Seit dem Brexit ist die Verunsicherung seit Monaten nicht nur auf der Insel mit Händen zu greifen. Der Brexit drückt aber auch die Gewinne von Unternehmen auf dem europäischen Kontinent. Durch die Schwäche des Pfundes haben exportierende Unternehmen nur die Möglichkeit, mit niedrigeren Margen auszukommen oder die Preise in GB anzuheben. Die richtige Alternative zu finden, ist aufgrund der allgemeinen Unsicherheit schwierig, aber dennoch notwendig.
Seit dem EU-Referendum der Briten verlor das Pfund rund zwölf Prozent seines Werts, und die Inflationsrate in GB erhöhte sich seitdem von ca. 0.2 Prozent auf ca. 1.6 Prozent1. In den letzten Monaten hat sich diese Tendenz, wenn auch abgeschwächt, fortgesetzt. Im Endkundengeschäft haben die ersten Unternehmen systematische Preiserhöhungen angekündigt. Automobilhersteller wie PSA-Group (Peugeot) und IT-Unternehmen wie Dell und Hewlett-Packard reagieren mit Preiserhöhungen um zehn Prozent auf die Schwäche des englischen Pfundes2, 3. Es ist zu erwarten, dass viele weitere Unternehmen in den nächsten Monaten ihre Preise für Endkunden erhöhen müssen, um den Einbruch des Pfundes auszugleichen, obwohl dies für die Unternehmen zu einer schlechteren Wettbewerbssituation im Vergleich zu britischen Konkurrenten führt.
Richtige Preisstrategie wählen
Die Schwäche des Pfundes ist von der britischen Regierung bis zu einem gewissen Grad gewollt, um der eigenen Wirtschaft im Export Vorteile zu verschaffen4. Zudem besteht wenig Hoffnung, dass die Briten die Verhandlungen schnell und kompetent aufnehmen können5. Der Kurs des Pfundes wird daher noch einige Zeit niedrig bleiben. Allein um die aktuelle Pfundschwäche auszugleichen, müssten die Preise von Unternehmen aus dem übrigen Europa in Grossbritannien aber um zehn Prozent steigen.
Prof. Oliver Roll, Professor für Preismanagement in Osnabrück, empfiehlt eine schnelle Anhebung der Preise: «Wir raten allen exportierenden Unternehmen, zeitnah auf den veränderten Wechselkurs zu reagieren und Preise möglichst bald anzupassen. Im Moment gibt es durch den Brexit und den Wechselkurs eine gute und nachvollziehbare Begründung für Preiserhöhungen. Forschungen zur Preisfairness haben gezeigt, dass Kunden Preiserhöhungen eher akzeptieren, wenn sie den Grund dafür verstehen können.»
Ob dies möglich ist, ohne dass die Umsätze zusammenbrechen, hängt auch stark von der Konkurrenzsituation ab. Dr. Karsten Konrad, Experte für internationales Pricing bei Prof. Roll & Pastuch – Management Consultants, ergänzt daher: «Wichtig ist es zu analysieren, ob der Wettbewerb vor allem aus lokalen Unternehmen aus GB oder aus internationalen Unternehmen besteht. In einer Situation, in der praktisch alle ausländischen Unternehmen die Preise um ungefähr den gleichen Umfang erhöhen müssen, haben britische Unternehmen und Verbraucher bei Importen wenig Möglichkeiten, auf andere Anbieter auszuweichen.»
Unter besonderem Zugzwang sind auch deutsche B2B-Unternehmen, die vor dem Brexit in GB expandieren wollten und ihre Preisstrategie entsprechend abgestimmt hatten. Preisaggressive Methoden, um die Nachfrage zu erhöhen (Preissenkungen, Rabattaktionen), werden in vielen Branchen weitgehend wirkungslos bleiben. Besonders in den nicht exportorientierten Branchen, wie zum Beispiel in der britischen Bauindustrie, wird die Nachfrage mit Sicherheit niedrig bleiben. Bereits im Rahmen der Finanzkrise 2009 hat sich gezeigt, dass Unsicherheit alle Investitionen zum Stillstand bringen kann. Auch niedrige Preise können diese Entwicklung nicht stoppen oder verhindern.
Konkrete Angebote
Konrad schlägt daher vor, Preiserhöhung und ausgewählte Angebote zu kombinieren, um doch noch etwas Nachfrage anzuregen: «Produzierende Unternehmen, die vor dem Brexit eine Wachstumsstrategie verfolgt haben, sollten die notwendigen Preiserhöhungen ankündigen und gleichzeitig zeitlich begrenzte Angebote zum heutigen, niedrigeren Preisniveau machen.»
Ein Trost für europäische Unternehmen bleibt: Sowohl die EU als auch die Briten sind langfristig an einem reibungslosen Warenverkehr interessiert, da beide Seiten durch jahrzehntelange Kooperation wirtschaftlich stark verflochten sind. Es bleibt daher zu hoffen, dass spätestens 2019 eine Lösung gefunden wird, mit der alle leben können.
Anmerkungen
1) Since Brexit Vote, U. K. Online Inflation Surging After Pound Decline While Economy Stalls, Forbes, 15. August 2016
2) PSA increases UK car prices after Brexit vote, Automotive News Europe, 9. August 2016
3) Brexit: IT-Firmen erhöhen Preise, ZDNet, 14. Juli 2016
4) Gegen Deutschland: Grossbritannien nützt das schwache Pfund als Waffe, Deutsche WirtschaftsNachrichten, 20.8.2016
5) Minister for Brexit David Davis appeared unaware of how EU trade deals actually work, Independent, 14. Juli 2016
Weitere Informationen:
www.roll-pastuch.de