Logistik- und Transportunternehmen brauchen heute hochmoderne und effiziente digitale Lösungen, um weltweit dynamisch mithalten zu können. Gerade für Schweizer Kunden gibt es aber einige spezielle Herausforderungen. Im folgenden Interview mit zwei Verantwortlichen der Dachser Spedition AG sprechen wir die Hürden und Chancen an.
Wer wie ich als Grenzgänger zwischen Freiburg (D) und Basel pendelt, steht nicht selten in einem Lkw-Stau an der Grenze. Der Laie fragt sich immer wieder – verdammt, warum dauert das so lange?
Es gibt doch heute modernste digitale Logistiklösungen. Haben Sie eine Antwort? Urs Häner: Selbstverständlich. Der Grund liegt primär im Nachtfahrverbot für Lastkraftwagen in der Schweiz. Von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens geht gar nichts. Insbesondere an Montagen stauen sich die Lkw an der Grenze, weil in Deutschland ab 00:00 Uhr das Sonntagsfahrverbot endet.Dazu kommt, dass nach wie vor rund 20 Prozent aller Waren an der Schweizer Grenze für die Einfuhr verzollt werden. Das führt zu den bekannten Staus an der Grenze, die nicht nur Sie erdulden müssen.
Da muss ich nochmals nachfassen. Man sieht immer noch Lkw-Fahrer mit dicken Papierbündeln durch die Grenzanlagen laufen. Dabei gibt es heute doch IT-Lösungen. Warum sind diese noch nicht flächendeckend im Einsatz?
Grundsätzlich ist das richtig (lacht). Wir brauchen im Rahmen der Schweizer Einfuhr noch immer Originaldokumente bei der Verzollung. Beim Grenzübertritt müssen die Transitdokumente physisch zum Einscannen vorgelegt werden.
Das ist gesetzlich vorgeschrieben?
Richtig. Sie brauchen zum Beispiel die Handelsrechnungen mit Ursprungsangaben und andere Dokumente in der Originalfassung. Die Zollverwaltung ist daran, die notwendigen Anpassungen in den internationalen Verträgen vorzunehmen.
Das ist aber nicht gerade ein progressives Logistikbild…
…Es zeichnen sich IT-Lösungen zwischen der EU und der Schweiz ab. Da übergebe ich aber gerne an unseren Zollbeauftragten. Mario Caccivio: Zunächst gilt es zu ergänzen, dass selbst die neusten Freihandelsabkommen noch Original-Ursprungsnachweise verlangen. Bei den IT-Lösungen, die technisch eigentlich heute kein Problem mehr darstellen, müssten alle Zollverwaltungen zusammenspannen. Obwohl die EU seit Langem eine Zollunion ist, hat noch jedes Land eigene Gesetze und ITSysteme. Das macht das Ganze extrem komplex.Kleinere Projekte und IT-Lösungen wären aber realisierbar. Beispielsweise könnte man Daten des Ausfuhrdokuments auch für die Einfuhrverzollung in der Schweiz verwenden. Da braucht es aber klar definierte, gemeinsame Prozesse. Und Fragen zur IT-Sicherheit sind ebenfalls zu beachten.
Die Mühlen mahlen langsam?
Urs Häner: Ja. Unternehmensverantwortliche haben die Digitalisierung in ihr Geschäftsmodell integriert, aber die Mitarbeiter oder Dienstleister stehen immer noch mit Papieren am Zoll.
Wie haben denn Sie in Ihrem Hause die Digitalisierung implementiert? Schon bei der Erfassung liegen die Daten in digitaler Form vor. Über eine Importschnittstelle gelangen wir an die wichtigen Informationen. Es geht dann nur noch um die Ergänzung der Einfuhrdeklarationen. Warenbeschreibung, Gewicht der Sendung sowie der Importeur sind im ERP-System bereits angelegt. Das ist eine wichtige Grundlage. Und wir sind dabei, weitere Sendungsdaten digital zu implementieren. Es ist unser Ziel, noch mehr Effizienz in die Prozesse zu bekommen.
In welche Richtung geht das?
