Das Leadership-Buzzwort des Monats OKR steht für eine zeitgemäße Management-Methode mit Potenzial für jedes Unternehmen, vorausgesetzt die kulturelle Reife stimmt. Immer mehr Unternehmen setzen auf OKR. Dabei ist die agile Management-Methode aus dem Silicon Valley nichts völlig Neues.
In den Hochburgen der Softwaregiganten wird sie längst angewandt. Doch wofür steht die Abkürzung? Wie funktioniert OKR? Und für welche Unternehmen eignet sich dieses Management-Tool? Alles über das Führungsmodell und die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Einführung von OKRs, erläutert Matthias Höfer, Experte für HR Transformation und Digitalisierung und Geschäftsführer von Clevis.
Dafür steht OKR: Ziele und Schlüsselergebnisse
Die Abkürzung OKR steht für Objectives and Key Results – übersetzt Ziele und Schlüsselergebnisse. Sie stehen bei diesem Führungs- und Management-Modell im Mittelpunkt. OKR ist ein Prozess von regelmäßigen Zieldefinitionen, Überprüfungen und Anpassungen. Das Besondere: Das Management gibt lediglich die Richtung vor, in die das Unternehmen sich entwickeln soll. Die Ziele werden von der gesamten Belegschaft festgelegt. Jedes Team und/oder jeder Mitarbeitende definieren selbst, welche Ziele und messbaren Ergebnisse sie innerhalb der kommenden drei Monaten erreichen möchten. Diese schreiben sie auf. So können die Teams und Mitarbeitenden laufend überprüfen, ob sie ihren Zielen näherkommen oder etwas an ihrer Vorgehensweise verändern muss. Zudem sind OKRs für alle Führungskräfte und Kolleg:innen jederzeit einsehbar. Damit bietet der OKR-Ansatz ein hohes Maß an Transparenz und Flexibilität. Ein weiterer Vorteil: Die Mitarbeitenden können sich leichter mit den selbstgesetzten Aufgaben und Zielen identifizieren und sind dadurch motivierter.
O steht für Objectives: Welche Ziele möchten wir erreichen?
Beispiel: Im Recruiting begeistern und finden wir mit einem schnellen und transparenten Bewerbungsprozess Kandidant:innen für unser Unternehmen.
KR steht für Key Results: Was müssen wir tun, um unsere Ziele zu erreichen und wie können wir das messen?
Beispiel: In unserer Umfrage zur Zufriedenheit der Bewerber:innen erreichen wir einen Durchschnitt von mindestens 4,5 in der Bewertung.
So funktioniert der OKR-Prozess
Der OKR-Prozess setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Das Kernstück ist ein in der Regel dreimonatiger Zyklus, der sich ständig wiederholt und immer gleich abläuft. Damit der OKR-Zyklus funktioniert, braucht es ein Leitbild, Moals, Objectives und Key Results.
Der Rahmen – das Leitbild
Wer OKR in seinem Betrieb einführen möchte, entwickelt zunächst ein Leitbild. Dazu formuliert die Unternehmensleitung eine Art Richtschnur, die die Vision und Mission des Unternehmens für die kommenden drei bis fünf Jahren zusammenfasst. Das Leitbild gibt den Rahmen für die Formulierung der Moals und OKRs vor. Mission und Vision bleiben aber meist unerreichbar. Sie entsprechen einer Idealvorstellung, der es so nahe wie möglich zu kommen gilt.
Moals – die mittelfristigen Ziele
Moals steht für „Midterm goals“. Sie leiten sich aus dem Leitbild des Unternehmens ab und brechen die Vision und Mission auf mittelfristige Ziele runter. Sie konkretisieren das abstrakte Leitbild und machen es greifbar. Moals geben für ca. 12 Monate Orientierung und legen fest, welche mittelfristigen Ziele für das Unternehmen wichtig sind, um sich langfristig der Mission und Vision anzunähern.
