Interview mit Thomas Kessler von Niggi Freundlieb
Hat sich der Umgangston in Basel unter den Menschen verschärft? Stimmt die Wahrnehmung, dass die Toleranzschwellen generell tiefer geworden sind? – Für den Leiter der Abteilung Kantons- und Stadtentwicklung im Präsidialdepartement, Thomas Kessler, sind die Antworten auf diese beiden Fragestellungen Gradmesser für das Befinden der Bevölkerung.
Sich als Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben am Wohlergehen und an den Bedürfnissen der Bevölkerung zu orientieren, ist in der baselstädtischen Verfassung festgeschrieben. Und deshalb macht es mehr als Sinn, dass der Kanton gesellschaftliche Entwicklungen und Veränderungen wahrnimmt, das Verhalten der Menschen, ihre Bedürfnisse, ihre Ansichten und was ihnen wichtig ist, kennt.
Entsprechende Einsichten zu gewinnen gehört auch zu den Aufgaben der Abteilung Kantons- und Stadtentwicklung. Sie befindet sich durch zahlreiche Projekte nahe am Puls der Quartiere und der Bevölkerung und nimmt Veränderungen schnell wahr. Und dass es solche Veränderung in der Stimmungslage, oder zumindest in der Tonalität gibt, bestätigt teilweise auch Thomas Kessler im Interview.
«Geschäftsführer»: Stellen auch Sie eine Verwilderung der Sitten oder des Umgangstons in Basel fest?
Thomas Kessler: Von einer Verwilderung der Sitten kann sicher nicht die Rede sein. Aber auch ich stelle fest, dass heute in Diskussionen auf dem politischen Parkett, in den Medien, aber auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen härter auf den Mann und die Frau gespielt wird. Man sollte jetzt aber nicht den Fehler machen, von einer besorgniserregenden «Entwicklung» zu sprechen.
Was erkennen Sie sonst?
In vielen Bereichen unseres täglichen Zusammenlebens konstatiere ich in Basel eine hohe Gesprächskultur und einen toleranten Umgang miteinander. Dennoch sollten wir die Anzeichen und Gründe erkennen, weshalb und wo Konfliktbereiche entstehen.
Wo sehen Sie denn Konfliktbereiche?
Als Leiter der Verkehrskultur-Arbeitsgruppe im Rahmen des Projektes DP Sicura, dem Handlungsprogramm für mehr Sicherheit im Strassenverkehr, kenne ich zum Beispiel das Phänomen des verbal ausrastenden, aggressiven Autofahrers. Gerade im Verkehr wird der Individualismus, der unsere Gesellschaft prägt, auf die Spitze getrieben, und im Verkehr offenbart sich der Charakter des Einzelnen schnell. Auch im öffentlichen Raum zeigt sich Konfliktpotenzial. Ebenso in der politischen Auseinandersetzung oder überall dort, wo Menschen oder ganze Bevölkerungsgruppen für ihre Interessen und Anliegen eintreten, können Konflikte entstehen.
Und wie soll man mit solchen Konflikten umgehen?
Durch gelebte Demokratie und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an politischen Prozessen, wie sie unsere Verfassung ausdrücklich vorsieht, fördert und die entsprechenden Rahmbedingungen dafür geschaffen hat. Nehmen wir das Kleinbasler Freiheitspodium, aus dessen konstruktiven Diskussionen ein grossrätlicher Vorstoss entstanden ist, der zu einer Verlängerung der Betriebsdauer bei den Buvetten, die am Rheinbord zu Orten der Begegnung geworden sind, geführt hat. Ein gutes Beispiel für das Erreichen gemeinsamer Ziele sind auch die Bemühungen der IG Rheingasse, wo sich Bewohner und Gastronomiebetriebe für die Belebung der Rheingasse zusammengetan und kreative Lösungen erreicht haben. Generell möchte ich aber an alle appellieren, in gutbaslerischer, humanistischer und liberaler Tradition nach dem Motto «Leben und leben lassen» vielleicht auch etwas gelassener auf die Herausforderungen des täglichen Lebens zu reagieren, anstatt rechthaberisch die eigene Position als die für alle selig machende Wahrheit durchsetzen zu wollen!
Weitere Informationen:
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