Trotz Herausforderungen hat sich der Schweizer ICT-Markt weiter vergrössert. Doch der Fachkräftemangel stellt nach wie vor die grösste Herausforderung dar. Dem will die Swico mit dem neu eröffneten «Swico ICT Campus» entgegenwirken. Auch politisch will der Wirtschaftsverband aktiver werden.
Die Schweizer IT-Branche floriert. Gemäss Zahlen hat sich der Schweizer Markt mit einem Gesamtumsatz von 33.8 Milliarden Franken um 4.0 Prozent verbessert. Damit hat er selbst den europäischen Markt überholt. Gemäss des European Technology Observatory (EITO) hat dieser nämlich nur 3.4 Prozent zugelegt. Das freut den Wirtschaftsverband für die digitale Schweiz Swico, bedeutet dies doch das vierthöchste Ergebnis seit Beginn der Erhebungen. Aber natürlich ist nicht alles nur Friede, Freude, Eierkuchen. Die ICTBranche muss sich auch im neuen Quartal einigen Herausforderungen stellen. Zum einen wäre da der Fachkräftemangel. Gesamtschweizerisch sind aktuell knapp 9 000 Stellen ausgeschrieben und unbesetzt. Gründe dafür sind laut Swico zum einen der Margendruck aufgrund des starken Frankens sowie die Rekrutierung und Einarbeitung neuer Mitarbeitenden.
50 Prozent Mädchen
Um ebendiesem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, hat die Swico im Januar 2020 in Zürich den dritten «Swico ICT Campus» nach Bern und Muttenz. «Mit diesem Engagement wollen wir einen echten Beitrag zum Aufbau einheimischer ICT-Fachkräfte leisten», betont Judith Bellaiche, Geschäftsführerin von Swico. Der Standort Zürich sei dabei von strategischer Bedeutung. Denn in der ICT-Branche ist eine frühe Sensibilisierung nötig. Besonders wichtig ist der Swico dabei der Mädchenanteil von 50 Prozent. «Wenn wir die Mädchen früh genug abholen, wenn sie noch offen gegenüber technischen Berufen sind und ihre Talente entsprechend fördern, ist die Chance gross, dass sie sich auch für diesen Berufszweig entscheiden», ist Bellaiche überzeugt. Aus diesem Grund sucht die Swico in regionalen Sekundarschulen immer wieder gezielt nach Talenten. Auf dem «Swico ICT Campus» arbeiten die Jugendlichen dann gezielt an unterschiedlichen Projekten. Während die einen einen Roboter, der Musik spielt, programmieren, erstellt eine andere Gruppe eine Webseite und wieder andere entwickeln eine 3-D-Animation. Dabei wird auf die Interessen, aber auch auf die Talente der Jugendlichen Rücksicht genommen.
ICT und Klimaschutz
Auch weitere Zahlen erfreuen: Der Schweizerische Hardware-Markt hat entgegen aller Befürchtungen auch zugelegt. Und das nicht zu knapp: sagenhafte 11.8 Prozent ist er gestiegen. Ursprünglich war man von einem Rückgang über 3.5 Prozent ausgegangen. Axel Pols, Geschäftsführer Bitkom Research, erklärt sich den Trend folgendermassen: «Durch die Lancierung von Windows 10 im Jahre 2019 konnte dieser Zuwachs generiert werden.» Eine weitere Begründung sieht Pols darin, dass Privat- wie Geschäftskunden auf Notebooks statt Desktop-Rechner umswitchen. Auch die Zunahme sogenannter Phablets, einer Mischform von Handy («Phone») und Tablets, ist einer der Gründe. Der Wunsch, ständig das neuste Telefon oder Tablet zu besitzen, kurble den Markt zusätzlich an. Der wohl wichtigste Treiber war aber laut Pols im Jahr 2019 die Cloud. Es werde immer mehr in Rechencenter investiert und entsprechend eingerichtet. Auch im Bereich Storage gebe es noch Luft nach oben. Die Cloud trieb aber nicht nur das Hardwaregeschäft an. Laut dem Analysten kurble der Trend hin zur Cloud alle Segmente an: Hardware, Software und auch Services.
