Interview mit Philippe Rubin und Torsten Henke von Georg Lutz
Heute sind Unternehmen in vielfacher Weise in Bewegung. Das führt aber auch zu Herausforderungen. Die Zahl der Pendler bringt den Verkehr an Kapazitätsgrenzen. Das Thema Home Office gewinnt an Bedeutung und wir alle wollen auch von unterwegs auf Geschäftsdokumente zugreifen. Bei der Canon
(Schweiz) AG kam dazu noch die Firmenintegration der Océ (Schweiz) AG. Die Verantwortlichen haben die Gunst der Stunde genutzt und Voraussetzungen für mobiles und flexibles Arbeiten geschaffen.
Mit welchen Massnahmen fördert Canon seit dem Umzug und der Integration von Océ die Mobilität der Mitarbeitenden?
Der Umzug gab uns die Möglichkeit, moderne Arbeitskonzepte zu realisieren: Wir haben nun funktionale Grossraumbüros, aber auch Arbeitsplätze um sich zurückzuziehen. Auch die kommunikative Seite kommt mit einer Kaffeecke und Meetingpoints, um sich kurz mit Kollegen abzusprechen, nicht zu kurz. Auch die Geschäftsleitung inklusive CEO sowie die Führungskräfte sitzen bei uns übrigens im Grossraumbüro. Flache Hierarchien sind so auch innenarchitektonisch realisiert. Stärker unterstützt wird heute auch das mobile Arbeiten, sei es an unseren zwölf Standorten in der Schweiz, mit mobilen Arbeitsplätzen oder der Möglichkeit zu Home Office-Aktivitäten. Jeder Mitarbeitende hat seine eigene Arbeitsweise und weiss, wie und wo er für die aktuelle Aufgabe am produktivsten ist, bei uns hat er die Möglichkeit, diese zu leben.
Besteht nicht die Gefahr, dass bei der Praktizierung von Home Office die Teams auseinanderfallen?
Nein, das glauben wir nicht. Kurz nach dem Umzug waren die Teams sogar mehr im Büro, weil man sich zu Beginn zuerst finden, neu kennenlernen und
zusammenarbeiten musste. Zusammenhalt und Zusammenarbeit wurden so gestärkt, Integration wurde beziehungsweise wird nach wie vor gelebt.
Neben dem Umzug war die Integration von Océ sicher die zweite zentrale Herausforderung. Welche Hürden galt es hier zu nehmen?
Wir waren zwei Firmen mit unterschiedlichen Prozessen in vielen Bereichen der beiden Unternehmen. Zuerst müssen solche Prozesse genauestens analysiert werden, erst dann kann man sich überlegen, wie diese Prozesse zusammengeführt werden können – das war für uns eine Herausforderung, die es zu meistern galt. Weiter sind in einem Unternehmen natürlich immense Datenmengen vorhanden, sowohl auf Papier wie auch digital. Die Ablage und Archivierung der Informationen wurde in beiden Unternehmen ebenfalls unterschiedlich gehandhabt. Zudem gibt es ja immer, nebst dem Unternehmensarchiv, die persönliche physische Dokumentenablage jedes einzelnen Mitarbeitenden. Am neuen Arbeitsplatz haben unsere Mitarbeitenden weniger Stauraum zur Verfügung. Da stellt sich sofort die Frage, was mache ich mit meinen physischen Dokumenten? Was muss oder will ich behalten und was kann ich sicher entsorgen? Dies gilt sowohl für die persönlichen Dokumente wie auch für die Unternehmensunterlagen. Beide dürfen durch die Fusion oder den Umzug nicht verloren gehen und müssen auch in den neuen Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Hierzu haben wir bei Canon aber die richtigen Technologien, um Dokumente rasch zentral über Hochleistungsscanner oder dezentral über multifunktionale Geräte zu digitalisieren, klassifizieren und in unser Dokumentenmanagement-System oder unsere Kollaborationsplattform abzulegen. Dies hat uns die Aufgabe erheblich erleichtert.
Der erste Schritt ist eine Bestandsaufnahme?
Ja. Zum Beispiel kann ein Unternehmensarchiv auf der Grundlage von klar definierten Kriterien sehr genau analysiert und bewertet werden. Wir hatten eine Checkliste vorbereitet, um die Dokumente nach bestimmten Kriterien zu klassifizieren und dann wurde abgeklärt, welche Dokumente man in Papierform aufbewahren muss, welche in digitaler Form ausreichen und welche in beiden Formen vorhanden bleiben müssen. Die Herausforderung besteht insbesondere bei unstrukturierten Daten. Wer bestimmt die Ablagestruktur und über welche Kriterien sollen die Dokumente wieder gefunden werden?
