Wer heute Geld anlegen will, braucht einen guten Kompass. Das Modell der Globalisierung, welches uns in den letzten drei Jahrzehnten weit getragen hat, stösst an Grenzen und befindet sich in einem Transformationsprozess. Wer jetzt auf die richtigen Techniken und Innovationen setzt, gehört zu den Gewinnern der Zukunft.
kmuRUNDSCHAU: Es herrscht Niedrigzins und jetzt fast Nullzinspolitik. Die Geldpolitik der Zentralbanken ist weiter expansiv. Nur leider bleibt der Effekt aus: Trotz Geld im Überfluss, trotz der massiven Aufkäufe von Wertpapieren – nicht einmal die Inflation bringen die Zentralbanken noch in Gang. Da sind doch alte Weltbilder zerbröselt.
Ariane Dehn: Bei der Politik der Zentralbanken müssen wir unterscheiden. Am schnellsten haben die FED in den USA und die britische Zentralbank nach der Krise 2007 / 08 reagiert. Sie haben am schnellsten die Zinsen gesenkt und den Bankensektor fast unter Zwang rekapitalisiert. Beide können jetzt auch besser mit der Situation umgehen. Die USA wächst auch wieder. Unsere Experten kommunizieren 2.6 Prozent Wachstum für 2016 und der IWF 2.8 Prozent Wachstum. Auch die Arbeitsmarktdaten haben positiv überrascht. Das hat ja die Spekulationen genährt, es würde im Herbst dieses Jahres eine Zinserhöhung geben. Vielleicht passiert dies jetzt im Dezember 2015 in einem sehr moderaten Sinne.
Die FED-Chefin Janet Jellen sah und sieht die Situation aber offensichtlich deutlich pessimistischer. Der US-Arbeitsmarkt ist beispielsweise lange nicht so gefestigt, wie das auf den ersten Blick aussieht.
Es gibt aber weiter auch positive Signale. Nehmen Sie zum Beispiel die Dividendenausschüttung. Hier stehen die USA im Vergleich zu UK und dem Euroraum besser da.
Aber Sie haben Recht, es gibt Turbulenzen. Das hat aber in erster Linie externe Gründe. Über den Sommer 2015 hatten wir mit einem sehr speziellen Mix zu kämpfen. Was keiner auf der Agenda hatte, waren die Turbulenzen in China. Die Regierung hat ja hier auch massiv eingegriffen. Das hat Fragen aufgeworfen, die die Gesundheit der chinesischen Wirtschaft betreffen. Geht es um einen Strukturwandel, oder besteht tatsächlich die Gefahr einer harten Landung? Das hat doch einige Finanzakteure verwirrt.
Als Sozialwissenschaftler, der historische Zyklen anschaut und vergleicht, hat mich dies nicht so verwirrt. China macht Veränderungsprozesse durch, die Japan in den Sechzigerjahren und Südkorea in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts durchgemacht haben: Man ist nicht mehr verlängerte Werkbank für die Welt, sondern will auf eigenen Beinen stehen.
Ja, das ist richtig und beschert uns volatile Zeiten, nicht nur an den Börsen.
Zu China kommen wir nochmals später. Bleiben wir noch bei der Politik der Zentralbanken. Wo liegt der Unterschied zwischen der Politik der FED und der EZB?
