Die Patentabteilung des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGE) prüft Patentanträge und führt das nationale Patentregister. Darüber hinaus hat sie den gesetzlichen Auftrag, über die immaterialgüterrechtlichen Schutzsysteme und über den Stand der Technik zu informieren. Alban Fischer, der Leiter der Patentabteilung, erklärt im folgenden Interview, wie er vorgeht und welche Leistungen seine 75 Mitarbeitenden für den Innovationsstandort Schweiz erbringen.
Wie gut verstehen die Schweizerinnen und Schweizer das Patentwesen?
In Branchen wie der Pharmaindustrie, aber zunehmend auch in der Hochschul-, Innovations- und Start-up-Szene wird der Schutz von geistigem Eigentum höchst professionell gehandhabt.
Was ist mit all jenen, die nicht täglich mit geistigem Eigentum zu tun haben?
Den meisten Leuten ist klar, dass griffige Schutzrechtesysteme für eine innovative, exportorientierte Volkswirtschaft wie die Schweiz von hoher Bedeutung sind. Aber die rechtlichen, wissenschaftlichen und vor allem wirtschaftlichen Aspekte des Schutzrechtesystems müssen immer wieder erklärt und begründet werden. Deshalb leisten wir viel Aufklärungsarbeit; mit begleiteten Patentrecherchen für Laien, Publikationen, Schulungen und Auftritten auf Veranstaltungen.
Für konkrete Fragen betreibt das IGE ein Contact Center. Wie oft wird gefragt, ob die unwissentliche Nutzung von fremdem geistigem Eigentum strafbar ist?
Das kann ich nicht aus dem Stegreif sagen, aber es kommt vor.
Wie lautet die Antwort?
Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Bei Streitfällen zu Intellectual Property erfolgt die Strafe aber nie von Amtes wegen. Die Verletzung des geistigen Eigentums Dritter ist ein Antragsdelikt. Der Rechteinhaber muss auf sie aufmerksam werden und dagegen vorgehen.
Das IGE beschäftigt mehr als 50 Patentexperten in den Bereichen Physik und Elektronik, Chemie, Ingenieurwesen und Life Sciences. Welche Leistungen erbringen sie?
Zum einen sind sie für die Prüfung der Patentanmeldungen zuständig. Zum anderen können sie aus einer praktisch beliebigen Zahl von Patentschriften Daten extrahieren und sie für den Kunden aufbereiten. Zwei Begriffe spielen eine zentrale Rolle: Freedom-to-Operate (FTO) und Neuigkeitsprüfung. Mit einer Neuigkeitsrecherche kann ein Erfinder verhindern, dass er in eine Erfindung investiert, die bereits einmal irgendwo auf der Welt gemacht wurde. Mit einer FTO-Abklärung stellt er sicher, dass er mit seinen Aktivitäten nicht die Rechte Dritter verletzt.
Das IGE unterstützt Unternehmen auch in strategischen Fragen. Was haben Sie einem Manager zu bieten?
Das Zauberwort heisst Metainformation. Patentinformation ist viel mehr als die Offenlegung einer Erfindung oder eines neuartigen Verfahrens. Es enthält auch Informationen über den Besitzer des Patents, über dessen Herkunft, über die Erfinder oder das technische Gebiet der Erfindung. Betrachtet man nun nicht nur eine einzelne Patentschrift, sondern zum Beispiel das Patentportfolio einer Firma oder eines Landes, so lassen sich zusätzliche Informationen gewinnen.
Können Sie uns da ein Beispiel verraten?
Ein erfahrener Patentrechercheur kann herausfinden, auf welchen Gebieten der Inhaber eines Patents sonst noch forscht. Oder er kann der Frage nachgehen, welche Partnerschaften der Inhaber eingegangen ist. Und weil Patente immer nur in bestimmten Ländern und Regionen gelten, lässt sich sogar mit einiger Sicherheit sagen, in welchen Märkten der Patentinhaber tätig ist. Darüber hinaus lassen sich generelle Informationen über Partner und Mitbewerber gewinnen. Wir reden hier von klassischer Business Intelligence.
Auch einige Patentanwälte und Informationsbroker bieten Patentrecherchen an. Wie grenzen Sie sich von Ihnen ab?
Die privaten Anbieter arbeiten mit den gleichen Basisinformationen wie das IGE. Auf dem ‒ oft grenzüberschreitenden ‒ Markt für kommerzielle Recherchen sind wir unter dem Markennamen IP Search ganz normale Mitbewerber.
Im Gegensatz zu den Privaten nehmen Sie aber jährlich Gebühren in Höhe von rund 50 Millionen Franken ein…
Was die Verwendung von Gebührengeldern betrifft, so unterscheidet der Gesetzgeber klar zwischen den kommerziellen Dienstleistungen und dem Informationsauftrag. Unsere kommerziellen Dienstleistungen müssen kostendeckend sein; sie dürfen nicht quersubventioniert werden, was übrigens dazu führt, dass wir am Markt einer der teuersten Anbieter sind. Die Gebühreneinnahmen sind reserviert für unsere hoheitlichen Dienste für den Innovationsstandort Schweiz. Mit diesem Geld betreiben wir eine kostenlose Auskunft. Oder wir teilen unser IP-Know-how mit Behörden, Hochschulen und anderen Non-Profit-Organisationen.
