Unser Leben, jeder einzelne Tag, jede Stunde ist voller unbewusster Verhaltensweisen, die wir als Führungskräfte in dieser neuen Normalität nicht nur ans Tageslicht befördern, sondern sogar Überlegungen anstellen sollten, wie wir sie aktiv gestalten können. Denn designt man soziale Mikrointeraktionen aktiv, können sie zu wertvollen Bindegliedern einer virtuelleren Unternehmenskultur des neuen Normal werden.
Unterbewusst, unbewusst, unmittelbar
Was tun wir eigentlich, bevor wir uns an den Schreibtisch setzen und den Blick auf den Bildschirm richten? Richtig, wir führen Hunderte sogenannter Mikrointeraktionen aus: Wir winken unterwegs Nachbarn oder Kolleg:innen zu, begrüßen uns gegenseitig mit einem Lächeln auf dem Firmenparkplatz, halten kurzen Small Talk hinter der Eingangspforte. So festigen wir unbewusst die Pfeiler des sozialen Gerüsts, auf denen unser Arbeitsalltag basiert. Das Arbeiten im Homeoffice hat diese sozialen Aspekte des alltäglichen zwischenmenschlichen Umgangs leider weitestgehend verdrängt.
Mikrointeraktionen oder warum das Kleine so wichtig für das große Ganze ist
Gehen wir noch einmal einen Schritt zurück: Eigentlich kommt der Begriff der Mikrointeraktionen („microinteractions“) aus der Technologie-Branche und definiert primär diejenigen Erfahrungen, die in der Interaktion zwischen einem User und einem technologischen Gerät entstehen. Sie bezeichnen die kleinen Details, die in und um die Funktionen herum existieren: Wie können Nutzer eine Einstellung ändern? Wie schalten sie die Stummschaltung ein oder wie erfahren sie, dass sie eine neue E-Mail-Nachricht erhalten haben?
Mikrointeraktionen können aber auch Zwischenmenschliches in einer kommunikativen Interaktion bezeichnen. Sie entstehen automatisch, wenn Menschen miteinander in Kontakt treten. In Meetings oder Konferenzen beispielsweise sagen (non-)verbale Reaktionen wie Zustimmung durch leichtes Nicken mit dem Kopf, Zweifel oder Ablehnung durch das Hochziehen der Augenbraue dem Gegenüber oft mehr als tausend Worte. Ganz unbewusst festigen diese Verhaltensnuancen den Zusammenhalt innerhalb von Teams, fördern Empathie oder bringen thematische Differenzen ans Licht. Kurz: Mikrointeraktionen wirken wie sozialer Klebstoff in den Unternehmen, in denen wir arbeiten.
Nichts ist mehr normal im Neuen Normal
Zusammen mit unseren anderen Führungskräften habe ich mich gefragt, ob wir sicherstellen könnten, dass diese wichtigen Mikrointeraktionen in Zeiten der Verschiebung des Lebens und Arbeitens in den virtuellen Raum nicht verloren gehen. Können wir sie nachbilden, um unsere Mitarbeiter:innen und Kund:innen auch im New Normal zu inspirieren? Im UX-Design haben selbst kleinste Details enorme Wirkung – etwa das grüne Häkchen, welches signalisiert, dass unsere Texteingabe tatsächlich registriert wurde und nicht im Datennirwana verschwindet, sobald wir den Browser schließen. Diesen Details müssen wir uns auch in der neuen Arbeitswelt verstärkt widmen, denn deren Wirkungen könnten einen kollektiven Energieschub auslösen.
Small actions for big changes
Also haben wir uns die neuen Bedürfnisse unserer Mitarbeiter:innen genau angesehen und ein Virtual First Toolkit erstellt, das Unternehmen und Mitarbeiter:innen auf ihrem Weg hin zu mehr Autonomie, Flexibilität und Zufriedenheit unterstützen möchte. Ein Beispiel daraus: Virtuelle und reale Meetings finden nur noch statt, wenn sie die zwei D’s erfüllen: discussion (Diskussion) und decision-making (Entscheidungsfindung). Alles andere können wir über Chats, E-Mails oder ein gemeinsames Paper erledigen. Um aber auch hier nicht in undynamischen Meetings oder Feedbackschleifen festzustecken, haben wir ganz aktuell mit “Capture” ein All-in-one-Tool zur visuellen Kommunikation per screen recording veröffentlicht. Kurze Videobotschaften ermöglichen eine schnellere, lebendige Kommunikation mit dem Team, die persönlichen Nachrichten sorgen für Kontext und eine stärkere Bindung. Schließlich sind uns die Ergebnisse und die Wirkung unserer Arbeit wichtig – nicht die Anzahl der Meeting-Teilnahmen oder Stunden, wir zur Erreichung unserer Ziele auf Schreibtischstühlen saßen.
