Weil es bundesweit keine einheitliche Regelung darüber gibt, ab wann Veranstaltungen und Messen unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln wieder erlaubt sind und es zudem unklar bleibt, wie Veranstaltungen während der Pandemie besucht werden, werden Online-Events auch über den Sommer und Herbst hinaus auf dem Vormarsch bleiben. Während viele Eventmanager zunächst technische Hürden bei der Umsetzung sehen, lauern die grösseren Herausforderungen laut Maximilian Pohl, Gründer der Eventnet GmbH, vor allem bei der Programmgestaltung von Online-Veranstaltungen: «Das komplette Veranstaltungsformat muss unter Online-Bedingungen neu konzipiert werden. Denn: Im Gegensatz zu Präsenzveranstaltungen lauern online überall Ablenkung.» Damit es beim Event-Teilnehmer zu Hause am PC prickelt, braucht es dem Experten zufolge deshalb vor allem eine dynamische Inszenierung – und die gelingt am Online-Event-Set am besten mit einem Event-Regisseur.
Bei allem gilt: Eine hochwertige technische Ausstattung ist Voraussetzung für den Erfolg von Online-Events. «Die Ton- und Bildqualität muss stimmen, weil der User heute durch Netflix, YouTube und Co. einen hohen Anspruch hat», erklärt Pohl.
Perspektivenwechsel erzeugt Dynamik
Ein Problem bei der Übertragung von Veranstaltungen in die Online-Umgebung ist, dass ein Grossteil der Dynamik auf der Strecke bleibt. Während Besucher von analogen Events einen Wechsel der Perspektiven geboten bekommen, beschränkt sich das Event-Erlebnis online im schlimmsten Fall auf einen statischen Blickwinkel – nämlich den einer Kamera. «Deshalb ist es wichtig, so viel Dynamik in das Geschehen zu bringen wie möglich», weiss Pohl. Um den Live-Stream aufzulockern, sollten Veranstalter deshalb etwa zwischen mindestens zwei oder mehreren Kameraperspektiven wechseln. Pohl: «Je nach Veranstaltung kann es sogar hilfreich sein, einen Kameramann zu beschäftigen, der sich bewegt und damit dynamische Perspektiven ins Spiel bringt.»
Live-Regie: Dirigent des Augenblicks
Laut Pohl macht die Koordination eines Live-Events eine Live-Regie geradezu unverzichtbar, die die jeweils passende Kameraperspektive wählt, Zuschauer-Content einbindet und die Qualität des Streams permanent überwacht. Denn: «Es gibt keine zweite Chance. Wer bei der Live-Sendung mit seiner Veranstaltung nicht überzeugt, dem wenden sich die Teilnehmer einfach ab. Live-Regie bedeutet, vorauszudenken.»
Der grosse Mehrwert einer Live-Regie sei, dass sie das Online-Event auf das Niveau einer TV-Sendung hieven kann. Der Regisseur kann die Perspektive und Einstellungsgrösse stets danach wählen, wie sie zum Inhalt des Programms passen. «Bei mehreren Gesprächspartnern bietet es sich etwa an, immer die Person in Grossaufnahme zu zeigen (shoulder close-up), die gerade spricht. Wenn etwas demonstriert werden soll, lassen sich Gegenstände auf einem Tisch zum richtigen Zeitpunkt gross ins Bild holen», erklärt der Eventnet-Gründer. Bei Präsentationen biete sich etwa ein regelmässiger Wechsel zwischen Präsentationsfolie und Speaker an. «Dadurch bekommt das Event eine visuelle Dynamik und es macht dem Zuschauer mehr Spass, dem Programm zu folgen.»
Alles eine Frage der Vorbereitung: Regieplan, Regiemeeting, Generalprobe
Was leicht klingt, ist in der Praxis eine Frage der Vorbereitung. Eine wichtige Regel lautet: «So wenig wie möglich dem Zufall überlassen, denn der kommt sowieso.» Ein Regieplan kann helfen, eine Übersicht des inhaltlichen Ablaufs des Online-Events zu strukturieren. «Er regelt, wer was wie lange wo genau macht und was dazu audiovisuell gezeigt wird. Und das sollte so kompakt wie möglich verfasst sein», so Pohl.
Ein weiteres zielführendes Instrument sei das Regiemeeting. Ziel: Der Regisseur oder der Show Caller kommuniziert die grosse Idee hinter der Veranstaltung und ermöglicht allen Mitwirkenden eigene Ideen einzubringen und interdisziplinäre Lösungen zu suchen, die dazu beitragen, dass das Veranstaltungskonzept die gewünschte Wirkung erzielt.
«Auch wenn eine Live-Regie zum Einsatz kommt und einige Event-Bausteine nicht planbar sind, ist eine Generalprobe unumgänglich. Bei ihr zeigt sich der gesamte Flow der Show, macht Stolpersteine deutlich, die bei der Planung nicht ersichtlich waren, prüft Redner und Moderator und testet die Technik», resümiert der Online-Event-Experte. Die Generalprobe gebe allen Beteiligten Sicherheit und Routine. Es gilt das alte Theater-Gesetz: «Lieber eine fehlerhafte Generalprobe als eine vermasselte Uraufführung.»