In den meisten Unternehmen ist die Teamarbeit gängige Praxis. Deshalb geht es in ihren Teamentwicklungsmassnahmen heute meist darum, aus Teams Hochleistungs-Teams zu entwickeln. Ausserdem gewinnt das Entwickeln bereichs- und unternehmensübergreifender, oft virtueller Teams an Bedeutung.
Die Projekt- und Teamarbeit ist heute in den meisten Unternehmen gängige Praxis. Dies wirkt sich auf die Zielsetzungen und Designs ihrer Teamentwicklungsmassnahmen aus. Eher selten erhalten Trainingsanbieter von Unternehmen noch Anfragen wie: Aus Einzelkämpfern soll ein Team formiert werden. Stattdessen lautet der Auftrag meist: Die Leistung eines bestehenden Teams soll gesteigert werden. Oder: Die bereichs- und hierarchieübergreifende oder die standort- bzw. unternehmensübergreifende Zusammenarbeit soll verbessert werden.
Die Teams, die heute an Teamentwicklungsmassnahmen teilnehmen, haben also häufig bereits – geht man von den vier Stufen der Teamentwicklung «Forming», «Storming»,
«Norming», «Performing» laut Tuckmann aus (siehe Kasten) – zumindest die ersten zwei Stufen durchlaufen. Es klemmt aber noch beim «Performing». Der gemeinsame Output stimmt also noch nicht. Und bei bereichs- oder gar unternehmensübergreifenden Teams? Bei ihnen fand zudem oft noch keine Verständigung darüber statt: Was verbindet uns? Welche Regeln gelten für unsere Zusammenarbeit? Welche gemeinsamen übergeordneten Ziele gilt es bei ihr zu erreichen? Und: Wie messen wir den Erfolg? Selbst wenn die – informellen – Teams zuweilen schon seit Jahren kooperieren.
Wirksamkeit erhöhen
Die Ursachen für das unbefriedigende «Performing» können vielfältig sein. Zum Beispiel, dass das Team beim «Norming» – als es unter anderem die Regeln für die Zusammenarbeit definierte – gewisse Dinge vergass. Oder dass die Arbeitsbedingungen und -anforderungen sich so stark geändert haben, dass die einmal getroffenen Vereinbarungen nicht mehr tragfähig sind. Oder dass neue Mitglieder ins Team kamen, die andere Werte und Vorstellungen von der Zusammenarbeit haben – was zu Reibungen, sprich Effizienzverlusten, führt.
In all diesen Fällen geht es nicht um ein klassisches «Teambuilding» – also das Neuformieren eines Teams. Vielmehr soll die Zusammenarbeit verbessert und die Wirksamkeit erhöht werden – und zwar ausgehend von den realen Herausforderungen, vor denen das Team beziehungsweise Unternehmen steht.
Das wirkt sich auf das Design der Massnahmen aus. Als Teambildungs- und -entwicklungsmassnahmen eher «out» sind heute solche Survivaltrainings, wie sie um die
Jahrtausendwende Mode waren, bei denen die Teilnehmer zum Beispiel in einem Schlauchboot gemeinsam einen reissenden Fluss hinabfuhren. Sie kommen, wenn überhaupt, nur noch im Vertrieb zum Einsatz. Und dort haben sie meist auch eine Incentive-Funktion.
Neue Methoden
Auch der High-Ropes-Anlagen-Boom ist weitgehend abgeebbt. Eher selten verbringen Teams heute noch ein, zwei Tage in einem Hochseilgarten. Das heisst nicht, dass diese Anlagen nicht mehr genutzt werden: Sie werden anders genutzt. Grosser Beliebtheit erfreuen sie sich noch, wenn es um das Entwickeln eines «Teamspirits» geht. So schicken Unternehmen zum Beispiel nicht selten, wenn ein neues Traineeprogramm in ihnen startet, dessen Mitglieder gemeinsam auf einen solchen Parcours – auch damit zwischen den neuen Mitarbeitern persönliche Beziehungen entstehen und diese auch emotional im Unternehmen
ankommen.
Ähnlich verhält es sich bei virtuellen Teams, deren Mitglieder sich – ausser in Videokonferenzen – im Arbeitsalltag entweder nie oder nur selten sehen. Auch bei ihnen
geht es bei solchen Events primär darum, dass die Teammitglieder sich persönlich
kennenlernen und bei ihnen über das gemeinsame Erleben persönliche Bande entstehen, denn die Erfahrung der Unternehmen zeigt: Dann «flutscht» die Zusammenarbeit besser und entstehen in der Alltagsarbeit weniger Konflikte bzw. diese lassen sich leichter lösen.
Wenn es jedoch um das Weiterentwickeln bestehender Teams geht, dann setzen die Unternehmen zunehmend auf andere Instrumente. Und zwar unabhängig davon, ob die Teams nur aus Mitarbeitern einer Abteilung oder eines Bereichs, mehrerer Abteilungen oder Bereiche oder gar verschiedener Unternehmen bestehen.
