Crossinvest ist eine etablierte, unabhängige Vermögensverwaltungsgesellschaft, die vor 40 Jahren gegründet wurde und in Lugano, Locarno und Zürich tätig ist. Zu den Kernkompetenzen gehören proprietäre, researchbasierte Anlageempfehlungen und -lösungen. Insgesamt acht erfahrene Analysten decken alle wichtigen Anlageklassen und Sektoren ab. Das Hauptthema des folgenden Interviews betrifft den Elektrifizierungstrend mit seiner breiten Palette an Teilsektoren und Anlagethemen, die Chancen auf der Grundlage langfristiger Trends und kurzfristiger Szenarien bieten.
Erneuerbare Energien – ein vielversprechender Sektor für Europa
Bedeutet das Motto „Drill, Baby, Drill“ der Trump-Administration das Ende der Energiewende und der alternativen Energien?
Hier ist eine Differenzierung wichtig. Ein zentrales Argument für die Energiewende, insbesondere in Europa und Asien, ist der Wunsch, sich von der Abhängigkeit von Nordamerika zu lösen, das mehr Energie produziert als es benötigt und diesen Überschuss in diese Regionen exportiert. Angesichts des steigenden Strombedarfs – zunehmend auch durch den Ausbau von Rechenzentren und Cloud-Diensten – müssen sowohl Europa als auch Asien Wege finden, dieser Abhängigkeit und Importsituation zu entkommen. Dies kann zumindest teilweise durch erneuerbare Energien erreicht werden.
Was bedeutet die Energiewende für Anleger?
Aus kurzfristiger Cashflow-Perspektive bietet die Förderung fossiler Brennstoffe Vorteile. Verfügt man beispielsweise im Fall von Schieferöl über die notwendigen Bohrkapazitäten und hat man die Existenz von Öl- oder Gasvorkommen geologisch nachgewiesen, kann man mit relativ geringen Investitionen in weniger als einem Monat eine Bohrung durchführen und schnell Cashflows generieren. Stehen Öl- oder Gasvorkommen unter hohem Druck, ist die Produktion zunächst sehr hoch und sinkt danach. Anders verhält es sich bei erneuerbaren Energien: Der Bau von Solar- oder Windparks erfordert dagegen enorme Investitionen von bis zu Milliarden Euro bei zunächst deutlich moderateren Cashflows, die jedoch über die Zeit konstant generiert werden. Ein Solarpark beispielsweise erfährt diesen Druck durch die freigesetzte Energie nicht; er produziert vielmehr über Jahre hinweg konstant Energie – und dieser Energiefluss nimmt nicht nennenswert ab. Ist der Park einmal in Betrieb, fallen zwar weiterhin Wartungskosten an, aber keine Inputkosten mehr. Das ist ein entscheidender Vorteil: Wer Strom aus fossilen Brennstoffen erzeugen will, muss diese Brennstoffe kaufen. Solarenergie hingegen kostet nichts. Für eine solche Anlage fallen nahezu keine Betriebskosten (OPEX) an.
Beziehen Sie in Ihrer Anlagepolitik auch den klassischen Energiesektor mit ein?
Dies hängt von den individuellen Anlagezielen des Kunden ab. Wollen Kunden mit ihren Anlagen primär Dividenden erwirtschaften, sind Ölaktien attraktiv. Gerade im Hinblick auf Nachhaltigkeit sehen wir jedoch grosses Potenzial in erneuerbaren Energien. Mit einer zukunftsorientierten Wachstumsstrategie können alternative und erneuerbare Energien aufgrund ihrer vergleichsweise niedrigen Bewertungen sehr spannend sein. Aufgrund von Problemen in den Jahren 2022 und 2023, insbesondere im Windkraftsektor, sanken die Bewertungen. Windparks gerieten ins Straucheln, weil sie den Strom bereits verkauft hatten, bevor die Turbinen in Betrieb waren. Als im Zuge des Ukraine-Konflikts Probleme durch Bauverzögerungen und steigende Energiekosten auftraten, mussten diese Unternehmen Energie zu höheren Preisen am Markt einkaufen, um ihren Lieferverpflichtungen nachzukommen. Zudem standen die Unternehmen unter Druck, im Interesse einer höheren Effizienz immer grössere Turbinen zu bauen. Da die Produkte noch nicht ausgereift waren, traten technische Probleme auf, die letztlich zu Verlusten und Ratingherabstufungen führten. Nach einem deutlichen Marktrückschlag haben sich attraktive Einstiegsmöglichkeiten ergeben.
