Mit einer umfassenden Sanierung soll das Mehrfamilienhaus an der Stettbachstrasse im Zürcher Kreis 12 den Minergie-A-Standard erreichen und so auf dem Weg zur 2 000-Watt-Gesellschaft als Leuchtturmobjekt dienen. Die Verantwortlichen planen deshalb, das Brauchwasser mit Sonnenenergie zu erwärmen. Doch auf dem Dach wird eine Fotovoltaikanlage installiert. Wohin also mit den Sonnenkollektoren? Maik Brünig von der Ernst Schweizer AG hat die Lösung für solche Fälle: «Die Sonnenkollektoren können senkrecht an der Fassade montiert werden.» So kann auf einem grösseren Teil der Gebäudehülle Sonnenenergie genutzt werden: An der Fassade wird Wasser erwärmt; auf dem Dach Strom erzeugt. «Die Idee der Fassadenkollektoren ist nicht neu, es gibt sie seit über 20 Jahren», erzählt Brünig. Da Kollektoren auf dem Dach meist in einem etwas günstigeren Winkel montiert werden können, wurden sie bisher eher selten an der Fassade angebracht. «Doch die Situation hat sich verändert. Seit auf den Dächern von Schweizer Häusern immer mehr Fotovoltaikanlagen installiert sind, muss der Kollektor auf die Fassade ausweichen.» So auch kürzlich an zwei Mehrfamilienhäusern an der Hofwiesenstrasse und der Eichhalde in Zürich. «Die Montage ist nicht schwieriger oder teurer als auf dem Dach, und Fassadenkollektoren können sowohl bei einem Neubau als auch nachträglich im Rahmen einer Sanierung angebracht werden», betont Brünig.
Optimale Ausrichtung
Voraussetzung für Fassadenkollektoren ist eine gute Ausrichtung der Fassade. «Doch auch wenn diese optimal ist, muss bei einer vertikalen Montage im Vergleich zur Montage auf dem Dach mit rund einem Drittel weniger Ertrag gerechnet werden», erklärt Brünig. Am besten eignen sich Wände, die gegen Südosten oder Südwesten orientiert sind. Denn bei vertikal montierten Anlagen wird der Einfallswinkel der Strahlung immer besser, je tiefer die Sonne steht – also morgens und abends. Im Gegensatz dazu werden Anlagen auf dem Dach am besten gegen Süden ausgerichtet.
Auch im Jahresverlauf ändert sich der Ertrag. Im Herbst, wenn der Bedarf steigt, bringen die vertikal montierten Kollektoren dank des sinkenden Sonnenstands und des damit günstigeren Einfallswinkels mehr Leistung als horizontal montierte. Im Winter kann der Fassadenkollektor gar von liegendem Schnee profitieren: Die Reflexion der Strahlung von der weissen Fläche kann den Ertrag um bis zu 20 Prozent steigern. Zudem bleibt am vertikal montierten Kollektor viel weniger Material wie Schmutz oder Schnee liegen, was bei Kollektoren auf dem Dach oftmals den Ertrag vermindert.
Mehr als nur eine Alternative
Um ein Haus mit genügend warmem Wasser zu versorgen, ist eine relativ grosse Fläche an Fassadenkollektoren nötig. Deshalb ist es wichtig, dass die Kollektoren den Eigentümern und Bewohnern gefallen. «Es gibt mittlerweile viele Optionen, nicht mehr nur schwarze und dunkelblaue Solargläser», sagt Brünig. «Goldig, bronzen, blau, grün, auch gelb habe ich schon gesehen.» So bieten sich den Architekten immer mehr Möglichkeiten, die Kollektoren auch als Gestaltungselement zu nutzen. An der Fassade des Hauses an der Hofwiesenstrasse wurden zum Beispiel graue Solargläser verwendet, an der Stettbachstrasse wird Beat Kämpfen, Geschäftsleiter des zuständigen Architekturbüros «Kämpfen für Architektur AG», farbige Kollektoren einsetzen. Für das schöne und individuelle Erscheinungsbild muss in Kauf genommen werden, dass mit einer helleren Farbe einige Prozente des Ertrags verloren gehen. Doch: Sind die Kollektoren in die Fassade integriert, können sie einen Teil dieses Verlustes gleich selbst wieder wettmachen. Im Winter senken sie die Transmissionswärmeverluste der Wand und tragen so zur Wärmedämmung des Gebäudes bei. Ganz nebenbei schützen die Kollektoren die Hausfassade auch vor der Witterung.
Wichtige Qualitätssicherung
Egal, ob auf dem Dach oder an der Fassade – nur, wenn Kollektoren einwandfrei funktionieren, können sie die Sonnenenergie optimal nutzen. Das Bundesamt für Energie hat dazu in einer Stichprobenkontrolle 1 151 solarthermische Anlagen untersucht. Erste Ergebnisse zeigen, dass bei relativ vielen Anlagen Verbesserungspotenzial besteht und einige leider nicht wunschgemäss arbeiten. Da die bivalenten Systeme auch dann Wärme liefern, wenn der Kollektor nicht oder nur teilweise arbeitet, bemerken viele Betreiber allfällige Mängel gar nicht. So zahlen sich die Investitionen nicht aus, die Betreiber verlieren viel Geld und der Effekt für das Klima geht verloren.
Neue Massnahmen sollen dafür sorgen, dass Kollektoren künftig optimal dimensioniert und richtig montiert werden und dass ihre Funktion überwacht wird. Dafür wurden im Rahmen des Harmonisierten Fördermodells der Kantone (HFM) die Förderbedingungen angepasst. Mit der Anwendung des HFM in den Kantonen (ab 2017) wird eine Validierte Leistungsgarantie (VLG) nötig sein, um Förderbeiträge für eine neue Anlage oder eine Erweiterung einer bestehenden zu erhalten. Das online erstellbare Dokument fasst den Bedarf des Gebäudes und darauf aufbauend die Dimensionen und Eckdaten der Anlage zusammen. Für Anlagen mit mehr als 20 kW thermischer Leistung schreibt das HFM eine Fernüberwachung des Ertrages vor, die eine Fehlfunktion frühzeitig erkennt. Doch nicht nur die Technik soll öfter geprüft werden, auch das Wissen der Beraterinnen und Berater. Künftig müssen sich die Solarprofis, welche die Hausbesitzer beraten und auch Solaranlagen montieren, stetig weiterbilden. So bleiben auch sie auf dem neuesten Stand und tragen dazu bei, dass Solarkollektoren und Fotovoltaikanlagen die Sonnenenergie optimal nutzen.
Weitere Informationen:
www.swissolar.ch