So führen heute zum Beispiel manche Unternehmen Teamseminare durch, bei denen
die Teilnehmer gemeinsam kochen. Bei anderen malen sie gemeinsam grossformatige Bilder. Das Ziel ist hierbei stets: Aus den Verhaltensmustern, die die Teilnehmer beim Lösen der Teamaufgabe zeigen, sollen in der Reflektionsphase zunächst Rückschlüsse auf das Verhalten im Arbeitsalltag gezogen werden. Und in der anschliessenden Transferphase? In ihr sollen Vereinbarungen getroffen werden, um die Zusammenarbeit zu verbessern und die Performance zu steigern.
Offener und selbstkritischer
Als Begründung für diesen Umweg wurde in der Vergangenheit oft genannt: Wenn die Teilnehmer zunächst ihr Verhalten zum Beispiel beim gemeinsamen Bauen eines Iglus oder Lenkdrachens reflektieren, dann nehmen sie, wenn «Knackpunkte» angesprochen werden, nicht sogleich eine Verteidigungshaltung ein – anders ist dies, wenn unmittelbar ihr Verhalten am Arbeitsplatz thematisiert wird.
Zunehmend sind die Unternehmen jedoch nicht mehr bereit, solche Umwege zu gehen oder erachten diese als überflüssig – unter anderem, weil die jungen Mitarbeiter heute, verallgemeinert formuliert, andere Typen als die Mitarbeiter vor 15 oder 20 Jahren sind. Sie sind nicht mehr solche «Betonköpfe», wie dies die Mitarbeiter früher zum Teil waren. Sie fragen sich zum Beispiel, wenn sie mit einer Aufgabe konfrontiert werden, nicht mehr sogleich: Ist das mit meiner Stellenbeschreibung vereinbar? Die jungen Leute heute – zumindest die mit dem Potenzial für exponierte Positionen – sind deutlich teamfähiger und offener für neue Aufgaben, als dies die Mitarbeiter früher waren. Ausserdem sind sie kritikfähiger und flexibler in ihrem Verhalten.
Für die Unternehmen bedeutet dies: Sie müssen weniger Überzeugungsarbeit leisten, wenn es um notwendige Verhaltensveränderungen geht. Auch weil die meisten Mitarbeiter verinnerlicht haben: Letztlich werden wir als Individuen und als Team daran gemessen, welchen Beitrag wir zum Erreichen der Unternehmensziele leisten. Bewusst ist dies heute fast allen Mitarbeitern. Unklar ist ihnen aber oft noch: Was bedeutet dies für meine beziehungsweise unsere Alltagsarbeit? Und wie sollten wir uns verhalten und kooperieren,
um die gewünschten Resultate zu erzielen?
Beziehungen analysieren
An diesem Punkt setzen denn auch fast alle modernen Teamentwicklungsmassnahmen an. In ihnen wird, zumindest wenn die Teilnehmer bereits Teamerfahrung haben, meist darauf verzichtet, beispielsweise durch ein gemeinsames Floss-Bauen ein künstliches Referenzerlebnis zu schaffen. Stattdessen wird oft folgendes Vorgehen praktiziert.
Zunächst werden mit einem Analysetool wie dem Connection Scan der Charakter und die Intensität der Beziehungen zwischen den Teammitgliedern ermittelt. Untersucht werden unter anderem Fragen wie: Wie viel Bereitschaft zur Kooperation sowie wechselseitiger
Kommunikation und Information besteht im Team? Wer wird einbezogen, wer eher ausgegrenzt? Und: Wer kommuniziert mit wem wie oft?
Die hierbei gewonnenen Informationen werden danach grafisch so aufbereitet, dass eine Art Landkarte der Beziehungen zwischen den Teammitgliedern entsteht. In ihr gibt der Abstand zwischen den Personen Auskunft über die Nähe von deren Beziehung und die Frequenz, mit der sie miteinander kommunizieren. Zudem gibt die jeweilige Farbe die Anzahl der Verknüpfungen der betreffenden Person wieder, sodass die aktiven «Hotspots» und die eher inaktiven «Kältezonen» in dem Beziehungsnetzwerk sichtbar werden.
Regeln zur Kommunikation
Basierend auf diesen Analyseergebnissen fragen sich die Teammitglieder anschliessend unter Anleitung eines Beraters oder Coaches anhand der Aufgaben und Herausforderungen,
vor denen sie im Arbeitsalltag stehen: Wo besteht Veränderungsbedarf? Welche «Kältezonen» im Beziehungsnetzwerk sollten eher «Hotspots» sein, damit wir als Team optimal funktionieren und die gemeinsamen Ziele erreichen? Was sollte sich hierfür im Bereich Zusammenarbeit, Information und Kommunikation verändern? Und: Welche Personen sollten zum Beispiel enger kooperieren und intensiver miteinander kommunizieren?
