Das Thema Altersvorsorge ist in der Schweiz politisch umkämpft. Jenseits des politischen Schlachtgetümmels gilt es, mit ruhiger Hand passende Lösungen zu finden. Dazu braucht es Profis mit Weitblick und den passenden Lösungen. Wie können hier fondsgebundene Lebensversicherungen ihre Vorteile ausspielen? Diese und noch weitere Fragen beantwortet Dr. Aron Veress, CEO der Liechtenstein Life Assurance AG, im folgenden Interview.
Das globale Gefüge der Weltwirtschaft knirscht. Unterschiedliche Entwicklungen können zu einer Dynamik führen, die immer schwieriger zu managen ist. Auch aus diesem Grund wird das Thema Altersvorsorge für unterschiedliche Generationen noch relevanter. Wie können wir mit den komplexen Herausforderungen umgehen?
PRESTIGE BUSINESS: Fangen wir mit einem Big Picture an. Es geht um die Vorhersagbarkeit von Kapitalmärkten und die bestimmenden makroökonomischen Faktoren. Wir befinden uns ja in einem umfassenden ökonomischen Transformationsprozess. Ganze Branchen, zum Beispiel die Automobilindustrie, müssen sich neu erfinden. Die Stichworte der Herausforderungen sind lang, die Aktienmärkte steigen aber. Tun sie das weiter und wie kann man diesen Widerspruch zwischen volkswirtschaftlichen Entwicklungen und den Aktienmärkten analysieren?
Dr.Aron Veress: Einfache Vorhersagen sind immer mit Vorsicht zu geniessen und vergleichbar mit einem Blick in die Kristallkugel. Ich habe grossen Respekt vor dem Thema. Durch Gespräche mit Asset-Managern und Wissenschaftler*innen kann man zunächst die jeweiligen Pole der Positionierungen identifizieren.
Wie sehen diese aus?
Es gibt einerseits sehr konservative Blickwinkel oder Crashpropheten und andererseits Akteure, die betonen, dass die Märkte an vielen Stellen immer noch Luft nach oben haben.
Jetzt gilt es, beide Positionen in realistische Rahmen zu stellen.
Es gilt zunächst, zwei Phänomene auf dem Schirm zu haben. Der Standard and Poor’s 500 (S&P 500) ist der zentrale Aktienindex aus US-Sicht, der die Aktien von 500 der grössten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen umfasst. Für unsere Branche ist das ein zentraler Referenzrahmen. Die gute Leistung, die wir aktuell immer bestaunen und bei Ihnen Stirnrunzeln auslöst, stammt in erster Linie von sieben Aktien.
Das ist eine verdammt schmale Basis.
Ja, das Thema Diversifizierung lässt sich so kaum mehr in strategische Handlungen übersetzen. ITAktien, wie die von Apple und Google gehen durch die Decke und verschleiern die Schwierigkeiten, die viele andere Papiere haben. Zweitens gibt es Länder, in denen Kursrallyes trotz Wirtschaftskrisen möglich sind. Bei Ihrer Eingangsfrage muss ich an das aktuelle Beispiel Argentinien denken.
Ein Anarchokapitalist, der neue Präsident Javier Milei, beflügelt offensichtlich die Phantasien von einigen Anlegern. Es gibt Hyperinflation, tiefe Rezession und soziale Unruhen – aber die Kurse der Börse schiessen nach oben.
Die Veränderungen in der Geopolitik, die wachsende Nachfrage nach Agrarprodukten sowie Metallen für die Energiewende, stabile Preise für Öl und Gas – diese mögen Gründe für positivere Aussichten für Argentiniens Unternehmen sein. Die Börsen spiegeln Erwartungshaltungen wider. Aber die Hyperinflation ist der primäre Treiber für den Anstieg der dortigen Börse.
Ja, und dieser Anstieg wird auch wieder zurück gebunden werden. Mir reichen die bisher angeführten Gründe aber noch nicht aus, um die Dynamik an den Aktienmärkten zu erklären.
