Frauen gehören an den Herd und der Mann macht Karriere – das ist doch tempi passati – also längst überholt? Mit der Beraterin und Unternehmerin Clivia Koch führten wir dazu ein Interview und schauten, wie es mit Frauen in Führungspositionen wirklich aussieht. Das Fazit: hier liegt noch viel Potenzial.
Immer noch gibt es sehr viel mehr Männer als Frauen in Führungspositionen –
und dass, obwohl heutzutage beide Geschlechter mit gleichwertigen Hochschulabschlüssen und Berufserfahrungen aufwarten können. Oft fallen junge Paare, kaum ist das erste Kind da, wieder in veraltete Rollenbilder zurück. Hier gilt es noch, gewisse Vorurteile abzubauen und mit gutem Beispiel voranzugehen. Für Clivia Koch von der Koch Pohl Consulting GmbH ist es ausserdem bedeutend, Frauen – aber auch junge Männer – richtig auf ihre Rolle als Führungspersonen vorzubereiten.
Der Philosoph Hegel war der Meinung, wenn Frauen an der Spitze der Regierung stehen, so sei der Staat in Gefahr, denn sie würden nicht nach den Anforderungen der Allgemeinheit handeln, sondern nach zufälliger Neigung und Meinung. Wie stehen Sie dazu in Bezug auf Frauen in Führungspositionen?
Clivia Koch: Grundsätzlich sind Frauen bei der Arbeit sachbezogener als Männer und führen etwas beziehungsorentierter. Die Unterschiede sind aber minimal Bei den Männern geht es immer noch nach Hierarchie und Rangordnung, sie verbringen sehr viel Zeit mit politischen Machenschaften, um sich zu positionieren. Die Doppelbelastung Familie und Beruf ist für viele Frauen ein Hindernis. Männer nutzen auch ihre Netzwerke gezielter. Und schon sind wir bei den Klischees. Früher, stand doch vor allem der autoritäre Chef (manchmal auch Chefin) auf dem Siegertreppchen. Während wir heute von kumpelhaften bis patriarchalischen Führungsstilen alles antreffen.
Fakt ist doch, dass Frauen und Männer sich dieser unterschiedlichen Führungsstile bedienen können. Natürlich hängt das von ihren individuellen Einstellungen, Werten, Erfahrung und ihrer Persönlichkeit ab. So können Männer und Frauen gleich kooperativ und manche Frauen sogar autoritärer sein als einige Männer.
Fakt ist: Kluge Unternehmen nutzen die Vielfalt, bei der Männer und Frauen in ausgewogenem Verhältnis vertreten sind, um sich durch das Nutzen von allen Potenzialen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.
Gibt es bestimmte Eigenschaften, die Frauen haben müssen, um im Job das zu erreichen, was ihnen zusteht?
Ich denke, Frauen sind doch etwas teamorientierter und beherrschen den situativen Führungsstil. Das hilft ihnen auch, die Mitarbeitenden oder das Team besser zu beurteilen und richtig einzusetzen. Kooperationskulturen sowie ein situativer Führungsstil sind die Tendenzen der vernetzten und modernen Arbeitswelt der Zukunft. Die Kunst ist ja schliesslich, die Leute nach ihren Fähigkeiten, und Präferenzen einzusetzen, um das Team erfolgreich zu machen. Das kann man anschaulich mit Sport erklären: Ein erfolgreiches Team ist das, was eigentlich jeder Coach im Fuss- ball oder im Mannschaftssport haben möchte – und ein Torwart wird nie gut sein als Mittelstürmer.
Und ist die Frau schon bereit für die Führungsposition?
Ich denke, die Frauen sind genauso bereit wie die Männer. Nur die alten Rollenbilder tauchen noch immer in den Köpfen auf. Wir lernen von unseren Eltern und das prägt uns. Je nachdem wie die Eltern mit Macht und Autorität umgegangen sind, überträgt sich das auf die junge Generation – und das ist nicht immer gut.
Ein bekanntes Phänomen ist, dass gerade in Krisenzeiten Frauen gerufen werden und auch aufsteigen. Vielleicht weil Empathie und Einfühlungsvermögen, Fähigkeit zum Zuhören und zur Zusammenarbeit dann eben genau die Qualitäten sind, die in einer Krise gefragt sind.
Da kommt die nächste Frage auf, ob der Mann überhaupt schon bereit ist für den Wickeltisch.