Welche strategischen Schritte stehen hier im Vordergrund?
Das Vorgehen sieht so aus: Prioritäten setzen und dann in guter Qualität digitalisieren, um rasch den Platzbedarf zu reduzieren. Sortieren kann ich in digitaler Form dann immer noch später. Sei dies automatisiert mit unserer «Capturing Software» IRIS oder manuell am Arbeitsplatz mit Unterstützung unserer Dokumentenbearbeitungssoftware iW360.
Technisch haben wir heute viele tolle Werkzeuge zur Verfügung. Aber dann kommt der Mensch mit seinen unterschiedlichen Kompetenzen, und Arbeitsweisen ins Spiel. Da wird es doch dann richtig schwierig?
Im Moment des Wechsels gilt es von der HR-Seite so viel wie möglich und zeitnah zu kommunizieren. Die Arbeitnehmer erfahren grosse Veränderungen, sie erhalten neue Arbeitsplätze und werden mit neuer Technologie konfrontiert (People – Place – Technology). Wenn in diesen Bereichen etwas nicht stimmt, hat dies sofort Auswirkungen auf die Prozesse und die Kunden bekommen dies zu spüren. Sehr wichtig ist es, jedem einzelnen Mitarbeitenden den konkreten Nutzen der Veränderung zu kommunizieren und den Prozess nahe zu begleiten. Sobald die Mitarbeitenden verstehen, dass die Veränderung Vorteile bringt, bringen sie sich selber ein und dann ziehen alle am selben Strick.
Können Sie das an einem konkreten Beispiel erläutern?
Wenn ich die Software Sharepoint einführe, ist das zunächst eine technische Einführung, die man schnell realisieren kann, wenn man die richtigen Experten hat. Doch wissen die Mitarbeiter wirklich alle genau, was sie tun wenn sie mit der neuen Software arbeiten, haben sie alle einen ähnlichen Kenntnisstand? Ein begleitender Prozess ist wichtig, zwar aufwendig, aber notwendig für eine möglichst reibungslose Implementation. Die Mitarbeiter müssen befähigt werden, diese Plattform zu nutzen und es braucht dazu eine Corporate Compliance im Umgang mit Informationen. Erst wenn der Mitarbeitende den Nutzen der Plattform versteht, ist er bereit, diese auch zu seinem Vorteil zu nutzen.
Hört sich sehr gut an. Oft gibt es aber die Schwierigkeit, dass die Unternehmensphilosophien der beiden Unternehmen sehr unterschiedlich sind und daher von dieser Seite der Misserfolg droht. Eines der historisch bekanntesten Beispiele ist das Scheitern von Daimler und Chrysler. Wie ist das bei Océ und Canon gelaufen?
Solche unterschiedlichen Sichtweisen gibt es immer. Man sprach lange von einer Océ- und und einer Canon-Praxis. Letztendlich geht es darum, die betroffenen Mitarbeitenden immer wieder über den Prozess aufzuklären und ihnen den persönlichen Nutzen aufzuzeigen. Wenn der Punkt erreicht ist, an dem sich Mitarbeitende in den Integrationsprozess einbringen, weiss man, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist. Dies hat bei Canon gut funktioniert, da die Mitarbeitenden die sinnvolle Ergänzung der beiden Unternehmen im Sinne der unterschiedlichen, sich eben ergänzenden Geschäftsfelder erkannt haben. Bei Océ geht es um die Verarbeitung von hohen Volumina und um graphische Lösungen. Bei Canon sind es Lösungen für KMU-Bedürfnisse und im Office-Bereich. Schon daher eignet sich Daimler und Chrysler nicht als Vergleich. Es geht nicht um eine Konkurrenzsituation, sondern um Ergänzungslösungen.
Wie lautet Ihr Fazit der bisherigen Prozesse?
Wenn ein Unternehmen umzieht oder sich modernen Arbeitskonzepten stellen will, kann man gar nicht früh genug mit der Planung beginnen. Die Mitarbeitenden müssen so früh wie möglich in den Prozess involviert werden, um auch ihr Wissen über unternehmensinterne Abläufe mit einbringen zu können.
Digitalsierte Informationen und Prozesse sowie eine zentrale Dokumentenablage unterstützen massiv die geplante Veränderung. Um zu einer selbstkritischen Einschätzung «Wo stehen wir heute?» zu kommen, ist es deshalb von Nutzen einmal in Gedanken umzuziehen.
weitere Informationen: www.canon.ch