Die EZB hat viel länger gewartet als die FED und ist erst 2012 eindeutig tätig geworden. Vorher gab es ja die Auseinandersetzungen zwischen Jean Claude Trichet und den Verantwortlichen der Deutschen Bundesbank wie Alex Weber, die ja eine andere Strategie fahren wollten. Wir haben in der EU nicht die Homogenität, die eine FED in USA oder auch eine Bank of England im UK hat. Die Eurokrise hat die südlichen Staaten der EU hintereinander hart getroffen, und die EU ist selbst eine sehr heterogene Plattform. Mit der Rede von Mario Draghi im August 2012 in London ist da ein klares Stützkorsett in die vorher labile Situation des Euro eingezogen worden. Die Experten waren ja bis dahin sehr pessimistisch, was den Euro angeht. Draghi hat 2012 zur Politik der FED aufgeschlossen. Interessant ist, dass zwei Lehrbuchweisheiten nicht eingetreten sind. Die Politik der EZB hat bislang weder zu einer massiven Inflation noch massiven Deflation geführt. Es gibt aber deflationäre Tendenzen, da die Rohstoffpreise massiv eingebrochen sind. Darunter haben einige Schwellenländer gelitten. Deren Währungen haben jüngst gegenüber dem US Dollar stark abgewertet.
Das reine volkswirtschaftliche Lehrbuch hat uns die letzten Jahre nicht wirklich geholfen. Kann man dies so zusammenfassen?
Die zentrale Krux in dieser Situation ist, dass die Firmen trotz dieser Zentralbankpolitiken nicht wieder angefangen haben zu investieren und neue Mitarbeiter einzustellen. Das ist das theoretische Lehrbuch.
Was ist praktisch passiert?
Das viele Geld ist in bestimmte Assets gegangen. Zunächst haben, in den ersten Jahren nach der Finanzkrise, die Schwellenländer profitiert. Und dann ist das Geld ab 2013 wieder in die USA zurückgeflossen.
Und heute sprechen einige Experten von einem Anlagenotstand. Die Anleger suchen verzweifelt nach attraktiven Möglichkeiten.
Das ist definitiv so. Wir haben hohe Bewertungen in vielen Obligationsmärkten.
Auch im Immobilienbereich sind die Bewertungen in gewissen Ländern weit gestiegen. Es gibt in einigen Märkten sogar Überhitzungstendenzen. In Nischensegmenten wie bei Kunstauktionen purzeln die Rekorde, was die erzielten Preise betrifft. Da brauchen Sie nur nach London zu schauen. Auch bestimmte regionale Aktienmärkte sind relativ hoch bewertet.
Heisst das, wir können uns wieder auf das Platzen von Blasen einstellen?
Wir sind auf jeden Fall mit einer Situation konfrontiert, wo wir erkennen müssen, dass kaum noch etwas billig ist. Sie müssen erkennen, wo die Überhitzungsmärkte sind, um sie zu meiden.
Kommen wir zum Kernpunkt eines Veränderungsprozesses, der im Gegensatz zu dem oben gesagten auch für Ihre Anleger spannende Perspektiven bietet. Ihr Kollege John Bennett, der den PAN EUROPEAN FUND Ihres Hauses verantwortet, sprach von einem Spiel, welches sich dreht. Rezessionsgefahren im internationalen Handel und gleichzeitig ein Boom von Innovationen. Wie geht das zusammen?
Zunächst geht es um das Erfassen von Zyklen. Viele Anlagegüter sind in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten der Globalisierung in die Schwellenländer gegangen. Nehmen Sie nur die Firmenbeispiele ABB, Holcim, VW oder Siemens. Bauboom und der Aufbau von Infrastruktur und Mobilitätskonzepten des Individualverkehrs für eine wachsende Mittelschicht haben solchen Unternehmen dicke Aufträge beschert. Solche Entwicklungen lassen sich aber nicht ewig weiterschreiben. Es gab lange eine immer steigende Nachfrage.
Und diese Nachfrage schwächelt, und China kommt hier wieder als markantes Beispiel ins Spiel?
China ist hier der Taktgeber und im Wandel. Das Land will nun selbst hochwertige Güter entwickeln und produzieren. Wir sind hier mitten in einer Transformationsphase. Daher wachsen die Exporte der klassischen Industriestaaten nicht mehr automatisch wie in den letzten beiden Jahrzehnten. Die Nachfrage nach Importgütern in China wird in einigen Sektoren zurückgehen, und seine Wirtschaft wird in den nächsten Jahren zudem selbst zu einem Anbieter für hochwertige Produkte wie Anlagegüter
oder Automobile. Das ist ein echter Game Changer.