Erreichbare Ziele – Objectives
Objectives sind kurzfristige Ziele, die sich aus den Moals ableiten lassen. Diese werden nicht vom Management vorgegeben, sondern von den Mitarbeitenden selbst und/oder dem ganzen Team definiert. Sie gelten für die Dauer eines OKR-Zyklus und sind sowohl zeitlich als auch inhaltlich erreichbar, kontrollierbar, geschäftsfördernd und haben einen motivierenden Charakter.
Konkrete Ergebnisse – Key Results
Key Results müssen vor allem messbar sein. Sie sind klar definiert und handlungsweisend formuliert. Sie zeigen den Teams und Mitarbeitenden, ob sie auf dem richtigen Weg sind und ob sie ihre Ziele am Ende des Zyklus erreicht haben.
Der OKR-Zyklus
Die Dauer eines Zyklus ist individuell gestaltbar. OKR gibt keine konkreten Termine vor. Bewährt haben sich jedoch quartalsweise Zyklen. Sobald das Leitbild und die Moals festgelegt sind, kann der erste OKR-Zyklus starten. Jeder verläuft in vier Phasen.
Phase 1: OKR Planungsphase
Zu Beginn eines Zyklus werden in einem vier- bis achtstündigen Workshop die Objectives und Key Results für die nächsten drei Monate festgelegt. Dabei sollten maximal fünf Ziele mit jeweils höchstens vier Schlüsselergebnissen formuliert werden. Die Ziele sind qualitativ und ergebnisorientiert, die Schlüsselergebnisse quantitativ und messbar.
Phase 2: Wöchentliche Reviews
Über die Dauer des gesamten Zyklus hinweg findet jede Woche ein kurzes ca. 15-minütiges Meeting statt, bei dem sich alle Beteiligten über die laufenden Prozesse austauschen und bei Problemen diese entsprechend anpassen.
Phase 3: Finaler Review
Am Ende des dreimonatigen Zyklus überprüfen das Management und die Mitarbeitenden im Rahmen eines rund vierstündigen Workshops, inwieweit die gesetzten Ziele erreicht wurden.
Phase 4: OKR Retrospektive
In der vierten und letzten Phase geht es um die kritische Nachbetrachtung des Zyklusverlaufs. Was lief gut? Warum wurden bestimmte Ziele nicht erreicht? Was kann man beim nächsten Zyklus besser machen? Das ca. zweistündige Meeting dient dazu, aus Fehlern zu lernen und die Arbeitsprozesse kontinuierlich zu optimieren.
OKRs: Das sind die Vorteile
Die OKR-Methode ermöglicht einem Unternehmen vor allem, wesentlich fokussierter und effektiver zu arbeiten. Mitarbeitende und Management sind gezwungen, sich darauf zu beschränken, maximal fünf Ziele pro Quartal zu erreichen. In den wöchentlichen Reviews lässt sich zudem rasch erkennen, ob ein Projekt funktioniert oder nicht, und vor allem können die Verantwortlichen schnell reagieren und Prozesse anpassen. Dabei sind alle Vorgänge jederzeit einsehbar und für jeden im Unternehmen transparent. Bei der Bewertung, ob ein Ziel erreicht wurde oder nicht, helfen die Key Results. Sie machen den Erfolg messbar. Und last but not least: Mitarbeitenden fällt es leichter, sich mit selbstgesetzten Zielen zu identifizieren. Das motiviert und erhöht die Zufriedenheit.
Die Vorteile auf einen Blick:
- Fokussiertes und effektiveres Arbeiten
- Agile Strukturen
- Maximale Transparenz
- Messbarkeit des Erfolgs
- Motivierte und zufriedene Mitarbeiter
Die Risiken
Das OKR-Modell eröffnet Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten, vorhandene Potenziale zu erschließen. Für einige ist OKR auch ein Erfolgsrezept. Aber es gibt auch Hürden und Risiken, denen man bei der Umsetzung besondere Aufmerksamkeit schenken sollte. Wichtig ist, dass Führungskräfte und Mitarbeitende das Modell zunächst verstehen. Verbunden mit neuen Fähigkeiten muss jeder erst den Ansatz der Methode innerlichen.