Genau, im Prinzip müssen beide das wollen. Sicherheit ist ein grosses Thema bei allen Menschen. Männer haben oft Angst, dass sie vom Karriereradar fallen, wenn sie zugunsten der Familie zurücktreten. In der Folge übernehmen die Frauen die ganze Verantwortung in der Familie. Und das geht eben nicht. Man muss sich die Verantwortung wirklich teilen – familiär, aber eben auch jobmässig.
Letztendlich passiert ein Umdenken der Rollenbilder jedoch im Kopf. Lässt sich das durch eine Frauenquote erreichen?
Ich bin da gemischter Meinung. Ich denke, ganz ohne Quote erreichen wir nichts. Andererseits ist es auch nicht gut, dass wir einfach Frauen in die Unternehmen hereinpressen und sie dann verheizen. Weibliches Geschlecht an die Spitze, um öffentlich gut dazustehen ist eine falsche Strategie. Oft bevorzugen Unternehmen Frauen, von denen sie denken, dass sie ihr Image stärken. Dazu sollen sie anpassungsfähig sein und hübsch aussehen. Das war schon zu meiner Zeit so. Diese Frauen bringen dann vielleicht noch nicht ganz die Qualifikationen mit. Wichtiger scheint mir, die richtige Person am richtigen Platz zu haben. Die Quote betrachtet den Menschen zu wenig als Individuum. Deswegen ist es für mich wichtig, dass diese Frauen gecoacht und begleitet werden. Andernfalls werden sie verheizt. Das ist weder für das Unternehmen noch für die Frauen gut. Ich habe auch von Assistenz bis CEO gearbeitet, aber wir wurden damals viel mehr gecoacht und mitbegleitet. Wir hatten unsere Mentoren. Heute lässt man die jungen Leute – sowohl Männer als auch Frauen – oft alleine. Aber Führung wird ihnen nicht in die Wiege gelegt. Sie müssen die Möglichkeit haben, aus Herausforderungen Chancen zu machen. Sie sollen Fehler machen dürfen, lernen und Erfahrungen sammeln.
Sie bieten Führungs- und Teamentwicklung an – für Männer, aber auch speziell für Frauen in Führungspositionen. Wie kann ich mir das vorstellen?
Bei Einzelpersonen geht es letztendlich um Verhaltensweisen: Wie kann ich mich stärken, wie trete ich gegenüber dem Team auf, was braucht es in der Führung oder bei Unsicherheiten? Es ist wie im Sport: indem ich mehr trainiere, mehr vom gleichen mache, werde ich noch nicht besser. Ich muss meine Technik verbessern. Da helfe und unterstütze ich. Manchmal braucht es auch einfach Sparringpartners, das leistet sich ja im Prinzip jeder Profi im Sport.
Bei Teams geht es kurz zusammengefasst darum, ein gemeinsames Verständnis von Zusammenarbeit und Vorgehensweisen zu entwickeln. Wenn die Teamprozesse stimmen, sind die Ergebnisse einfach besser.
Und wie blicken Sie in die Zukunft, was Frauen in Führungspositionen angeht?
Was wir nicht vergessen dürfen, ist die Demografie: Die Pyramide geht nach oben auf. Dementsprechend haben wir sehr viele ältere Personen, weniger junge Menschen, die nachrücken. An ältere, erfahrene Frauen und ihre Potential wird überhaupt nicht gedacht. Wir sprechen immer nur von den ganz jungen Frauen. Aber den jungen Frauen würde es auch helfen, von älteren profitieren zu können. Ich setze mich für ein Generationen-Miteinander ein. Ältere Mitarbeitende müssen im Arbeitsmarkt integriert bleiben. Im Vordergrund steht der Erhalt und die Entwicklung von Veränderungskompetenz und Agilität sowie die Befähigung im Umgang mit Ambivalenzen. Mit Unsicherheiten haben auch jüngere Menschen Probleme, das zeigt die aktuelle Krise. Dazu muss die Wirtschaft umdenken und neue Denk- und Führungsansätze entwickeln. Es gilt alle Mitarbeitenden zu stärken und arbeitsmarktfähig zu halten. Wir haben ein Potenzial an jungen Frauen, aber auch an älteren, die man nicht sieht und nicht beachtet. Und beides geht nicht. Wir haben in ganz Europa eine Überalterung und unsere Sozialsysteme stehen nicht so gut da, wie uns suggeriert wurde in der Vergangenheit.