Durch die Digitalisierung entstehen neue Geschäftskonzepte, also welche Leistungen ein Unternehmen wie und für wen und mit wem anbieten möchte. Die am zehnten Unternehmensspiegel Ostschweiz der FHS St.Gallen vorgestellten regionalen Beispiele – digitale Mausefallen, personalisierte Werbeanzeigen oder Blockchain-Immobilienanlagen – belegten, auf welch unterschiedliche Art und Weise und vor allem wie erfolgreich man mit digitalen Technologien Mäuse machen kann.
Man möchte vermuten, dass der Begriff «Digitalisierung» eigentlich den Zenit des Rummels bereits überschritten hat. Der zehnte Unternehmensspiegel Ostschweiz, stattgefunden am 13. März 2019 im Pfalzkeller in St.Gallen, hat aber gezeigt, dass die Digitalisierung kein jemals abgeschlossener Veränderungsprozess sein wird. Digitalisierung kann auch als Überbegriff für neue Werkzeuge verstanden werden oder um es als Vergleich auszudrücken: Die Digitalisierung ist die Maschine und während diese früher über Dampf angetrieben wurde, führten Innovationen zu Brennstoff- oder Elektroantrieben, welche die Energie aus Diesel oder der Sonne gewinnen. Auch wenn sich die Maschinen verändert haben, sind sie immer noch präsent und der Veränderungsprozess der Maschinen wird wohl nie wirklich vorbei sein.
Welche neuen Werkzeuge es gibt, die wiederum ein neues Arbeiten oder einen neuen Geschäfts- und Kundennutzen bedeuten, wurde anhand von einer Vielzahl von lokalen Beispielen von Prof. Dr. Rigo Tietz, Leiter des Kompetenzzentrums Strategie & Management am Institut für Unternehmensführung der Fachhochschule St.Gallen (IFU-FHS), aufgezeigt: Darunter waren auch die Mausefallen von Parametric: Unternehmen der Lebensmittelbranche haben strenge Hygienevorschriften. Gleichzeitig geben Tierschutzbestimmungen vor, wie Mäuse gefangen werden müssen und wie lange sie in der Falle bleiben dürfen. Die Mausefallen von Parametric sind ein Produkt des Internets der Dinge (Internet of Things), welches erkennt, wann eine Maus gefangen wurde und nur für die Fallen mit bestätigtem Fang eine Bearbeitung anfordert. Dadurch entfällt eine potentiell beachtliche Anzahl von Arbeitsstunden: Selbst bei nur drei Minuten Arbeit pro Mausefalle entsteht für zehn Fallen einen jährlichen Aufwand von mehreren hundert Stunden Arbeitszeit und mehreren Tausend Franken Kosten.
Etwas Zusätzliches zu etwas Bestehendem
Im KMU-Spiegel 2017 des IFU-FHS erkannten in der Digitalisierung 43 Prozent der Antwortenden eine Chance in der Entwicklung und Umsetzung neuer Geschäftskonzepte. Hierbei handelt es sich oft um etwas Zusätzliches zu etwas Bestehendem: Es gibt ein Produkt (Auto), welches vernetzt wird (das Auto kann über eine Internetlösung gemietet werden). Die durch die Nutzung generierten Daten ermöglichen eine Optimierung (das Auto übermittelt Reiserouten, womit antizipiert werden kann, wie viele Autos wo benötigt werden) und schlussendlich wird ein Geschäftskonzept ermöglicht, welches in einem intelligenten, vernetzten Ökosystem integriert ist (auf der Karte, die zum Aufschliessen der Fahrzeuge verwendet wird, können auch Fahrkarten oder Skitickets abgespeichert werden). Diese Kaskade zeigt, welche Chancen in einem digitalen Geschäftskonzept stecken (Datenauswertung, Vermittlung von Angebot und Nachfrage), wobei Rigo Tietz noch weitere aufgeführt hat, zum Beispiel, dass digitale Technologien Tätigkeiten und Routineaufgaben verringern und somit Aufwand und Kosten sparen können.
Während die Datensicherheit bei den oben erwähnten Mausefallen wohl noch kein Thema ist, so zeigte die Überwachung der Reiserouten oder das Beispiel von Advertima, dass der Digitalisierung auch etwas Unwohles anhaftet: Mittels visuellen Sensoren betrachtet das Produkt Personen zum Beispiel in einem Einkaufszentrum, erkennt mittels eines Algorithmus Geschlecht und Alter der Person und zeigt für diese Person passende Angebote auf den Werbeflächen, an denen die Person vorbeischreitet. Danach kann die Software die Person «verfolgen», zum Beispiel um zu überprüfen, ob die Person ein angezeigtes Angebot danach im beworbenen Laden nachfragt. Zur Beruhigung lässt sich hier das sehr strenge Schweizer Datenschutzgesetzt erwähnen, welches sicherstellt, dass die individuellen Daten sofort wieder gelöscht werden und ausschliesslich zusammengefasste «Metadaten» behalten und mit den Kunden geteilt werden.
Die strengen Schweizer Vorschriften waren auch ein Thema in der von Prof. Dr. Roland Waibel, Leiter IFU-FHS, geleiteten Podiumsdiskussion zwischen Dr. Michael Steiner, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Acrevis Bank AG, St.Gallen und Domenic Kurt, CEO von Crowdli und Crowdlitoken AG, Frauenfeld, wobei letzteres Unternehmen mittels der Blockchain-Technologie Investitionen in Immobilien ermöglicht. Die Acrevis investiert 20 Millionen in die Digitalisierung und Automatisierung, wobei sie die Priorität nicht bei den Prozessen, sondern bei der «Kundenschnittstelle» legt: Sie möchte den Kunden so viel Freiheit wie möglich bei der Bewältigung ihrer Bankgeschäfte bereitstellen. Wie Michael Steiner erklärt, sei zwar zu erwarten, dass diese Möglichkeiten von den Kunden je länger je mehr verlangt werden, was aber generell bei Digitalisierungsprojekten der Fall sei, man wisse nicht, wann der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist; wann sich eine Technologie durchsetzt. Und ist man zu früh oder zu spät, schadet das dem Unternehmen. Die zweite, Unsicherheit auslösende Thematik ist, dass man nicht weiss, welche technologischen Lösungen sich durchsetzen und langfristig bestehen werden.