Bleiben wir beim Stichwort Inflation. Das ist nicht nur in Argentinien ein Thema. Wir überzeugen unsere Kunden davon, in diversifizierte Fonds für ihre Altersvorsorge zu investieren, um sich vor der Inflation zu schützen. Wer das Geld hat und sich vor der Inflation schützen will, investiert in Aktien.
Aber irgendwann kommen realwirtschaftliche Entwicklungen,
ihre Krisen und Aktienindizes doch zusammen!
Ja, aber das kann dauern und ist nicht sofort sichtbar. Die Krisen gilt es zu beachten. Aber es gibt Punkte, wie wir gerade beim Thema Inflation beleuchtet haben, da bleibt ein Gap bestehen. Daher raten wir gerade unseren jüngeren Kunden, vor Aktienoptionen, die gut diversifiziert sind, keine Scheu zu haben.
Das Bild ist sehr bunt. Ich versuche es nochmals mit einem chinesischen Beispiel: Der riesige chinesische Immobilienmarkt steht auf der Kippe. Ein ähnliches Szenario wie in den USA 2007/08 ist nicht zu erwarten, da zunächst in erster Linie der Binnenmarkt betroffen ist. Aber das Konsumklima in China wird sich eintrüben. China war aber in den letzten Jahren die Lokomotive der Weltwirtschaft. Wie speisen Sie solche Entwicklungen in Ihre Analysen mit ein?
Ein Investment in den chinesischen Immobilienmarkt gehört nicht in das Altersvorsorgeportfolio eines Schweizer Kunden. Hier sind wir als Versicherungsinstitut in der Pflicht, unseren Kunden ein adäquates Anlageuniversum zur Verfügung zu stellen.
Illiquide Investments und dazu noch in Schwellenmärkten gehören definitiv nicht dazu. Andererseits verlangen wir gerade in der von Ihnen analysierten komplexen Situation eine gute Beratung. Und in Hinblick auf eine gute Beratung verlassen wir uns auf kompetente Kooperationspartner. Wir betreiben keinen Direktvertrieb, was gerade in der heutigen schwierigen Situation sehr wichtig ist. Aber wie gesagt, wir ziehen uns nicht aus der Verantwortung.
Was bedeutet dies konkret?
Wir haben eine umfassendere Fondsauswahl als viele unserer Mitbewerber. Dadurch können wir zielgenaue Lösungen für unsere Kunden bieten. Dabei gilt es aber, folgende Hürde zu bearbeiten: Viele Akteure suchen bei der Altersvorsorge Sicherheit und wollen
Volatilität vermeiden. Das ist insbesondere bei jüngeren Jahrgängen aus unserer Sicht der falsche Ansatz. Ein guter Vermögensaufbau braucht eine dosierte Form an Volatilität. Gleichzeitig gibt es Assetklassen, die das Risiko des Totalausfalls beinhalten. Da müssen wir nicht nach Argentinien schauen, es gibt auch in Europa einige davon. Sie passen aus unserer Sicht nicht zum Thema Altersvorsorge. Diversifizierte Aktieninvestments haben
wiederum realistische Perspektiven, insbesondere für den langfristigen Anlagehorizont.
Kann man dies auf Branchen herunterbrechen? Mehr IT und Gesundheit und weniger Immobilien und Finanztitel?
Es geht um die aktuelle Interpretation des klassischen Konzepts von Value and Growth. Technologie bietet den langfristigen Erfolg, der aber jetzt noch nicht voll zu sehen ist. In der Gesundheitsbranche sehen wir die spannende Schnittstelle bei Medizin und Technik, sprich neuen Produkten, aber auch – bedingt durch die demografische Entwicklung der klassischen Dienstleistungen – einen Bedeutungsgewinn.
Kommen wir zu unserem Kernthema, der Vorsorge. Die Schweiz wird im internationalen Vergleich für ihre Vorsorgestruktur mit dem Modell der drei Säulen bewundert. Trotzdem ist das Thema in der Schweiz politisch hart umkämpft. Wie analysieren Sie die Situation und Auseinandersetzung?