Entscheidend für die Wirksamkeit von OKRs ist, dass das Management einstimmig „Ja“ zu dieser Methode sagt und alle Mitarbeitenden in diesem Prozess mitgenommen werden. Nur Inhalte verordnen, funktioniert nicht! Ebenso kann die Formulierung der Ziele und Key Results mitunter schwierig sein und einige Zeit in Anspruch nehmen. Gerade zu Beginn muss ein Unternehmen viel Energie in die konkrete Ausarbeitung der Objectives und Key Results stecken. Denn wenn die Ziele zu hochgesteckt sind und nicht annähernd erreicht werden, entsteht Frust und Unzufriedenheit in der Belegschaft.
Sind Sie bereit für OKR?
Das OKR-Managementverfahren eignet sich insbesondere für Unternehmen, die sich in kürzester Zeit Veränderungen und neuen Marktanforderungen anpassen müssen. In großen Unternehmen sorgt das OKR-Tool vor allem für mehr Transparenz und Standardisierung über alle Hierarchieebenen hinweg. Aber auch kleine Unternehmen profitieren von OKR. Denn je knapper Ressourcen sind, desto wichtiger ist es zu entscheiden, wo man sie investiert und was dabei rauskommen soll. Ob OKR ein geeignetes Managementverfahren für Ihr Unternehmen ist, ist allerdings weniger eine Frage der Unternehmensgröße als eine der Unternehmenskultur.
Wer OKRs einführen möchte, muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Mitarbeitende und Führungskräfte sollten der Methode gegenüber aufgeschlossen gegenüber eingestellt sein. Ihre Bereitschaft und Motivation, an der Zielentwicklung des Unternehmens mitzuarbeiten, ist eine Notwendigkeit, damit OKR gelingt. Ebenso sollte die Offenlegung der Ziele aller Teams Abteilungen und Mitarbeitenden als positiv wahrgenommen werden und nicht etwa als Kontrolle oder Überwachung. Ansonsten kann es passieren, dass Ziele im Nachhinein manipuliert oder Ergebnisse geschönt werden. OKRs sollten die Belegschaft motivieren, die Arbeit effizienter zu gestalten und die Leistung zu steigern. Keinesfalls dürfen sie aber zur Beurteilung der Mitarbeiter herangezogen werden.
Fazit
Die OKR-Methode ist ein zeitgemäßes Führungs- und Management-Tool, das den Veränderungen in der Arbeitswelt Rechnung trägt. In Zeiten des digitalen und demographischen Wandels spielt der Einbezug der Mitarbeitenden und die Mitarbeiterbindung eine immer größere Rolle. Denn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen ihre eigenen Arbeitsinhalte und ihre Karriere mitgestalten. Aber auch Arbeits- und Mitarbeiterstrukturen befinden sich im Wandel. Ziele, die am Anfang des Jahres im Fokus standen, können nach kurzer Zeit ihre Halbwertszeit erreicht haben. Zudem ist der interdisziplinäre Austausch wichtiger, denn je. Die Ziele anderer Fachbereiche zu kennen, kann helfen, das große Ganze und die Hintergründe vernetzter Prozesse besser zu verstehen. Dies wiederum trägt dazu bei, die eigene Tätigkeit und damit zusammenhängende Prozesse zu optimieren. Für all diese Herausforderungen bieten OKRs einen geeigneten Lösungsansatz. Um diesen jedoch erfolgreich implementieren zu können, muss ein Unternehmen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Es muss der Methode gegenüber aufgeschlossen sein, einen positiven Umgang mit Transparenz pflegen und es darf OKRs nicht für Mitarbeiterbeurteilungen heranziehen. Kurz: die Unternehmenskultur muss passen.