Ein Punkt, den die ICT-Branche aber im neuen Jahr genauso angehen muss wie andere Wirtschaftsbereiche, ist laut Pols der Klimaschutz. «Die ICT-Branche kann und muss in mehrfacher Hinsicht zum Klimaschutz beitragen. Der Einsatz digitaler Lösungen führt in zahlreichen Wirtschafts- und Lebensbereichen zu einer Dematerialisierung und damit verbunden zu einer Reduzierung des Ressourcenverbrauchs. Ausserdem können intelligente, ICT-basierte Lösungen etwa im Energie- und Verkehrssektor zur Einsparung von Energie und klimaschädlichen Emissionen beitragen. Ein wichtiger indirekter Beitrag der ICT besteht darin, dass mit ihrer Hilfe effizientere Produktions- und Wirtschaftsweisen erforscht werden. Darüber hinaus ist die ICT-Branche aufgefordert, ihre eigenen Emissionen zu verringern, zum Beispiel durch die Nutzung erneuerbarer Energie für den Betrieb von Rechenzentren und Netzwerken», erklärt Pols.
Eine Prognose, ob das Wachstum stetig weiterginge, möchte er nicht wagen. Pols verweist auf Unternehmen, welche heute die Marktentwicklung dominieren, die es vor 20 bis 30 Jahren noch nicht gab. «ICTbasierte, digitale Innovationen werden auch in den kommenden Jahrzehnten zu völlig neuen Produkten und vor allem Services führen, die unser Leben und Arbeiten massgeblich prägen werden.» Die Zukunft bleibt also ungewiss, aber spannend.
5G Als Streitthema
Doch leider gibt es nicht nur Positives zu vermelden. Die Schweiz säge an ihrem eigenen Ast, erklärt Judith Bellaiche, Geschäftsführerin der Swico. Das Streitthema 5G, welches von skeptisch bis hin zu polemisch behandelt wird, spielt dabei eine grosse Rolle. Dabei sei dieses Sträuben gegen die Digitalisierung eine Gefährdung des Wirtschaftsstandortes Schweiz, so Bellaiche. «Veränderungen sind immer schwierig anzunehmen», sagt die Geschäftsführerin. «Es hat aber auch viel mit Fehlinformationen zu tun. Gerade bei 5G wird gezielt mit den Ängsten der Menschen gespielt.» Bellaiche ist jedoch überzeugt, dass die Swico ihren Teil dazu beisteuern kann, diese Ängste in der Bevölkerung zu bekämpfen. «Der Dialog mit Politik und Bevölkerung ist Teil unserer Arbeit. Damit können wir unsere Industrie besser erklären.» Die Digitalisierung sei schliesslich schon in jedem einzelnen Schweizer Haushalt angekommen. «Jeder Mensch besitzt ein Mobiltelefon und trägt das nahe am Körper, und das scheint kein Problem zu sein in Bezug auf Strahlung, warum sollte 5G dann bedenklich sein?» Wichtig sei, dass sich die Schweiz nicht unnötig das Leben selbst schwer mache, betont zudem Swico-Präsident Andreas Knöpfli.
Mehr Politik
Überhaupt möchte die Swico in Zukunft auf der politischen Bühne aktiver werden. Mit Bellaiche als grünliberale Nationalrätin sei dies auch möglich, sagt Knöpfli. Themen wie die Begrenzungsinitiative seien heikel und könnten der Schweiz mittelfristig mehr schaden als nutzen. Auch die Revision des Datenschutzgesetzes beschäftigt die Swico. Die EU-Äquivalenz wäre hier die bessere, wirtschaftsfreundlichere Lösung. Wenn die Schweiz jetzt hier anfangen würde, eigene Brötchen zu backen, könnte sich das negativ auswirken. Es gibt aber nicht nur Negatives: Was die Prognosen für 2020 angeht, ist Bellaiche durchaus positiv gestimmt. «Die politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der jungen ICT-Industrie bleiben auch 2020 vielfältig – und nehmen aufgrund der Dynamik neuer Technologien sogar zu. Doch Swico ist ideal positioniert, um diese aktiv und konstruktiv anzugehen.