Einem Unternehmer begegnen im Leben viele Herausforderungen. Eine davon ist es, eines Tages das Lebenswerk loszulassen und einen Nachfolgeprozess in Angriff zu nehmen. Andererseits provozieren auch
Umwelteinflüsse wie die Corona-Pandemie oder die Klimaerwärmung Reaktionen. Wir sprachen mit Marek Dutkiewicz, dem früheren Geschäftsführer und Owner von HR Campus, über die gegenwärtige Wirtschaftslage, über Stolpersteine im Thema Nachfolge und über Nachhaltigkeit als Verantwortung.
Wir müssen mit der aktuellen Corona-Situation anfangen. Was in einem Quartalsmagazin nicht ganz einfach ist. Unternehmen, ja ganze Gesellschaften stehen zunehmend unter Stress. Wir fahren gerade auf Sicht. Wir wissen nicht, was in zwei Wochen ist, was in zwei Monaten ist. Wenn der Impfstoff nächstes Frühjahr flächendeckend da ist, kann eine Beruhigung eintreten. Für Unternehmensverantwortliche ist das eine echte Herausforderung. Im Normalfall brauchen Unternehmen
Planungssicherheit. Die haben Sie nicht. Was hört HR Campus von seinen
Kunden und wie geht Ihr damit um?
Wir merken, dass es Sieger und Opfer von Corona gibt. Egal auf welcher Seite
sich unsere Kunden befinden, wir haben allen die gleiche Botschaft gesendet: Wir
helfen euch in der Krisensituation. Wir arbeiten mit unseren Kunden als Team
und lassen sie nicht im Stich. Es gibt ohne Frage grosse Unterschiede. Wer ein Geschäft an einem Flughafen hat, muss fürchterlich kämpfen. Wer dagegen in der Branche der Medizinaltechnik oder einem Versandhaus angesiedelt ist, erlebt einen Boom. Die Zerklüftungen auch in der Schweizer Wirtschaft, die international
als vergleichsweise gefestigt gilt, sind grösser geworden.
Ja, selbst die Schweiz hat mit einer Rezession zu kämpfen. Können Sie
mit Ihrem persönlichen Hintergrund Ratschläge geben? Sie kamen Anfang der Achtzigerjahre aus Polen in die Schweiz. In Polen herrschte damals das Kriegsrecht. Als Flüchtling standen Sie demnach ziemlich unter Druck. Das waren ganz neue und andere Rahmenbedingungen in einem fremden Land. Da mussten Sie auch auf Sicht fahren.
In meinem Leben habe ich bisher gelernt, dass jede Krise auch eine Chance ist. Mein Vater hat immer gesagt: «Du musst andere Läufer überholen, wenn es bergauf geht.» Dann muss man Gas geben. Auf keinen Fall sollte man den Kopf in den Sand stecken, im Gegenteil, jetzt sollte man investieren, sodass man im Sommer 2021 zu den Siegern gehört.
Wie bewältigt Ihr Haus selbst die Krise? Einige Player aus der IT-Branche sind ja sogar Krisengewinner.
Uns geht es glücklicherweise gut. Dass wir gut dastehen, hat sicher viel mit dem
Kampfgeist unserer Mitarbeitenden zu tun. Wir arbeiten sehr agil, mit kurzen Entscheidungswegen und viel Eigenverantwortung. Dadurch konnten wir im März 2020 als ganze Firma schnell reagieren.
Solch ein interner Prozess war wichtig für HR Campus?
Absolut, in schwierigen Situationen lösungsorientiert zu denken, zu improvisieren und kreativ zu sein, setzt viel positive Energie frei. Der Teamgedanke als Grundphilosophie unseres Hauses hat diesen Effekt sicher nochmals verstärkt. Es gilt aber, einen weitern Punkt zu beachten: Technologisch waren wir auf die
Krise vorbereitet. Wir investierten bereits vor zehn Jahren in Cloud-Computing und Remote-Lösungen. So konnten wir im Frühjahr 2020 als ganze Firma problemlos ins Home Office wechseln. Es war ohne Hürden möglich, ein Implementierungsprojekt, ohne physischen Kundenkontakt, von A bis Z durchzuführen. Das hat uns sicher einen Vorteil verschafft.
Wie geht man damit um, dass man selbst gut dasteht und einige Kunden
hart kämpfen müssen?
Es löst gemischte Gefühle aus, wenn man sieht, wie andere Branchen und Unternehmen kämpfen. Es ist Dankbarkeit, die vorherrscht. Und wo auch immer möglich unterstützen wir unsere Kunden.
Kommen wir zum zentralen Thema dieses Interviews der Nachfolgeregelung in familiengeführten Unternehmen. Klassischerweise hätte man Sie früher als Patron bezeichnet, und die konnten meist nicht loslassen. Wie war das bei Ihnen?