Aus diesem Abgleich leiten die Teammitglieder Regeln für das kollektive und individuelle
(Kommunikations- und Informations-)Verhalten ab. Das heisst, sie verständigen sich auf
Standards, die künftig für ihre Zusammenarbeit gelten – stets mit dem übergeordneten
Ziel, die Wirksamkeit der einzelnen Mitglieder im Team zu erhöhen und dessen Performance zu steigern.
Virtuelle Teams
Dieses Vorgehen gewinnt speziell bei der Entwicklung crossfunktionaler sowie bereichs-
und hierarchieübergreifender Teams an Bedeutung – bei deren Zusammenarbeit, wie Studien zeigen, oft noch ein grosses Optimierungspotenzial besteht; ausserdem beim Entwickeln standort- und unternehmensübergreifender Teams, die in der digitalen Welt sowie globalisierten Wirtschaft an Bedeutung gewinnen. Denn bei diesen Teams handelt es sich in der Regel um mehr oder minder virtuelle Teams.
Das heisst auch: Die Teammitglieder treffen sich nicht mehr nahezu täglich, weil sich ihre Arbeitsplätze unter einem Dach befinden, und tauschen sich hierbei – und sei es nur im Flur oder in der Kantine – auch über ihre (Zusammen-)Arbeit aus. Deshalb besteht gerade bei standort- beziehungsweise unternehmensübergreifenden Teams oft die Notwendigkeit, die Zusammenarbeit gezielt zu organisieren und die Teamentwicklung mit System zu forcieren. Sonst erbringen sie die gewünschte Leistung nicht.
Sich als Menschen begegnen
Das haben inzwischen viele Unternehmen erkannt. Deshalb steigt bei den auf die Personal- und Organisationsentwicklung spezialisierten Beratungsunternehmen die Nachfrage nach solchen Teamentwicklungsmassnahmen. Gemeinsam ist ihnen: Das persönliche Sich-Begegnen, Sich-Kennenlernen und Sich-Erleben spielt in ihnen eine zentrale Rolle, damit zwischen den Teammitgliedern eine persönliche Beziehung und Vertrauen entsteht.
Entsprechend sind diese Teamentwicklungsmassnahmen konzipiert. Eines ihrer Ziele ist stets: Die Teammitglieder sollen beim Lösen gemeinsamer Aufgaben die jeweils anderen als Mensch kennen und verstehen lernen. Das heisst, gerade bei den Teamentwicklungsmassnahmen für virtuelle Teams wird oft nachträglich nochmals bewusst die erste Phase des Teamentwicklungsprozesses nach Tuckmann, das sogenannte «Forming», durchlaufen, denn: Dieses kommt beim Bilden virtueller Teams, die häufig eher nach dem Zufallsprinzip und ad hoc sich formieren, oft zu kurz – auch weil die Mitglieder an verschiedenen Orten tätig sind.
Hieraus erwachsen dann häufig auch Defizite im Bereich «Norming», die in der Alltagsarbeit zu Irritationen und Konflikten führen. Dies gilt insbesondere für virtuelle Teams, bei denen die Teammitglieder einen sehr unterschiedlichen beruflichen und kulturellen Background
haben. Das ist speziell bei länderübergreifenden Projektteams oft der Fall. Bei ihnen ist die Gefahr gross, dass – wenn die Phase des wechselseitigen Sich-Kennenund -Verstehen-Lernens sozusagen übersprungen wurde – aufgrund der Irritationen, die im Arbeitsalltag auftreten, das Miteinander durch Stereotypen geprägt wird, wie «Die Amerikaner sind halt oberflächlich», «Die Südländer sind halt faul» und «Die Deutschen sind halt Grübler und Bedenkenträger».
Keine Einzelkämpfer
Deshalb spielt gerade in den Teamentwicklungsmassnahmen für multinationale Teams ausser dem «Forming» auch das «Norming» – also das Sich-Verständigen auf gemeinsame Regeln für die Zusammenarbeit und Kommunikation – eine zentrale Rolle, denn: Das, was dem jeweils anderen wichtig ist, hat stets auch kulturelle Wurzeln.
Ohne ein solches «Forming» und «Norming» in gemeinsamen Teamentwicklungsmassnahmen lässt sich gerade bei virtuellen Teams, bei denen die Teammitglieder einen sehr unterschiedlichen Background haben, das gemeinsame «Performing» meist nur bedingt steigern. Dies gilt insbesondere dann, wenn es dabei um das gemeinsame Lösen komplexer Aufgaben geht, bei denen man bezüglich des optimalen Vorgehens stets unterschiedlicher Auffassung sein kann. Gerade diese haben jedoch in der
Regel für den Unternehmenserfolg eine hohe Relevanz. Entsprechend wichtig ist es, dass die Personen, die für ihr Lösen zuständig sind, keine Truppe von Einzelkämpfern, sondern ein High-Performance- Team bilden.