Wie kann darauf unsere Industrie reagieren?
Die Stichworte heissen Innovation und neue Technologien. Nehmen wir das Beispiel der Automobilindustrie. Wir haben die Skandale bei VW erlebt. Andere Anbieter werden folgen. Bei Audi wackeln gerade einige Posten. Der klassische Verbrennungsmotor, insbesondere der Dieselmotor, stösst an seine Grenzen. Das wurde lange unter dem Deckel gehalten. Die Motoren werden immer leistungsfähiger, gleichzeitig ökologischer und von der Produktion immer effizienter zu produzieren. VW wollte Toyota überholen und Nr. 1 werden. Das war die Botschaft, der alle anderen Aspekte untergeordnet wurden, die in der Realität nicht eingehalten werden konnten. Solch ein Skandal kann aber auch die Chance sein, zu neuen Ufern aufzubrechen. Wer nicht lernt, der leidet. Das
ist das Prinzip der Innovation.
Jetzt brauchen wir ein positives und praktisches Beispiel.
In dem schon angesprochenen PAN EUROPEAN FUND spielt das Thema Smart Car eine wichtige Rolle. Warum? Es geht um die Anbieter von Produkten, die uns hier weiterhelfen, die neuen Antriebstechnologien wie Wasserstoff und / oder E-Mobilität weiterzubringen. Es geht um neue Mobilitätskonzepte, die in zehn Jahren in ein vollautomatisiertes Auto als Massenprodukt münden. Dazu kommen die neuen Businessmöglichkeiten im Rahmen der Sharing-Modelle. Das Automobil wird in zehn, zwanzig Jahren kein individuelles Statussymbol mehr sein. Das ist bei Teilen der jüngeren Generation schon heute im Ansatz erkennbar.
Und was heisst das in unserem zentralen Beispiel China?
Die Smart Cars werden auch ökologischer sein. China gewährt jetzt auch Steueranreize für kleinere Autos und Autos mit schadstoffarmen Antriebsformen. Sie sehen in Peking ja tagelang den Himmel nicht mehr, und die Regierung und Gesellschaft werden massiv umsteuern müssen. Wer hier mit neuen Innovationen und Produkten am Start ist, gehört zu den Gewinnern. Eine Planwirtschaft hat da sehr effektive Hebel, um die Durchsetzung schnell zu beschleunigen.
Eine interessante Aussage einer Marktwirtschaftlerin. Können Sie uns ein weiteres Branchenbeispiel verraten?
Innovation und Technologie werden der Wachstumstreiber sein. Das betrifft nicht nur die Automobilindustrie, sondern beispielsweise auch den Pharmasektor. Es gibt immer mehr individuelle Medikamente, und Schwellenländer wie China kommen immer mehr in die Rolle des Nachfragers. Sie haben eine ist Head of Sale Schweiz bei Henderson wachsende Mittelschicht, die ihre Ernährungsweise verändert und damit tauchen die bei uns schon wohlbekannten Zivilisationskrankheiten auf. Das betrifft zum Beispiel Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Im Pharmabereich hat sich ein Strukturwandel vollzogen. Das war und ist auf den ersten Blick keine einfache Situation. Stichworte dabei sind billigere Generika, zu wenige wirklich neue Medikamente auf dem Markt oder die Zulassungsbeschränkungen im Markt der USA. Das wandelt sich aber nun und gibt uns die Möglichkeit, einen zweiten Blick zu wagen. Pharmaunternehmen konzentrieren sich auf ihre Kernbereiche und haben da inzwischen viele Produkte in der Pipeline. Das betrifft zum Beispiel neue Krebsmedikamente. Krebstherapien sind heute sehr viel effizienter. Da gibt es sehr viel Innovation.
Weitere Informationen:
www.henderson.com