Stehen Führungskräfte vor einer komplexen IT-Entscheidung, greifen sie häufig auf heuristische Verfahren zurück: Simple Methoden oder Gedankengänge, die es ihnen erleichtern, eine Antwort auf komplexe Fragestellungen zu entwickeln. Eine immer wiederkehrende Frage für zahlreiche Unternehmen ist, ob wichtige Softwareanwendungen als Produkt gekauft oder selbst entwickelt werden sollten. Auch hier gibt es eine bekannte Faustregel: Entwickle das, was das Unternehmen von der Masse abhebt, kaufe den Rest.
Diese nützliche Grundlage ignoriert jedoch drei Faktoren, welche die Entwicklung von Software beeinflussen.
1. Es fallen Opportunitätskosten an
Die Arbeitszeit, die Entwickler in die Programmierung eines benutzerdefinierten Projekts stecken, könnte an anderer Stelle für die Entwicklung von neuen Produkten eingesetzt werden, die unternehmerischen Wert liefern. Aus diesem Grund sollten nicht nur die eigentlichen Ausgaben wie Löhne und Ausrüstung, sondern auch die Opportunitätskosten in Betracht gezogen werden. Denn diese können um einiges höher ausfallen.
2. Software als ein Baustein von vielen
Wirtschaftlicher Nutzen entsteht nicht allein durch die Entwicklung der Software. Eine massgeschneiderte Software, auf der Grundlage einer Reihe von Funktionen, ist lediglich der erste Baustein in der gesamten Wertschöpfungskette. Damit die selbst entwickelte Software gewinnbringend eingesetzt werden kann, bedarf es zusätzlich eines abgestimmten Zusammenspiels von Transparenz, Supportsystemen und flexiblen Abläufen. Wenn zum Beispiel ein individuelles System entwickelt wurde, welches neue Anwendungsfälle nicht erfüllt, erfordert es Transparenz und Agilität, dies zu erkennen und die Software konsequent weiterzuentwickeln.
3. Vermeintliche Unabhängigkeit
Viele Unternehmen sind davon überzeugt, dass sie mit einer selbst entwickelten Software unabhängig sind und damit tun können, was sie wollen. Doch was viele ausblenden, ist die damit einhergehende Bindung von Kapital und die Bindung an eine komplexe Struktur, auch wenn es sich um ihre eigene handelt. So kann es zum Beispiel komplizierter sein, neue Technologien in die Software zu integrieren als bei einer kommerziellen Software. Auch bei der Anzahl der verfügbaren Funktionen können begrenzte Ressourcen bei der Entwicklung ein limitierender Faktor sein.
Softwareanwendungen kaufen oder selbst programmieren, ist keine leichte Entscheidung. Doch klar ist, dass Heuristik und ein einfaches Regelwerk dafür allein nicht ausreichen. Um die Rentabilität einer Investition erheblich zu steigern, sollten Kosten und Nutzen, wie bei allen anderen IT-Entscheidungen auch, genauestens analysiert werden.
Über den Autor
Als Enterprise Strategist bei Amazon Web Services berät Gregor Hohpe führende Anbieter im Bereich Technologie bei der Transformation ihrer Technologieplattform und ihrer Organisation. Dank seiner Erfahrung als Smart Nation Fellow der Regierung von Singapur und als Chief Architect bei der Allianz SE verbindet er die Unternehmensstrategie mit der technischen Entscheidungsfindung und umgekehrt. Er teilt seine Gedanken zur Architektur und Architekten gerne in seinen Büchern, unter anderem Der Softwarearchitektenaufzug und Cloud-Strategie.
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