Ich war extrem gerne Patron. Ich habe es genossen, am Tag 20 Entscheidungen
zu treffen, ohne jemanden Fragen zu müssen. Ich merke, dass meine Nachfolger,
die junge Mannschaft, anders führt. Anfang 2020, nach der Übergabe der Geschäftsführung, hatte ich Schwierigkeiten, mich an die demokratische Führung zu gewöhnen. Da ging es mir wie vielen anderen Patrons. Teilweise verstand ich
die Welt nicht mehr. Gleichzeitig nahm ich zur Kenntnis, dass alle Angestellten von
HR Campus die neue Führung sehr gut aufgenommen haben. Inzwischen schaue
ich sehr entspannt auf das tägliche Geschehen bei HR Campus. Ich bin sehr
überrascht, wie schnell meine Nachfolger auch im Rahmen der rauen Gewässer der Corona-Krise gelernt haben, ihren Kurs zu halten. Sie bekommen positive Feedbacks von unseren Stakeholdern.
Bevor wir hier noch ins Detail gehen, sollten wir die Nachfolgesituation der Schweiz kurz skizzieren. Es fällt auf, dass viele der Übergänge scheitern. Das ist überraschend, da es von Grossbanken bis hin zu kleinen HR-Unternehmen viele begleitende Angebote für Nachfolgeregelungen auf dem Markt gibt. Wo liegen die zentralen Gründe
für das häufige Scheitern?
Auch ich habe vor fünf Jahren eine Nachfolgeplanung gestartet und bin damit gescheitert. Im zweiten Anlauf haben wir uns Hilfe des KMU-Instituts der Universität St. Gallen von Prof. Thomas Zellweger und Dr. Frank Halter geholt. Diese Unterstützung und Erfahrung im Umgang mit Nachfolgeplanungen war matchentscheidend. Ein solcher Prozess ist für alle Beteiligten eine grosse Herausforderung. Aber Frank Halter hat unsere Familie und Geschäftsleitung stets wie menschliche Individuen behandelt und grandios geführt.
Auch in unserer Familie gab es inhaltliche Konflikte, viele Emotionen und auch Tränen. Frank ist es jedes Mal gelungen, uns alle in ruhige Gewässer zu führen, sodass wir das Ziel der professionellen und positiven Nachfolge nie aus den Augen verloren haben. Ohne Frage, es gibt viele Begleiter, aber nicht alle sind professionell. Meine Erfahrung zeigt: Nachfolgeplanung muss von
kompetenten und erfahrenen Personen begleitet werden.
Es geht nicht nur um Personen, sondern um Persönlichkeiten?
Genau. Es braucht Persönlichkeiten mit psychologischem Fingerspitzengefühl, die
sich aber auch im entscheidenden Moment durchsetzen können. Die Gründer von Unternehmen sind Menschen mit Ecken und Kanten und einem gesunden Ego. Wenn du denen gegenübersitzt, brauchst du nicht nur Fachwissen, sondern viel menschliche Erfahrung, die du kommunikativ rüberbringen musst. Das ist eine Kunst, die auf der höchsten Ebene angesiedelt ist.
Bei Ihnen hat das beim ersten Mal auch nicht geklappt. Was lief hier schief?
Wir nahmen keine professionelle Begleitung in Anspruch. So haben wir zu viel auf
unsere eigenen Schultern geladen. Zudem habe ich zu stark auf meinen Verstand gehört und zu wenig auf meinen Bauch.
Wir haben die Konflikte in der Familie angesprochen. Welche waren diese
und wie wurden sie gelöst?
Nun, wir haben unsere Kinder so erzogen, dass jeder seine Meinung am Tisch sagen kann. Diese Ehrlichkeit und Offenheit ist in einem Nachfolgeprozess von grosser Bedeutung, führt aber unweigerlich auch zu Spannungen. Alle meine Kinder sind Alphatiere. Diese Energie dann in eine Richtung zu lenken, war die grösste Herausforderung. Es geht darum, die Bedürfnisse eines jeden zu berücksichtigen und Konsens zu schaffen, wie die Zukunft des Unternehmens aussieht und wer welche Rolle einnimmt. Zudem muss man sich auch Gedanken über den Lebensabend machen. Meine Frau würde gerne mit mir die Welt erkunden. Ich selbst geniesse das auch, kann mich teilweise aber nur schwer von meiner bisherigen Arbeitsroutine lösen. Ich werde jedoch immer vor Ideen sprudeln und von Natur aus Unternehmer bleiben. Beiden Bedürfnissen nachzukommen, ist mein Ziel, aber daran muss ich noch arbeiten. Vieles ist uns schon gelungen und einiges steht noch vor uns.
Gibt es bei dem Prozess der Nachfolge Meilensteine?