Es geht um Ausfuhr- und Warendaten, die wir übernehmen und digital der Zollverwaltung übermitteln können.
Mit welcher Software arbeiten Sie hier?
Wir haben eine eigene ERP-Entwicklung, die auf Speditions- und Logistikbedürfnisse zugeschnitten ist. Diese wird durch eine externe Software für die reine Zollabwicklung ergänzt. Die beiden Software-Lösungen sind durch eine Schnittstelle verbunden und können so barrierefrei kommunizieren.
Man braucht in einer globalen Welt in den unterschiedlichen Ländern Kompetenzen vor Ort. Sie sprechen oft von den Vorteilen einer EU-Verzollung. Was verstehen Sie darunter, und wo genau liegen diese Vorteile?
Mario Caccivio: Eine EU-Verzollung mit oder ohne Fiskalvertretung durch Dachser ermöglicht Schweizer Firmen, als Lieferanten auf Augenhöhe mit solchen aus der EU aufzutreten.Mittels einer eigenen USTID-Nummer oder der eines Fiskalvertreters können Exporte unter bestimmten Voraussetzungen aus der Schweiz an der EUAussengrenze (DE / CH) direkt verzollt werden, auch wenn der Lastkraftwagen eine andere Endbestimmung, zum Beispiel Rumänien, hat. Die Einfuhr in die EU wird sofort erledigt, ohne dass Einfuhrsteuern im Empfangsland anfallen. Die Ware gilt als innergemeinschaftliche Lieferung, auch wenn sie aus einem Nicht-EU-Land wie der Schweiz kommt.
Worin unterscheidet sich Ihr Haus von den vielen Mitbewerbern, die es in der Transport- und Logistikbranche gibt?
Wir haben ein umfassendes Dienstleistungsangebot und pflegen eine enge Bindung zum Kunden. So gibt es innerhalb der Fiskalvertretungen mehrere Angebotsmodule. Es geht immer um die Frage, was der Kunde jeweils braucht, um zu einer passgenauen Lösung zu kommen. Wir arbeiten sehr eng mit den deutschen und schweizerischen Zollbehörden zusammen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch unser LCL-Serviceangebot thematisieren.
Was kann ich darunter verstehen?
Als Marktführer im deutschen und europäischen Stückgutmarkt betreibt Dachser ein dichtes Landverkehrsnetz. Auch in der Seefracht knüpfen wir ein engmaschiges Sammelgutnetzwerk. In diesem Jahr werden 26 neue LCL-Verbindungen (Less than Container Load) aufgeschaltet. Bei sechs bereits bestehenden Diensten erhöht Dachser die Frequenz von 14-tägigen auf wöchentliche Abfahrten.Kunden, auch mit kleineren Volumen, können ihre Importwaren ab Versandhafen vorbehaltlos Dachser anvertrauen. Dabei dürfen sie sich auf eine schnelle, nahtlose Verzollung bei der Einfuhr verlassen. Bei der Ausfuhr sorgen wir für eine reibungslose Exportverzollung.
Aktuell sind wir mitten in einer im wahrsten Sinne des Wortes heissen Klimadebatte. Wie stellt sich Dachser darauf ein?
Urs Häner: Es gibt einige Projekte. Sie betreffen in erster Linie urbane Zentren. So beliefern wir Teile der Stuttgarter Innenstadt CO2-neutral, sprich, mit Fahrzeugen, die einen Elektromotor haben, oder bei kürzeren Verteildistanzen mit Lastenfahrrädern. Diese Projekte wollen wir ausbauen. Wir brechen hier klar in neue Welten auf. Aber das ist eine positive Herausforderung für uns. In der Schweiz fahren wir immer mit der neusten Technologie, sprich, Lkw mit Euro-6-Norm. Zudem setzen wir auf die Bahn, wo es Sinn macht. Die Strecke Zürich – Lausanne – Zürich wird beispielsweise mit der Bahn abgewickelt. Aber es gibt noch Luft nach oben, z.B. eine effiziente Bahnverbindung Basel – Lausanne – Basel. Die Bahn muss letztendlich unsere Bedürfnisse und diejenigen unserer Kunden auch abdecken können.