Ein Angebot, das sich direkt an die Erfinder wendet, ist die begleitete Recherche. Worum geht es?
Wir haben die begleitete Recherche vor 14 Jahren eingeführt, weil wir gesehen haben, dass es für die Vermittlung von Basisinformationen keine kommerziellen Angebote gibt. Jeder Erfinder, Forscher, Start-up- oder KMU-Vertreter kann hier am IGE seine Fragen zum Patentsystem stellen und mit einem unserer Experten die einschlägige Patentliteratur durchforsten.
Wie würden Sie die Antragsteller charakterisieren?
Viele arbeiten an der Schnittstelle von Hochschule und Firmengründung. Wir können wieder beim Nationalen Forschungsschwerpunkt NFS «Chemische Biologie» anknüpfen. In einem der Bootcamps bekam der Aargauer ETH-Ingenieur Daniel Steitz einen ersten Einblick in die Qualität seines Patentportfolios. Später gründete er ein Start-up und kam für einen Tag nach Bern.
Was interessierte ihn?
Er und sein Team arbeiten auf dem Gebiet der metallorganischen Gerüstverbindungen (MOF) – eine neue Stoffklasse, der Experten ein enormes Potenzial voraussagen. Mein Kollege Christian Moser zeigte in einer sogenannten Umfeldanalyse unter anderem auf, wer die potenziellen Mitbewerber sind.
Wie erleben Sie die KMU in der Schweiz?
Viele sind zwar hochinnovativ, verfügen aber nicht über eine systematische und dokumentierte IP-Strategie. Ausserdem sind sie im Tagesgeschäft stark auf die vor- und nachgelagerten Unternehmen in der Wertschöpfungskette fokussiert. Der Helikopterblick auf den sehr oft dynamischen Stand der Technik kommt mitunter zu kurz.
Reicht es nicht, wenn KMU das IGE oder einen Patentanwalt um Rat fragen, wenn sie ein konkretes IP-Problem haben?
Wer sich ‒ um ein Beispiel zu nennen ‒ erst um das Thema Schutzrechte kümmert, wenn eine Abmahnung des Mitbewerbers ins Haus flattert, hat in der Regel schon viel investiert. Dieses Geld ist unter Umständen verloren.
Was raten Sie in einer solchen Situation?
Eine einvernehmliche Lösung im Rahmen eines Lizenzabkommens mit dem Inhaber des fraglichen Patents ist nie ausgeschlossen. Doch eine Lizenz hat ihren Preis. Deshalb gilt grundsätzlich: Je früher im Innovationsprozess auch die rechtlichen Aspekte des IP-Schutzes mitberücksichtigt werden, desto günstiger kommt es am Ende. Patentwissen ist Geld wert. Diese Botschaft muss noch besser gehört werden.
Tipps zum Schutz von Software
Grundsätzlich gilt: Computerprogramme als solche sind nicht patentierbar, aber durch das Urheberrecht geschützt. Eine Ausnahme stellen programmbezogene technische Erfindungen, zum Beispiel elektronische Steuerungen, dar (siehe Patentschutz im übernächsten Absatz). Sie sind unter Umständen patentierbar.
Der Quelltext von Computerprogrammen ist urheberrechtlich geschützt. Davon ausgeschlossen sind beispielsweise Algorithmen, die einer Software zugrunde liegen. Der Schutz des Urheberrechts entsteht automatisch mit der Schöpfung. Geschützt ist die exakte Formulierung, nicht aber ihre Funktion oder Wirkung. Es bedarf weder irgendwelcher Formalitäten noch einer Anmeldung. In der Schweiz werden keine Register geführt.
Software alleine hat keinen technischen Effekt, welcher eine Grundvoraussetzung für ein Patent ist. Liegt dem Computerprogramm jedoch eine technische Erfindung zugrunde, kann diese geschützt werden. Beispiele sind computerimplementierte Verfahren zur Navigation eines Fahrzeugs oder zur Steuerung einer Maschine. Sie fallen in die Kategorie der computerimplementierten Erfindungen (CII). Die technische Wirkung ist durch das Zusammenspiel zwischen Software und Maschine gegeben.
Schliesslich kann beim Schutz von Software sogar das Design ins Spiel kommen. So kann die Form und Gestaltung einer Benutzeroberfläche möglicherweise zum Designschutz angemeldet werden.
Neben dem Schutz von Software tauchen auch immer wieder Fragen zur Verwendung von Open Source auf. Diese Software basiert auf verschiedenen Lizenzen, welche ganz unterschiedlich gestaltet sein können. Zum Teil sind sich die Nutzer nicht bewusst, dass sie ihr Erzeugnis gemäss Lizenz ebenfalls gratis Dritten zur Verfügung stellen müssen, wenn sie eine bestimmte Software aus der Open-Source-Community nutzen. Um nicht in solche Fallen zu tappen, sollte man die Lizenzen genau lesen.