Auf dem Areal Suurstoffi in Risch Rotkreuz wächst derzeit Stück um Stück ein neues Quartier, in dem Wohnen, Arbeiten und Freizeitaktivitäten miteinander verbunden sind. Im Endausbau wird die Suurstoffi Raum für 1 500 Bewohner und über 2 500 Arbeitsplätze bieten. Zudem werden rund 2 000 Studierende der Hochschule Luzern und Schüler das Areal frequentieren. Die in Zug ansässige Zug-Estates-Gruppe zeichnet für die integrale Entwicklung dieses zehn Hektaren grossen Quartiers verantwortlich.
Auf dem an der Bahnlinie gelegenen Baufeld entsteht nun ein Bürogebäude in einer Holz-Beton-Verbundkonstruktion. Mit zehn Geschossen über Terrain ist der Bürobau das erste Holz-Hochhaus der Schweiz. Die Baubewilligung wurde am 26. Juli 2016 erteilt. Der Baustart ist Ende August erfolgt; die Baufertigstellung ist für 2018 geplant.
Der Holzbau hat sich nach langer Einschränkung durch die Brandschutzvorschriften vor rund zehn Jahren den Zugang zum Bau grosser Volumen erschlossen. Seither entwickelt sich das neue Segment des mehrgeschossigen Holzbaus mit starken Zuwachsraten. Jedes Jahr entstehen mittlerweile rund 500 Mehrfamilienhäuser mit Holz, oft in gemischter Bauweise.
Mit dem Holzbau hat die Bauherrin Zug Estates AG bereits bei verschiedenen Bauprojekten gute Erfahrungen gemacht. 2010 wurde mit dem Hotel City Garden in Zug das erste viergeschossige Holzhotel der Schweiz eröffnet. Auf dem nördlichen Arealteil der Suurstoffi entstanden von 2013 bis 2014 neun Gebäude mit insgesamt 156 Wohneinheiten im Holzelement- sowie im Holz-Hybridbau.
Die Anforderungen für den jetzt entstehenden Holz-Zehngeschosser sind hoch. Eng gesteckte Termine zwingen zu konsequenter Planung in höchster Präzision, wofür der Holzbau prädestiniert ist. Die gewählte Holz-Beton-Verbundkonstruktion erlaubt eine um vier bis sechs Monate verkürzte Bauzeit, da die einzelnen Elemente im Werk einschliesslich Heiz-, Kühl- und Lüftungskomponenten vorgefertigt werden können.
«Eine unserer Auflagen war, dass die Planer mit Building Information Modeling (BIM) arbeiten», sagt Kim Riese, Leiter Entwicklung & Bauprojekte bei Zug Estates. Im Holzbau sind solche digitalen Planungs- und Prozessketten üblich. Dies begünstigt laut Riese die bekanntermassen kurzen Bauzeiten und die hohe Termintreue des Holzbaus. Im Vergleich zum Massivbau ergäben sich keine höheren Erstellungskosten.
Holz ist nicht mehr benachteiligt
Die bauliche Anwendung von Holz war in der Schweiz lange Zeit vom Brandschutz her eingeschränkt. Bis Ende 2004 waren mit Holz nicht mehr als zwei Geschosse plus Dachausbau erlaubt, was zur Folge hatte, dass zumeist nur Einfamilienhäuser und Kleinbauten aus Holz entstanden. Um diese Sackgasse zu öffnen, baute die Lignum zusammen mit dem Bundesamt für Umwelt BAFU ab 2001 in einem breit angelegten, national und international abgestützten Verbund das Grossprojekt «Brandsicherheit und Holzbau» auf. Es sollte das Brandverhalten von Holz im mehrgeschossigen Bauen erforschen und im Hinblick auf die Anwendung des Materials in diesem Massstab Konzepte für brandsichere Konstruktionen und Bauteile entwickeln.
Eingebunden waren dabei alle massgeblichen Partner im In- und Ausland: in der Schweiz unter anderem die ETH Zürich, die Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau in Biel, die Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen VKF, der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein SIA, die Empa Dübendorf sowie eine Menge Unternehmen der Holz- und Zulieferindustrie. Im Ausland zählten Gewichte wie die MFPA Leipzig, die TUs Braunschweig und München, Holzforschung Austria und Wood Focus Oy (Helsinki) dazu.
