Wirtschaft geprägt von grosser Gastfreundschaft und Mindset auf noch mehr Unternehmertum
Interlaken ist in vielen Teilen der Welt bekannt. Interlaken ist international und geniesst einen guten Ruf als Ferien- und Kongressdestination mit einem starken Gästesegment aus der Schweiz, einer starken Nachfrage aus verschiedenen europäischen Ländern und namhaften Übersee-Nationen. In über 150 Jahren hat sich der Tourismus in Interlaken zum stärksten Wirtschaftszweig entwickelt, mit einem Anteil von rund 25 Prozent an der Beschäftigung (Vollzeitäquivalenten).
von Irene Küng
Seinen Bekanntheitsgrad hat der Wirtschaftsraum Interlaken-Jungfrau seinem Erfolg als Ferienziel zu verdanken – seinen herausragenden Bergbahnen und der Flaggschiff-Hotellerie, deren Zugpferde zur Riege der Besten der Welt gehören. Der Tourismus hat der Region nicht nur hohe Internationalität gebracht, die die Gesellschaft bis in die Bergdörfer prägt und vor Engstirnigkeit bewahrt – keine Regel ohne Ausnahme, aber die Offenheit gegenüber fremden Kulturen ist geübt und wird mit jeder neuen Nation und seiner spezifischen Kultur, die Interlaken als neues Ferienziel entdeckt, weiter verstärkt und verankert.
Mehr als Tourismus
Rund 2000 Unternehmen haben ihren Sitz im Wirtschaftsraum Interlaken-Jungfrau, die, mehr oder weniger vom Tourismus abhängig, für eine breite Palette an Arbeits- und Ausbildungsplätzen in der Region sorgen. Börsenkotierte Unternehmen führen auch hier die Liste an. Solide Handwerksbetriebe bilden aber die verlässliche Grundlage, ergänzt von einem breiten Angebot an Dienstleistungsunternehmen und gut aufgestellten Transportunternehmen, die nicht nur die öffentlichen Verbindungen in der Region, sondern einen wertvollen Anschluss in alle Welt sicherstellen. Bewegung, Gesundheit und Sport werden dank der spektakulären Naturkulisse grossgeschrieben. Abgesichert durch eine medizinische Versorgung auf hohem Niveau mit Spitalcampus, weiteren Einrichtungen und angesehenen Laboratorien, stellt dieser Bereich eine ansehnliche Wertschöpfung für die Region sicher. Mit Ausstrahlung über die Region hinaus hat sich auch eine Eventkultur entwickelt, die vom Jungfrau-Marathon und Lauberhornrennen über hochstehende Musikfestivals und traditionsreiche Freilichtbühnen bis zu Museen und vielem mehr nicht nur das kulturelle Angebote stützt, sondern über das ganze Jahr wertvolle Aufträge für regionale Unternehmen auslöst. Den Kreis vervollständigen eine ganze Reihe an Produktionsbetrieben, die teilweise hochspezialisiert für die Region, die Schweiz und internationale Märkte Waren herstellt. Interlaken kann dazu auf ein breites Ausbildungsangebot bis hin zum eigenen Gymnasium, begleitenden Berufsschulen und Weiterbildungsangeboten zählen. Das bildet einen guten Nährboden, um in der Region Fachkräfte auszubilden, die oft mit einer überaus starken Verbindung zur Region zwar in Städten und im Ausland Erfahrungen sammeln, aber überdurchschnittlich oft zurückkehren und ihren Wurzeln folgen. Darum gilt es sich auch weiter zu bemühen.
Hohe Lebensqualität
Eine ausgesprochen hohe Qualität zum Leben und Wohnen bietet die unvergleichlich schöne Region mit Seen und Bergen mit Weltruhm. Sie sorgt nicht nur für gesunde Rahmenbedingungen in jeder Lebensphase, sondern gestattet jeder Generation eine unvergleichlich grosse Anzahl an Erlebnis-, Bewegungs- und Sportmöglichkeiten, die die Persönlichkeit prägen, für Gesundheit in Körper und Seele und innert Minuten nach Feierabend für die Work-Life-Balance sorgen, die zu hoher Zufriedenheit führt. An einem Ort wohnen zu dürfen, wo jährlich Tausende von Gästen viel Zeit und Geld investieren, um das einmal erleben zu dürfen – das darf als besonderes Privileg angesehen werden.
