen.
Fachkräfte im Fokus
Anhand der aktuellen Tätigkeitsbereiche der reisewilligen Studienteilnehmer lassen sich zudem diejenigen Berufsgruppen bestimmen, die von diesen hoch qualifizierten Arbeitnehmenden besonders profitieren könnten:
– elf Prozent arbeiten im Ingenieurwesen oder in anderen technischen Berufen,
– elf Prozent sind im Ver- und Einkauf tätig
– neun Prozent sind in der IT- und Telekommunikationsbranche beschäftigt,
– je sieben Prozent arbeiten im General Management und im Bereich Finanzen/Administration/Revision.
Mit rund 45 Prozent sind es vor allem junge Menschen zwischen 21 und 34, die gerne in der Schweiz arbeiten möchten. Dabei handelt es sich vorwiegend um spezialisierte Fachkräfte (27 Prozent) und Angestellte aus dem unteren und mittleren Management (je 21 Prozent). Diese sind oft sehr gut ausgebildet. 35 Prozent von ihnen haben einen Bachelor-Abschluss, 29 Prozent einen Master-Studiengang absolviert und drei Prozent sogar einen Doktortitel erlangt. Weitere 14 Prozent haben im Laufe ihrer Karriere Weiterbildungen besucht.
Hohe berufliche Mobilität
Wie sieht nun die umgekehrte Situation aus? Kommt man hier nicht aus seinem Tal hinaus? Schweizerinnen und Schweizer schotten sich nicht ab, im Gegenteil:
Ganze 77 Prozent sind gewillt, im Ausland zu arbeiten. Die Quote ist signifikant höher als der Durchschnitt aller befragten Länder, der bei 64 Prozent liegt. Auffällig dabei ist, dass insbesondere die Industrienationen – mit Ausnahme der Schweiz – sonst eher unterdurchschnittliche Werte aufweisen. Vor allem spezialisierte Fachkräfte können sich gut vorstellen, im Ausland zu arbeiten. Am beliebtesten ist der angelsächsische Sprachraum – nicht nur für Schweizer, auch insgesamt. Auf dem Podest: USA (50 Prozent), Kanada (44 Prozent) und UK (44 Prozent) – Australien (39 Prozent) liegt immerhin noch auf Rang 5. Neben dem American Way of Life reichen für viele die niedrigen Sprachbarrieren und das wärmere Klima als Motivation oft schon aus. In Einklang mit dem Länder-Rating fällt auch die Reihenfolge der beliebtesten Städte aus: 22 Prozent der Befragten bevorzugen London, 20 Prozent New York und elf Prozent Sydney. Für Arbeitnehmer aus der Schweiz sind aber auch die unmittelbaren Nachbarländer äusserst attraktiv; denn oft kennt man die Sprache oder hat Verwandte und Bekannte vor Ort. So landet Deutschland auf Platz vier (39 Prozent) der beliebtesten Destinationen für berufliche Auslandaufenthalte. Auch Europas Norden geniesst hierzulande einen ausgezeichneten Ruf bezüglich Lebensqualität und Arbeitsmarkt-Attraktivität. So zum Beispiel Schweden, welches auf Platz sechs zu liegen kommt (31 Prozent), und Norwegen, das sich ebenfalls in den Top ten befindet (26 Prozent).
Motivation: Erfahrungen sammeln
Während in fast allen anderen Ländern die Karrierechancen und der höhere Lebensstandard im Zielland ganz oben auf der Liste der Beweggründe hinter dem Willen zur Mobilität stehen, zeigen Arbeitnehmer in der Schweiz ihre Weltoffenheit. Die wichtigsten Triebfedern für ein berufliches Engagement im Ausland sind die Erweiterung des persönlichen Erfahrungsschatzes (Rang 1), das Kennenlernen fremder Kulturen (Rang 2) und das Sammeln von besonderen Arbeitserfahrungen (Rang 3) – «Leute kennenlernen» folgt bereits auf Rang 5, gleich nach der beruflichen «Challenge». Interessanterweise verhält sich die Reihenfolge anders als bei der vor zwei Jahren in sehr ähnlicher Form durchgeführten Erhebung. So stand 2012 das Kennenlernen von neuen Ländern und Sitten erst auf Platz 3, hinter der Erweiterung des beruflichen Horizonts und der Suche nach einer neuen Herausforderung. Um solch wertvolle Erfahrungen zu sammeln, sind Arbeitnehmer in der Schweiz bereit, gleich mehrere Jahre im Ausland zu verbringen: 28 Prozent der Befragten würden drei bis fünf Jahre und 14 Prozent sogar fünf bis zehn Jahre im Ausland leben und arbeiten.
Weitere Informationen:
www.jobs.ch