Work-Life-Balance, gutes Gehalt und Homeoffice stehen bei Bewerbenden und Mitarbeitenden oft an erster Stelle. Doch echte Zufriedenheit entsteht durch Sinnhaftigkeit, Wertschätzung und nachhaltige Entwicklungsmöglichkeiten. Unternehmen, die darauf setzen, investieren langfristig in engagierte und resiliente Teams.
Autorin_Anja H. Förster
Klingt vernünftig, oder? Schliesslich leben wir in einer Zeit, in der sich die Werte verschoben haben. Arbeiten, um zu leben, lautet das neue Credo, während frühere Generationen noch lebten, um zu arbeiten. Die junge Arbeitswelt will Träume nicht erst nach der Pensionierung erfüllen, sondern hier und jetzt. Sie fordert Wertschätzung und eine Unternehmenskultur, die nicht das Gefühl vermittelt, nur eine Ressource zu sein. Das klingt gut – das klingt fortschrittlich.
Doch wie zeigt ein Unternehmen wirklich Wertschätzung? Mit überzogenen Gehältern, einer verzerrten Work-Life-Balance, Homeoffice für alle und der Vier-Tage-Woche? Ist das wirklich alles? Oder ist das zu kurz gedacht?
Sinn statt Zückerli
Arbeitnehmende wollen mehr als nur Benefits. Sie wollen Sinn. Sinnhaftigkeit ist der wahre Treiber – egal in welchem Job. Die Kassiererin, die mit einem Lächeln die Laune der Kundschaft hebt. Der Busfahrer, der mit einem freundlichen Gruss die Stimmung aufhellt. Jeder Job braucht Sinn, und Sinn braucht jede*r von uns.
Doch wir stehen vor einer bitteren Wahrheit: Die nächste Generation kann nicht mehr automatisch mit einem besseren Leben rechnen als ihre Eltern. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen machen es unmöglich. Also müssen wir den Menschen etwas anderes bieten. Und nein, nicht mehr «Zückerli».
Weiterentwicklung statt Sparmassnahmen
Die persönliche Weiterentwicklung ist ein unschätzbares Gut – doch sie ist auch das Erste, das gestrichen wird, wenn es ans Sparen geht. Seminare und Workshops landen oft unter den Kürzungen, weil ihre Wirkung auf den ersten Blick überschaubar erscheint.
Doch woran liegt das? Ein Grund: die Ebbinghaussche Vergessenskurve. Schon 1880 bewies der Philosoph und Psychologe Hermann Ebbinghaus, wie schnell wir Informationen vergessen: Nach 20 Minuten sind noch 60 Prozent abrufbar, nach 60 Minuten nur noch 45 Prozent und nach 24 Stunden 34 Prozent. Nach sechs Tagen bleibt oft nur ein Viertel.
Kurzfristige Schulungen mögen sinnvoll sein, um Methodenkompetenzen zu vermitteln – etwa den Umgang mit einem neuen Computerprogramm. Doch wenn es darum geht, Verhalten langfristig zu verändern, greifen sie zu kurz.
Resilienz – ein Beispiel für echtes Lernen
Nehmen wir Resilienz als Beispiel. Sie ist eng mit der Work-Life-Balance und dem Wunsch nach Homeoffice verbunden. Natürlich kann man an einem Nachmittag vermitteln, was Resilienz bedeutet. Aber das war’s dann auch.
Wollen wir wirklich etwas bewegen, reicht es nicht zu fragen: «Wie resilient bist du?» Die Frage muss lauten: «Was gilt es zu verändern, um resilienter zu werden?» Und um das zu beantworten, braucht es Daten und Analysen, zum Beispiel eine wissenschaftliche Messung der Resilienz. Erst wenn wir wissen, wo jemand steht, können wir entscheiden, was gebraucht wird – individuell, im Team oder auf Unternehmensebene.
Ein Nachmittagsworkshop reicht hier nicht. Wer Resilienz wirklich stärken will, braucht eine langfristige Begleitung. Es geht darum, der Ebbinghausschen Kurve entgegenzuwirken. Sonst haben die Kritiker recht, die solche Seminare als reine Zeit- und Geldverschwendung abtun. Vielleicht lohnt es sich, genauer hinzuschauen, bevor die nächste Massnahme verpufft.