Die vier wichtigsten Grundbausteine für gelungene Remote- oder auch Hybridarbeit sind meines Erachtens:
- Effektivität: Konzentrieren Sie sich nicht auf 100 Aufgaben gleichzeitig, sondern priorisieren Sie Ihre Ziele jeden Tag aufs Neue. Hier gilt: das Wichtigste zuerst und das im richtigen Modus. Denken Sie an `deep work´-Phasen, in denen Sie konzentriert asynchron arbeiten können sowie an Arbeitszeit, die Sie für synchrone Teamarbeit aufbringen möchten.
- Teamwork: Lernen Sie Ihr Team auch aus der Distanz kennen. Bauen Sie Vertrauen auf und pflegen Sie den zwischenmenschlichen Aspekt der Arbeit. Hier können Team-Workshops oder Coffee Chats in entspannter digitaler Atmosphäre der Schlüssel sein, in denen die Mitarbeiter:innen und die Teammoral im Mittelpunkt stehen und so gute Impulse für mehr Inspiration und Zusammenhalt aufkommen.
- Kommunikation: Remote-Arbeit bedeutet, Tag für Tag ganztags die Gesichtsausdrücke und die Verwendung von Satzzeichen in Chats und Videokonferenzen zu interpretieren. Schreiben Sie also verständlich, machen Sie Konferenzen wirksamer und inklusiver, seien Sie aufmerksam und bereit, Konflikte schnell zu lösen. Bleiben Sie in engem Kontakt mit Ihrem Team und sehen Sie genau hin.
- Wohlbefinden: Achten Sie auf eine ausgewogene Work-Life-Balance. Setzen Sie Grenzen, vermeiden Sie negative Gedankenschleifen durch sofortige Problemlösung. Gestalten Sie Ihre Arbeitstage nach Ihrem Energielevel und nicht nur nach anfallenden Aufgaben.
Und … (Microinter)Action bitte!
Während wir Verantwortlichen letztlich entscheiden, welcher Arbeitsplatzstil für das eigene Unternehmen am besten geeignet ist, sollten die Mitarbeitenden an vielen Stellen Möglichkeiten haben, Feedback zu geben oder Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Wenn Unternehmen die Arbeit und Zusammenarbeit für die nächsten Wochen und die Zeit nach der COVID-Ära planen, sollten sie sich vom alten Status quo verabschieden. Ein Überdenken der Arbeitsplatzgestaltung oder die Einführung neuer Arbeitsformen sollte zu einem idealen Ergebnis für beide Seiten führen: Die optimale Konzentration für Deep Work erreichen zu können und gleichzeitig aber die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt zu verbessern, indem man genug Augenmerk legt auf den wichtigen sozialen Kitt, der die beschriebenen Mikrointeraktionen sind.
Mein Fazit: Der Übergang zu einem verteilten Arbeitsumfeld hat ein neues Paradigma geschaffen. Arbeits- und Privatleben sind stärker miteinander verwoben als je zuvor, so sollten Unternehmen auch neue Arbeitsformen, Produkte und Erfahrungen entwickeln, die ihren Benutzer:innen und Mitarbeiter:innen helfen, diese neue Arbeitsrealität gut zu bewältigen. Die Weichen sind gestellt und die ersten Schritte bereits getan. Jetzt gilt es, sich auf die Feinheiten zu konzentrieren, denn sie sind es, die eine gute Sache zu etwas wirklich Großem und Großartigem machen.
Über die Autorin
Andrea Trapp ist Vice President of Business International bei Dropbox und leitet ihre internationalen Teams aus München heraus. Die diplomierte Wirtschaftswissenschaftlerin und Expertin für Change-Management war 22 Jahre lang – zeitweise im Ausland – in europaweiten Führungs- oder Vorstandspositionen internationaler Tech- und PropTech-Unternehmen tätig. Ihre inhaltlichen Schwerpunkte lagen dabei stets auf den Themen digital Leadership und der Optimierung von Transformationsprozessen. Dabei versteht sie sich als Coach und Mentorin ihrer Teams. Bei Dropbox steht sie als Leitfigur in der aktuellen Transformation zum „Virtual First”-Unternehmen. Mehr zu Dropbox unter www.dropbox.com