Die Jungfraubahnen mit ihren verschiedenen Unternehmen sind der grösste Arbeitgeber der Region. Geprägt von gelebtem Unternehmertum blickt die Firmengruppe auf dynamische Jahre zurück – mit hohen Investitionen, die auf Jahre hinaus neue Standards gesetzt haben.
Von zukunftsorientierten Energieunternehmen, die die nachhaltige Nutzung der Naturkräfte in der Region in der Strategie verankert haben, über die Spitalgruppe FMI, die mit einem umfassenden Angebot für beste medizinische Versorgung engagiert ist, bis zu hochspezialisierten Unternehmungen für Spezialbereiche: Die Region Interlaken-Jungfrau agiert abseits der Hauptzentren der Schweiz erfolgreich und wird sich künftig noch stärker zukunftsweisenden Themen widmen.
Themen der Zukunft
In Zusammenarbeit mit der Universität Bern und der Wyss Academy arbeiten aktuell rund 50 Fachleute aus allen Bereichen daran, die Weichen für eine CO2-neutrale Wirtschafts- und Tourismusregion Interlaken zu setzen. Die Arbeiten sind weit fortgeschritten, um die sportaffine Region auch für das wachsende Segment von Biker*innen und Radfahrer*innen noch erlebbarer zu machen respektive auch die wichtige Entflechtung von Wandern und Biken voranzutreiben. Die grosse Nachfrage stützt hier die Bildung eines spezialisierten Wirtschaftszweigs mit weiteren Wachstumschancen.
Der Gewinnung von lokalen Werkstoffen zur direkten Verarbeitung und Steigerung der Unabhängigkeit von Importen kommt eine laufend stärkere Bedeutung zu. Der Werkstoff Holz ist in der Region in hohem Masse vorhanden und wird von spezialisierten Unternehmen zu Gebäuden, Einrichtungen, Kunsthandwerk und Alltagsgegenständen verarbeitet.
Funktionaler Wirtschaftraum
Die Standortförderung Wirtschaftsraum Interlaken-Jungfrau ist in eine Vielzahl von Themen involviert, wie Xander Kübli, Präsident der Organisation und Vizepräsident von Interlaken KMU, angeschlossen an den Dachverband der kleinen und mittleren Unternehmen des Kantons Bern, bestätigt:
PRESTIGE Business: Herr Kübli, welches sind die dringendsten Themen der Wirtschaftsförderung der Region?
Xander Kübli: Nicht erst seit den stark spürbaren Auswirkungen der Pandemie wurde deutlich, dass die Stärke des Tourismus Chance und Risiko in einem ist. Von der starken Ausstrahlung profitierend, ist doch die Anfälligkeit bei internationalen Ereignissen hoch. Das birgt Risiken, die es Schritt für Schritt zu mindern gilt. Eine breite Abstützung der Wertschöpfung ist das erklärte Ziel. Dazu beschäftigen uns zahlreiche Themen der Zukunft, wie Veränderung der Arbeitsmodelle, Fachkräftethemen, demografische Veränderungen und neue Anforderungen an die Mobilität. Aber auch eine weise Nutzung der verfügbaren Landreserven sowie vorausschauende Massnahmen zur Minderung der Auswirkungen des Klimawandels werden uns beschäftigen.
Wie setzt sich die Wirtschaft neben den grossen Unternehmen der Region zusammen?
Wie im ganzen Land tragen KMU den Hauptteil der Wirtschaftsleistung, sichern unterschiedlichste Arbeitsplätze und sind eine starke Stütze des schweizerischen Erfolgsmodells der Berufsausbildung. Die grossen Unternehmen prägen die Region, die vielen kleinen Unternehmen in unterschiedlichsten Bereichen sorgen für ein gesamtheitlich umfassendes Angebot mit insgesamt rund 24’788 Arbeitnehmenden (VZÄ) und einem nominalen Bruttoinlandsprodukt 2021 von 2885.7 in der Region Interlaken-Oberhasli.
Welche Ausbildungsmöglichkeiten sind aus Ihrer Sicht die Grundlage für den künftigen wirtschaftlichen Erfolg der Region?