Welche Chancen und Herausforderungen gibt es im Solarsektor?
Der Sektor bietet sowohl strategische als auch finanzielle Vorteile. Die Gesamtkosten der Stromerzeugung in einem Solarpark sind deutlich günstiger als beispielsweise in einem Gaskraftwerk – von den CO2-Einsparungen ganz zu schweigen. Die industrielle Produktion erfordert jedoch erhebliche Investitionen und war zunächst auf öffentliche Subventionen angewiesen. Mit dem Ausbau der Anlagen und der Entwicklung dieser Branche entstanden jedoch Skaleneffekte, welche die Investition zunehmend attraktiver machten. Die grösste Herausforderung ist die wetterbedingte Volatilität der Stromproduktion und der Strompreise.
Welche Anlagemöglichkeiten bevorzugen Sie im Bereich der erneuerbaren Energien?
Statt breit diversifizierter ETFs wählen wir beispielsweise Direktinvestitionen. Wir bevorzugen Unternehmen, die vom Wachstum des Stromnetzes profitieren. Wir dürften über Jahre hinweg überdurchschnittliches Wachstum beobachten, da viele Länder verstanden haben, dass sie ihre Stromnetze ausbauen müssen, da erneuerbare Energien zu einer dezentralen Stromerzeugung führen. Italien ist ein gutes Beispiel. Wind- und Solarstrom wird im Süden produziert und im Norden verbraucht – in Grossbritannien ist es umgekehrt. Windparks befinden sich vor der schottischen Küste, während der grösste Nachfragefaktor in Mittel- und Südengland liegt. Investitionen in Unternehmen, die Solarparks betreiben, sind ebenfalls attraktiv, wenn sie über Flexibilität im Portfolio verfügen, beispielsweise durch Speicherkapazitäten oder eine Kombination aus Solarstromerzeugung und Gasturbinen, um Nachfragespitzen auszugleichen.
Wie können überschüssige Energiekapazitäten gewinnbringend genutzt werden?
Bei hoher Sonneneinstrahlung oder starkem Wind wird überschüssiger Strom produziert. Der Strompreis sinkt auf dem Grosshandels-Spotmarkt auf null, und die Produktion muss sogar gedrosselt werden, um eine Überlastung des Netzes zu vermeiden. Verfügt ein Anbieter über Speichermöglichkeiten, ist das ein grosser Vorteil. Anstatt den Strom ungenutzt zu lassen, kann er den kostenlosen Strom nutzen, um Wasser in den Stausee zu pumpen. So kann er das Wasser in Zeiten, in denen die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht, ablassen, die Turbinen antreiben und Strom erzeugen. Dies trägt wiederum zur Energiesicherheit bei, wenn erneuerbare Energien nicht genug produzieren. Ein Beispiel ist Iberdrola, das ein grosses Portfolio an Pumpspeicherkraftwerken in Spanien besitzt. Gaskraftwerke sind zwar teurer im Betrieb, tragen aber ebenfalls dazu bei, jederzeit ausreichend Strom zu sichern und werden auch weiterhin eine Rolle in unserem Energiesystem spielen. Bevor wir investieren, prüfen wir solche Unternehmen und ihre Marktposition genau. Wir haben für unsere Kunden einen Investmentkorb zusammengestellt, der kostengünstige Direktinvestitionen in 15 verschiedene Unternehmen aus diesem Sektor bietet. Nur Unternehmen, die unseren Anforderungen entsprechen, schaffen es in diese Auswahl.
