Die Ergebnisse der diesjährigen KMU-Umfrage bestätigen die Prognosen der Raiffeisen-Ökonomen, die bereits Mitte März wegen Corona eine tiefe Delle in der Schweizer Wirtschaft vorausgesagt hatten. Die Mittelstandstudie verdeutlicht die herausfordernde Situation vieler Schweizer KMU.
In der Schuldenkrise Europas sehen die befragten KMU die grösste Gefahr. Fast zwei Drittel gaben zudem an, stark bis sehr stark von der Corona-Krise betroffen zu sein. Während im letzten Jahr noch gut 70 Prozent der Studienteilnehmenden die damals aktuellen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in der Schweiz als gut oder sehr gut beurteilten, sind es im Jahr 2020 nur noch knapp über 40 Prozent.
Als wichtigste Themen für den Bundesrat werden die Beziehungen zur EU, der Abbau von Bürokratie und die Volatilität der Wechselkurse genannt.
Zwei Drittel der Befragten glauben, dass die ausserordentliche Situation ihr Geschäft nur über einen Zeitraum von knapp zwölf Monaten beeinflussen wird. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen beurteilt denn auch die die künftige wirtschaftliche Lage ihres Unternehmens mit Blick auf die nächsten drei Jahre als gut bis sehr gut.
Urs Gauch, Leiter Firmenkunden und Niederlassungen und Geschäftsleitungsmitglied von Raiffeisen Schweiz, freut sich über diese mittelfristige Zuversicht: «Die Umfrageergebnisse zeigen einmal mehr, wie innovativ die Schweizer Unternehmerinnen und Unternehmer sind. Damit dies so bleibt und sie gegen zukünftige globale Krisen gewappnet sind, empfehle ich den exportorientierten KMU, die Risiken zu minimieren. Zum Beispiel indem sie die Devisen absichern und eine Exportrisiko-Versicherung abschliessen. Nicht absichern ist gleichbedeutend wie spekulieren.»
Die grössten Konjunkturrisiken
Für über 60 Prozent der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer – letztes Jahr waren es noch 30 Prozent – wird die Schuldenkrise Europas als das grösste Konjunkturrisiko der nächsten zwölf Monate eingestuft. Weitere Risiken, die als wichtig beurteilt werden, sind der Protektionismus mit 42 Prozent und das Abkühlen der bilateralen Beziehungen der Schweiz zur EU sowie die globalen Gesundheitsrisiken. Die beiden letzteren sind mit 39 Prozent der Befragten gleich stark gewichtet. Fast ebenso oft genannt werden zudem die nachlassende Exportdynamik mit 38 Prozent und die Volatilität der Wechselkurse mit 36 Prozent.
Neue Einflussfaktoren der Wirtschaft
Die Beherrschung technologischer Trends steht dieses Jahr mit 81 Prozent an erster Stelle der fünf Top-Themen, die von den befragten KMU als wichtigste Einflussfaktoren der Wirtschaft eingeschätzt werden. Zu den bedeutungsvollsten Einflussfaktoren gehören laut Umfrage neu auch Cyber- bzw. Datensicherheit, globale Gesundheitsrisiken, stärkeres Umweltbewusstsein und Disruption globaler Wertschöpfungsketten. Dann erst folgen die wichtigsten Einflussfaktoren der letztjährigen Studie: Unklare politische Rahmenbedingungen, Vertrauensverlust gegenüber (politischen) Institutionen und Vertrauensverlust in die Objektivität der Medien.
Die Politik ist gefordert
Bei den wichtigen Themen für den Bundesrat widerspiegelt sich die weiterhin hohe Bedeutung der Internationalisierung und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit heimischer KMU. Die Volatilität der Wechselkurse wird als sehr hohes konjunkturelles Risiko für die nächsten zwölf Monate gesehen und erhält deshalb bei der diesjährigen Befragung 17 Prozentpunkte mehr als vergangenes Jahr. Das bisher wichtige Thema, eine gute Lösung für die Beziehungen mit der EU zu finden, hat bei den Befragten gegenüber den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren. Während die diesjährigen Studienteilnehmer mehr Engagement des Bundesrates bei der Senkung der Lohnnebenkosten und der Investition in digitale Infrastruktur erwarten, sind die Erwartungen an den Abschluss weiterer Freihandelsabkommen oder an attraktive Rahmenbedingungen und an die Standortförderung gesunken.
Internationalisierung und Export in Corona-Zeiten
Internationalisierung und Export sind wesentliche Erfolgsfaktoren der Schweizer KMU. Gerade in Zeiten globaler Krisen ist es wichtig zu verstehen, wie Unternehmen damit umgehen. Gemäss der aktuellen Studie attestieren 60 Prozent der Befragten, dass die Bedeutung der Internationalisierung in den letzten ein bis zwei Jahren zugenommen hat. Die geografischen Schwerpunkte der Internationalisierung liegen klar im grenznahen Ausland (64 Prozent) und der EU (52 Prozent).
Download «Mittelstandstudie 2020»
Ziel des KMU-Panels war, eine Einschätzung der aktuellen wirtschaftlichen Situation der KMU in der Schweiz zu erhalten und deren Bedürfnisse und Perspektiven in Erfahrung zu bringen. Die Ergebnisse der Studie sollen die KMU dabei unterstützen, die wichtigsten Chancen und Herausforderungen transparent zumachen, um gezielt reagieren zu können. Gerade in aussergewöhnlichen Situationen wie der Corona-Pandemie gilt es, vorauszudenken und Wissen zu teilen. Download der vollständigen Studie unter: raiffeisen.ch/exportstudie
Methodik
Im Mai 2020 haben Kearney und swiss export zum dritten Mal in Folge eine Befragung bei ausgewählten KMU durchgeführt. Dieses Jahr ist Raiffeisen mit dem Raiffeisen Unternehmerzentrum RUZ und der Business Broker AG als weiterer Partner dazugestossen. Der Fokus der diesjährigen Umfrage lag auf den Themen Internationalisierung und Export.
Zur Befragung wurden Kunden von Kearney und Business Broker AG, Mitglieder von Swiss Export sowie des RUZ eingeladen. An der Online-Erhebung beteiligten sich 120 Unternehmen, mit 48 Prozent ist fast die Hälfte davon im verarbeitenden Gewerbe und in der Herstellung von Waren tätig, weitere 15 Prozent beider Erbringung von sonstigen Dienstleistungen, sieben Prozent im Baugewerbe/Bau, 31 Prozent stammen aus dem verschiedenen Branchen. 83 Prozent der teilnehmenden Unternehmen beschäftigen weniger als 100 Mitarbeitende, 16 Prozent zwischen 100 und 1’000 Mitarbeitende und ein Prozent mehr als 1’000 Mitarbeitende. 67 Prozent der Unternehmen sind vollständig im Familienbesitz. Die Stichprobenstruktur ist somit vergleichbar mit den Jahren 2018 und 2019.