Die Berufsbildung mit Lehrabschlüssen in vielen verschiedenen Berufsgattungen bilden das Fundament unserer Wirtschaft. Es ist zentral, diese Möglichkeiten direkt hier anbieten zu können. Ein guter Mix aus Dienstleistungsbereichen und weiterführenden Schulen, um einheimische Fachkräfte zu fördern, sichert uns langfristig eine positive Entwicklung. Hier ist das Zusammenspiel aller Beteiligten das Schlüsselelement, das es über alle Stufen zu fördern gilt.
Spezialisierte Entwicklung
Sandro Bolton, Präsident des Handels- und Industrievereins Interlaken-Oberhasli und Vizepräsident der Standortförderung, sieht weitere Entwicklungsmöglichkeiten für die Region: Der Flugplatz Interlaken als ehemaliger Militärflugplatz bietet mit der heutigen vielseitigen Nutzung und den verfügbaren Landreserven eine zentrale Position in einer nachhaltigen Entwicklung. Aus- und weiterbildungsstarke Unternehmen wie die Grenzwache oder die Aviatik-Spezialisten der RUAG Interlaken mit weiterem Wachstumspotenzial werden auch künftig eine wichtige Rolle spielen, damit auch spezialisierte KMU-Unternehmen in unserer Region gedeihen und sich entfalten können. Bald verfügbar werdende Landreserven sollen dabei gezielt für zukunftsorientierte Unternehmen und Geschäftsfelder mit hoher Wertschöpfung für die Region eingesetzt werden.
PRESTIGE Business: Herr Bolton, welchen Stellenwert hat die politische Struktur der Region Interlaken und des Kantons Bern?
Sandro Bolton: Der Wirtschaftsraum Interlaken-Jungfrau besteht aus sieben Gemeinden, entsprechend wichtig sind übergreifende Kooperationen, die in einem funktionalen Raum ein rasches Handeln auf Marktentwicklungen zulassen. Gerade die Pandemie hat die Zeichen der Zeit verstärkt erkennen lassen und wir stellen heute eine zunehmende Bereitschaft zur Kooperation über Gebiets- und Gesinnungsgrenzen hinaus fest. Dies müssen und werden die Eckpfeiler der Zukunft sein. Vonseiten des Kantons Bern profitieren wir alle von der handlungsbereiten Volkswirtschaftsdirektion, die mit der Standortförderung des Kantons in breitem Kontext neue Massstäbe setzt. Davon profitieren wir alle.
Welchen Wert ordnen Sie Wirtschaftsanlässen zu?
Als versierte Destination für Kongresse und Grossanlässe verschiedenster Art kann Interlaken auf eine lange Tradition als Durchführungsort zurückblicken. Nebst kulturellen Grossprojekten und fachspezifischen Conventions mit einem (inter-)nationalen Teilnehmerfeld haben Wirtschaftsanlässe wie das ausstrahlungskräftige Swiss Economic Forum (SEF), das gerade kürzlich über die Bühne ging, einen unschätzbar hohen Wert für die Region. Interlaken bietet dafür nicht nur ideale Rahmenbedingungen mit hohem Erlebniswert für wertvolle Gespräche abseits der Büros. Die Teilnehmenden nutzen auch gerne die Möglichkeit, innerhalb von Minuten vom Anzug in Sportkleider zu wechseln und entweder die Seen, die Bike-Trails, einen Adrenalin schenkenden Adventure-Trip oder beliebte Hiking-Routen zu nutzen, um die erhaltenen Inspirationen gleich in Geschäftsideen umzuwandeln. Wir hoffen, auch bald das Alpensymposium, das eng mit Interlaken verbunden ist, und weitere ideenfördernde Anlässe wieder in Interlaken zu sehen.
Der Wirtschaftsraum Interlaken-Jungfrau, geprägt von zahlreichen Unternehmerpersönlichkeiten, die in der Region oder in der Welt verteilt Risiken eingehen, um Unternehmen vorwärtszubringen, ist im Aufbruch. Der stärkste Wirtschaftszweig Tourismus wird in Kürze wieder eine hohe Drehzahl erreichen. Verstärkt wird sich Interlaken zukünftig um eine nachhaltige, breit abgestützte Entwicklung kümmern, die von starkem Unternehmertum geprägt ist und den Menschen eine hohe Lebensqualität sicherstellen will – gepaart mit Schweizer Traditionswerten und einem wachen Blick in die Zukunft.