Interview mit Tino Krattiger von Niggi Freundlieb
Vom 28. Juli bis 15. August 2015 verwandelt das «Kulturfloss» wieder das Kleinbasler Rheinufer bei der Mittleren Brücke in Basels stimmungsvollste Open-Air-Konzertarena. Einer der Höhepunkte wird zweifellos der Auftritt der Berner Mundartpioniere «Span» sein, welche dieses Jahr ihr 40-Jahr-Bühnenjubiläum feiern. Dank Sponsoring und Beiträgen zahlreicher Basler KMU und Institutionen sowie freiwilligem Obulus der Besuchenden können die Konzerte hochkarätiger lokaler, regionaler und nationaler Künstler und Bands gratis besucht werden.
Das aus dem Theaterfloss hervorgegangene Projekt «im Fluss» wird vom Initianten Tino Krattiger und seiner Crew dieses Jahr zum 16. Mal durchgeführt. Breites stilistisches Spektrum, aussergewöhnliche musikalische Begegnungen und publikumsnahe Unterhaltung, gepaart mit gastronomischen Angeboten und hoher Aufenthaltsqualität direkt am Rhein – die Vision Tino Krattigers, wie der öffentliche Raum undogmatisch, den Bedürfnissen der Menschen entsprechend bespielt und vor allem be- und gelebt werden kann, gilt mittlerweile weit über die Stadtgrenzen hinaus als Vorzeigebeispiel auf privater Initiative basierender, urbaner Kulturgestaltung.
Im Gespräch mit dem GESCHÄFTSFÜHRER relativiert Tino Krattiger sofort Begriffe wie «Kulturgestaltung» oder «Kulturvermittlung» im Zusammenhang mit dem Projekt «im Fluss», denn ihm geht es vor allem auch darum, den öffentlichen Raum der Bevölkerung zurückzugeben und zu beleben, wie ihm dies auch im Bereich der seit dem neuen Basler Verkehrskonzept leblosen Rheingasse vorschwebt.
GESCHÄFTSFÜHRER: Was haben Sie gegen den Begriff «Kultur» im Zusammenhang mit dem Projekt «im Fluss» einzuwenden?
Tino Krattiger: Ich möchte hier nicht eine Diskussion, was nun Kultur ist oder nicht, was sie bezwecken soll oder für wen sie da ist, führen. Natürlich bietet «im Fluss» eine Menge Kultur, aber meine Intention ist es vor allem, dass jeder und jede ans Rheinufer kommt, ohne gleich in den Verdacht zu geraten, explizit an eine kulturelle Veranstaltung zu gehen …
… sondern?
… an einen Ort im öffentlichen Raum, wo man feiern, geniessen, sich wohlfühlen und wo man gemeinsam ein paar tolle Stunden verleben kann, ohne gesellschaftliche Zwänge und Unterschiede. Mit einem gewissen Stolz darf ich behaupten, dass «im Fluss» quasi eine klassenlose Veranstaltung für Musikbegeisterte jeglichen Alters, Festfreudige, Anwohner und die Bevölkerung ist. Besonders freut mich auch, dass die uns unterstützenden KMU «im Fluss» auch als Netzwerkanlass nutzen und ihre Kunden und Geschäftspartner ans Rheinbord einladen.
Die Belebung des öffentlichen Raums ist Ihnen auch als Bewohner der Rheingasse und als Mitglied der IG Rheingasse ein Anliegen. Wieso ist das denn, jetzt nachdem das neue Verkehrskonzept die diesbezüglichen Voraussetzungen geschaffen haben soll, nötig?
Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Politik oder die Verwaltung allein durch das Inkraftsetzen von neuen Vorschriften eine Belebung des öffentlichen Raumes erreicht. Ein Augenschein im Kleinbasel nach der Einführung des neuen Innenstadt-Verkehrskonzeptes ergibt momentan ein tristes Bild. Die betroffenen Strassenzüge sind zwar mehrheitlich autofrei, aber auch sonst weitgehend unbelebt. Wir wollen das ändern und die eigentlich in früheren Zeiten klassische Beizenmeile Rheingasse neuen Boulevardflächen wieder beleben, aber auch sonst, zusammen mit den Anwohnern und den hier ansässigen Unternehmen, für Aktivitäten sorgen und den fast schon dörflichen Charakter der Rheingassen wieder auferstehen lassen. Einen ersten Erfolg konnten wir bereits verzeichnen: Unser Vorschlag, die hässliche, 50-Meter lange Mauer zwischen Arbeitsamt und Brunnen abzureissen, damit rund um den Brunnen ein neuer Platz entsteht, ist im Baudepartement auf offene Ohren gestossen.