Aufgrund der Forschungsergebnisse liessen die Brandschutzvorschriften der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen VKF ab 2005 in der Schweiz Holzbauten neu bis sechs Geschosse zu. Eingeschränkt blieb jedoch die Holzanwendung in bestimmten Nutzungen mit grosser Personenbelegung wie zum Beispiel Beherbergungsbetrieben. In den Jahren darauf stieg der Anteil der baubewilligten Tragkonstruktionen aus Holz im Mehrfamilienhaus-Neubau steil von praktisch null auf heute rund sechs Prozent an. Sechs Geschosse mit Holz sind im Zuge dieser Entwicklung im urbanen Raum praktisch Standard der Holzanwendung geworden.
Die aktuelle, seit 2015 geltende Vorschriftengeneration der Schweizer Brandschutzvorschriften VKF beseitigt aufgrund der positiven Erfahrungen in den letzten zehn Jahren die noch bestehenden Einschränkungen für die Holzanwendung. Bis zu einer Gesamthöhe von 30 Metern können, unter den jetzt geltenden Vorschriften, Wohn-, Büro- und Schulhäuser, Industrie- und Gewerbebauten, Beherbergungsbetriebe oder etwa Verkaufsgeschäfte im Holzbau realisiert werden. Selbst bei Hochhäusern ist die Anwendung von tragenden und brandabschnittsbildenden Holzbauteilen mit brennbaren Anteilen unter bestimmten Rahmenbedingungen neu möglich.
Konkret werden brandschutztechnisch robuste, mit nicht brennbaren Bekleidungen geschützte Holzbauteile der nicht brennbaren Bauweise gleichgestellt. Die Brandschutzbehörden anerkennen damit die Erkenntnisse aus umfangreichen Untersuchungen, die nachweisen, dass die Brennbarkeit eines Baustoffes nicht das massgebende Kriterium ist, sondern die brandschutztechnisch korrekte Ausführung einer Konstruktion einen grösseren Einfluss auf das Brandverhalten hat. Kurz gesagt, hat sich Holz unter den Brandschutzvorschriften 2015 als Baustoff ohne Sonderregelung normalisiert.
Nach dem Inkrafttreten der neuen Schweizer Brandschutzvorschriften 2015 war es nur eine Frage der Zeit, wann das erste Projekt angekündigt würde, das die früher geltende Obergrenze von sechs Geschossen sprengt. Es war der achtgeschossige Neubau des Basler Amtes für Umwelt und Energie AUE am Fischmarkt. Die Basler Stimmberechtigten haben am 5. Juni 2016 den Kredit dafür genehmigt. Mit der Baubewilligung für den zehngeschossigen Bürobau im Suurstoffi-Areal betritt das Baumaterial Holz erstmals in der Schweiz die Hochhaus-Arena.
Weltweit in die Höhe
Nicht nur in der Schweiz, sondern auch international ist ein regelrechtes Wettrennen um das höchste Holzgebäude im Gange. In der norwegischen Stadt Bergen ist vor Weihnachten 2015 das derzeit höchste Holz-Wohnhaus Europas mit Namen «Treet» (Baum) nach 15 Monaten Bauzeit ab Fundament eingeweiht worden. 51 Meter hoch, zählt es 14 Geschosse. Gleich zehn Geschosse mehr als der Norweger «Baum» wird das Holz-Hochhaus «HoHo Wien» aufweisen. Das 84 Meter hohe Gebäude entsteht derzeit in der Seestadt Aspern im Norden der österreichischen Hauptstadt. Der Spatenstich erfolgte am 12. Oktober 2016. Über beide Projekte wurde in bauRUNDSCHAU schon berichtet.
Viele Städte Europas testen die Möglichkeiten des Baustoffs Holz aus, um sich für ein nachhaltiges Wachstum des urbanen Raumes zu rüsten. Dazu gehört neben der Verdichtung des Bestandes, zum Beispiel über Aufstockungen, auch der Schritt in neue Dimensionen. Bereits länger realisiert sind die vier neunstöckigen Holztürme der Via Cenni in Mailand, der achtgeschossige Dornbirner «Life Cycle Tower» oder die Berliner Projekte «E3» und «C13».
Derzeitiger Weltrekordhalter im Bauen mit Holz für Wohnzwecke ist das kanadische Vancouver. Dort feierte das 18-geschossige Studentenwohnheim der University of British Columbia, sogenannt UBC Brock Commons, nach einer Bauzeit von nur drei Monaten am 10. August dieses Jahres Aufrichte.
Baubeteiligte
Bauherrschaft: Zug Estates AG, Zug
Architektur: Burkard Meyer Architekten BSA AG, Baden
Brandschutzkonzept: Makiol Wiederkehr AG, Ingenieure Holzbau Brandschutz, Beinwil am See
Holzbauingenieure: Erne AG Holzbau, Laufenburg
Visualisierung: Zug Estates AG, Zug
Weitere Informationen:
www.lignum.ch