Der gesamte Prozess hat bei uns zwei Jahre gedauert. Man darf auf der Zeitschiene nicht zu kurz springen. Die unterschiedlichen Phasen brauchen dazu passende Aufgabenplanung und Vorbereitung. Es gibt unglaublich viele Ebenen und Aspekte, die man durcharbeiten muss: familiäre Vorstellungen, die Rollenverteilung in der Geschäftsleitung, finanzielle und rechtliche Aspekte, die Inhaberschaft sowie die Besetzung des Verwaltungsrats.
Man muss für den nächsten Meilenstein immer reif sein. Bei Auseinandersetzungen oder gegenteiligen Ansichten braucht es auch Zeit. Zeit heilt bekanntlich Wunden. Das war bei uns genauso. Eine richtige Phasenplanung und ein guter Aufbau sind ein zentraler Grund, ob die Nachfolge funktioniert oder nicht.
Wie ist Ihr Haus von seinen Kaderpositionen nun aufgestellt?
Generell ist HR Campus eine agile Organisation mit flachen Hierarchien. Unsere
Teams haben einen Koordinator mit sehr starken Kompetenzen. Die Geschäftsleitung besteht aus sechs Personen und mir und wird «Fiveboard» genannt. Meine beiden Söhne sind ebenfalls Teil dieses Gremiums, mit Moritz Marti als CEO an der Spitze.
Und wie ist nun Ihre Rolle?
Meine Rollen sind Mentor und Coach. Ich unterstütze dort, wo es mich gerade braucht, und gebe Rückendeckung, wenn Not am Mann ist, aber nur nach Aufforderung.
Sie sind nicht mehr operativ tätig?
Ja. Ich habe alle operativen Tätigkeiten abgegeben. Es gibt keine wiederkehrenden Meetings mehr in meinem Kalender. Doch wenn mich jemand braucht, bin ich jedoch immer da.
Sie haben nun Zeit für die wirklich wichtigen Themen. Welche sind das?
Endlich habe ich Zeit, meine Träume und meine Projekte zu realisieren. Aktuell stehen bei mir der eigene Körper und die Gesundheit ganz oben auf der Agenda. Ich war noch selten so fit wie in diesen Tagen. Zudem habe ich auch endlich Zeit, mit meinen Enkelkindern zusammen zu sein und auf Reisen zu gehen. Das beflügelt mich. Aber ich geniesse es auch weiterhin, Projekte für HR Campus zu realisieren. Ich träume schon lange von HR Campus Polen, zudem treibe ich die Digitalisierung des HRs in der Gesundheitsbranche voran und bin stets auf der Suche nach Kooperationen mit spannenden Start-ups.
Wir haben dieses Interview mit einer Herausforderung begonnen, die eher in einem kurzen Zeitrahmen steht. Der Klimawandel läuft hier auf anderer Zeitachse. Trotzdem schleicht er langsam in unser Bewusstsein. Was kann eigentlich Ihre Branche dazu beitragen, hier operativ weiterzukommen?
Persönlich fahre ich seit sieben Jahren einen Tesla. Es gilt, hier Zeichen zu setzen,
im Privaten wie als Unternehmen. Wir glauben, dass wir als HR Campus gegenüber unseren Mitarbeitenden und unserer Umwelt eine Verantwortung haben. Auch wir haben deshalb das Thema Corporate Social Responsibility auf unserer Agenda priorisiert. Hierbei geht es einerseits darum, die Entscheidungen als Unternehmen auf Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit hin zu überprüfen und andererseits sich zu sensibilisieren und in diesen Themen umzudenken. Ich denke, hier kommt es nicht auf die Branche an, sondern auf jedes einzelne Unternehmen.
Vor zehn Jahren habe ich viele Interviews zu Green IT gemacht. Es ging
um den Energieverbrauch der riesigen Serverfarmen. Mir scheint, das Thema ist von der Bühne verschwunden. Wie bringen wir es wieder zurück?
Hier haben Sie sicher recht, in der IT ist das Thema weitgehend verschwunden und auch nicht transparent. Wir investieren viel in Green HR. Das heisst, wir machen Unternehmen aufmerksam, dass eine Transformation in Richtung Green HR sofort und umfassend notwendig ist. Jedes Unternehmen sollte alle Prozesse auf nachhaltige Fragestellungen abklopfen. Nehmen wir als Beispiel den Bewerbungsprozess, wenn es um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht. Da kann ich entweder einen Firmenwagen anbieten oder die Fahrt mit der Bahn durch die Finanzierung eines General-Abos sichern. Das sind Kleinigkeiten, aber in der Summe zeigen sie Wirkung. Ich glaube auch, dass neue Generationen hier sehr sensibel sind, was der ganzen Gesellschaft zugutekommt.