Was unterscheidet Crossinvest Zürich von anderen Vermögensverwaltern?
Wir zeichnen uns durch eine Kombination von Vorteilen aus: Wir sind ein unabhängiger Anbieter, der sich ausschliesslich auf die Vermögensverwaltung, vorwiegend für Privatkunden, konzentriert. Wir vergeben keine Kredite und betreiben kein Devisengeschäft. Unser alleiniger Fokus liegt auf dem Erfolg unserer Kunden. Unsere grosse Kundenvermögensbasis verschafft uns eine starke Verhandlungsposition gegenüber Banken hinsichtlich Depotkonditionen etc. Wir sind ein agiles Team mit kurzen Kommunikationswegen. Ich kann jederzeit schnell und unkompliziert auf die Expertise meiner Kollegen zugreifen. Im Gegensatz zu einer Grossbank stützen wir uns bei der Beurteilung von Märkten oder Anlagen nicht nur auf eine, sondern auf eine Vielzahl von Meinungen. Und obwohl wir kleiner als Banken sind, haben wir direkten Zugang zu den Unternehmen, in die wir investieren, können mit dem Management interagieren und Fragen stellen, um ein tieferes Verständnis des Geschäfts und der Branche zu erlangen.
Warum sollten Anleger Crossinvest Zürich einer Bank vorziehen?
Unsere grösste Stärke ist die langfristige Kontinuität unserer Kundenbeziehungen. Im Bankwesen ist es oft verpönt, wenn ein Kundenberater dem Kunden zu nahe kommt – aus Angst, dass der Berater den Kunden mitnimmt, wenn er das Unternehmen verlässt. Nicht so bei uns. Unsere Kunden schätzen auch den direkten Austausch mit Analysten oder anderen Abteilungen unseres Unternehmens.
Wie ist Ihr Ausblick für die Aktienmärkte?
Viel hängt vom weiteren Verlauf der Zolldiskussionen ab. Fundamental sehe ich deutliche Vorteile in Europa, da Aktien im Vergleich zu den USA günstig bewertet sind. Die jüngsten deutschen Konjunkturimpulse stärken nicht nur direkt betroffene Unternehmen, sondern beeinflussen auch indirekt die Verbraucherstimmung. Nach einer Korrektur an den US-Märkten könnte es dort zwar zu einer Stabilisierung kommen, aber vermutlich nicht zu einer sehr schnellen Erholung. Der Markt hat die Unterbewertung in Europa registriert, und Kapital könnte verstärkt aus den USA nach Europa fliessen. Getreu dem Motto „Die Erholung beginnt im Kopf“ könnte dies zu einer interessanten Wachstumsphase führen. Ich glaube, dass wir diese Chance derzeit in Europa haben. Deutschland, das in den letzten zwei Jahren stagnierte, könnte wieder zur treibenden Kraft in Europa werden. Dann werden wir einen Dominoeffekt erleben, und diese positive Dynamik wird zunehmend auf andere Wirtschaftssektoren übergreifen. Alles hängt zusammen. Besonders positiv bin ich für die europäischen Aktienmärkte eingestellt.
Über Daniel Wüest
Daniel Wüest, Portfoliomanager bei Crossinvest Zürich, blickt auf eine 30-jährige Karriere im Finanzdienstleistungssektor zurück und bekleidete verschiedene Positionen bei führenden Anbietern wie der Bank Leu, Lombard Odier Darier Hentsch, der Bank Sal. Oppenheim und Macquarie Capital. Vor seinem Eintritt bei Crossinvest war er bei einem Zürcher Family Office für Aktien- und Rohstoffanlagen verantwortlich. Zudem verwaltet er für Crossinvest einen Metall- und Bergbaufonds.