das neue Jahrzehnt ist schon ein paar Monate alt. es ist aber wichtig, längerfristig zu planen und nach vorne zu schauen. Stichworte sind nachhaltigkeit, flexibilität oder edge Computing.
Fabriken sollen profitabler, nachhaltiger und zukunftsfähiger werden. Daher ist es wichtig, langfristig zu planen, wie eine innovative Produktion nicht nur 2020, sondern auch 2025 oder sogar 2030 aussehen wird. Einige der derzeitigen Trends, liefern gute Anhaltspunkte, in welche Richtung diese Entwicklung geht. Dabei spielen sowohl die Wünsche der Verbraucher nach mehr Anpassung und Individualisierung als auch das Bewusstsein für einen schonenderen Umgang mit Ressourcen und für mögliche Auswirkungen auf die Umwelt eine wichtige Rolle.
Auf den ersten Blick mag dieser Anspruch nach mehr Personalisierung bei gleichzeitiger Optimierung des Verbrauchs von Energie, Wasser und anderen Ressourcen widersprüchlich und unvereinbar erscheinen. Philipp Wallner, Industry Manager – Industrial Automation & Machinery, MathWorks, zeigt fünf Möglichkeiten, wie dieser Spagat trotzdem gelingt:
1. Flexible Produktion Seit einigen Jahren diskutiert die Automatisierungsindustrie die Vision von «sample size one»: Wie können Produktionsanlagen Einzelstücke fertigen, ohne lange umzurüsten oder ineffizient zu werden? Mit den Möglichkeiten der Industrie 4.0 wird es nicht mehr lange dauern, bis diese Vision Wirklichkeit wird und eine umfassende Individualisierung in der Produktion ermöglicht. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, dürfen Maschinen in der Fertigung nicht mehr nur starr und unflexibel eingesetzt werden. Bisher werden sie meist nur für ein bestimmtes Produkt in Betrieb genommen, parametrisiert und abgestimmt, das dann über Monate oder sogar Jahre hinweg immer wieder hergestellt wird. Die Produktionslinien von morgen müssen flexibel sein – aufgebaut aus mehreren mechatronischen Modulen, die leicht umgestaltet und rekombiniert werden können, mit immer mehr Robotern oder «Cobots» – sprich: kollaborative Roboter, die Hand in Hand mit Menschen arbeiten. Zusätzlich sollte eine KI eingebunden sein, die die Maschinen für das nächste – individualisierte – Produkt, das hergestellt werden soll, parametrisiert und einstellt.
2. Virtuelle Inbetriebnahme Da die Komplexität von Software immer weiter zunimmt und die Anzahl möglicher Kombinationen von modularisierten Softwarekomponenten steigt, werden umfassende Tests auf der physischen Maschine immer schwieriger und zeitaufwendiger und irgendwann unmöglich. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die virtuelle Inbetriebnahme der Software durchzuführen, um die Fehlerfreiheit zu überprüfen. Ausserdem kann auf Grundlage von Simulationsmodellen validiert werden, ob die Anforderungen erfüllt werden, bevor die physische Produktionsanlage überhaupt in Betrieb ist. Innovationsführer wie Krones, der weltweit führende Hersteller von Flaschenabfüllanlagen, setzen bereits heute Simulationsmodelle für die virtuelle Inbetriebnahme ein.
3. Branchenweite Standards Da Maschinen und Module im Werk dynamisch umgestellt werden, ist es wichtig, die Vernetzung sicherzustellen. Standardisierte Protokolle wie OPC UA TSN werden eine Schlüsselrolle dabei spielen, dass Geräte verschiedener Hersteller reibungslos zusammenarbeiten. Sperrige Kabel werden verschwinden und durch drahtlose Protokolle wie 5G und seine Nachfolger ersetzt. Aber Maschinen werden nicht nur miteinander verbunden, sondern auch mit Cloud-Systemen, in denen flexible Rechenleistung zur Verfügung steht, um leistungsfähige Algorithmen auf Business- und Engineering-Daten anzuwenden.
4. Edge Computing hilft bei Entwicklung Die rasant steigende Rechenleistung von Industriesteuerungen und Edge-Computern sowie der Einsatz von Cloud-Systemen ebnen den Weg für eine neue Dimension der Softwarefunktionalität auf Produktionssystemen. KI-basierte Algorithmen optimieren dynamisch den Durchsatz der gesamten Produktionslinie und minimieren den Verbrauch von Energie und anderen Ressourcen. Die vorausschauende Wartung – Predictive Maintenance – wird sich weiterentwickeln und Daten nicht nur von einer Maschine oder einem Standort, sondern auch von mehreren Fabriken und Geräten verschiedener Hersteller berücksich- tigen. Je nach Anforderung werden die Algorithmen sowohl auf Nicht-Echtzeitplattformen als auch auf Echtzeitsystemen wie SPSen eingesetzt, wie Beckhoff kürzlich auf der Hannover Messe in Deutschland gezeigt hat.
5. Mehr Möglichkeiten für Ingenieure Den grössten Einfluss werden jedoch die Menschen haben, die in der Fabrik der Zukunft arbeiten. Indem sie Technologien und Tools von Unternehmen wie MathWorks einsetzen, werden mehr Ingenieure und Wissenschaftler, nicht nur Data Scientists, an KI arbeiten. Die Fabrik der Zukunft braucht Ingenieure, die in der Lage sind, Modelle zu implementieren, mit grossen Datensätzen umzugehen und die entsprechenden Entwicklungswerkzeuge zu bedienen, um den oben genannten Trends gerecht zu werden. Deshalb müssen Unternehmen, die Industrieanlagen bauen und betreiben, ihre Stellenausschreibungen ändern und qualifizierte Ingenieure mit einem ganz anderen Profil als bisher einstellen, um für eine Zukunft gerüstet zu sein, in der Industrie 4.0 nur der Anfang ist.