Wir haben einen soliden Blick auf die europäischen Situationen. Man kann am Schweizer Modell viel kritisieren, im europäischen Vergleich steht es aber immer noch exzellent da. Da würde ich mit Ihnen übereinstimmen. Wir müssen uns aber zunächst die sehr unterschiedlichen Ausgangslagen anschauen. Das Verhältnis von staatlicher zu privater Vorsorge ist in der Schweiz um die 50 zu 50Prozent. In Italien oder Deutschland hingegen liegt das Volumen der staatlichen Vorsorge bei über 90Prozent. In einer solchen Situation
gibt es kaum Wettbewerb und die staatlichen Lösungen bieten eine schwache Performance. Teilweise gibt es nicht mal einen Inflationsschutz, primär wegen der hohen Kosten. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass in vielen Ländern staatliche Lösungen von privaten Lösungen zunehmend abgelöst werden, da staatliche Lösungen finanziell schlicht nicht nachhaltig sind.
Sie bieten Ihren Kunden zwei zentrale Modelle an: die fondsgebundene Lebensversicherung und die fondsgebundene Rentenversicherung. Beim Thema Lebensversicherung bin ich gestolpert. Ist das Thema Lebensversicherung nicht aufgrund der jahrelangen niedrigen Zinsen ein toter Hund?
Nein, ich würde sogar weitergehen. Das Thema Lebensversicherung hat, was seine Reputation betrifft, einen schlechten Ruf – und das aus guten Gründen. Man hat die Produkte lange zu teuer beraten und wenig Mehrwert für die Kunden geboten. Das
Motto war: Hier ist eine Lebensversicherung und darunter gibt es ein Zinsprodukt. Wir setzen demgegenüber auf Transparenz und auf eine renditestarke und breite Fondsauswahl, darunter selbstverständlich auch ETFs, …
… börsengehandelte Indexfonds, …
…die einerseits gut diversifiziert und andererseits kostengünstig sind. Dabei hat der Kunde durchgehend die freie Wahl. Die solide Veranlagung ist essenziell und das ist der grosse Vorteil im Vergleich zur üblichen Normalität.
Der Markt für solche Produkte ist intransparent.
Das ist kein Einzelfall. Nehmen Sie nur die Gelder der Pensionskassen in der zweiten Säule in der Schweiz. Wissen Sie, wo und wie diese angelegt werden?
«Es geht dabei nicht um
riskantes Day-Trading,
sondern um strategische
Entscheidungen.»
Im Normalfall nicht.
Wir versuchen, genau das Gegenteil zu machen. Es geht dabei nicht um riskantes Day-Trading, sondern um strategische Entscheidungen. Gerade vor einigen Tagen haben mir Kollegen von einem Kunden berichtet: Für ihn sind die Aktienmärkte jetzt hochgelaufen. Er hat sich Veränderungen an seinem Portfolio gewünscht und den Auftrag erteilt, in Fonds und Geldmarktanleihen umzuschichten, die defensiver aufgestellt sind. Das läuft bei uns problemlos. So hat der Kunde einen Bezug zur eigenen Altersvorsorge.
Springen wir in die Praxis: Wie läuft die technische Umsetzung bei Liechtenstein Life ab?
Bei uns schliessen Sie ein Lebensversicherungsprodukt ab. Es stehen zwei Varianten zur Verfügung. Dabei geht es im Rahmen der dritten Säule um die Lösung 3a oder 3b. Die Säule 3a ist an Bedingungen gebunden und bietet Steuervorteile. Die Säule 3b ist flexibler und wird daher auch freie Vorsorge genannt. Eine Mischlösung ist auch hier meistens die passendere Variante. Es kann sich um einen oder mehrere Fonds handeln. Bis zum Eintritt
in das Rentenalter haben Sie die Möglichkeit, Umschichtungen vorzunehmen. Da ist nichts in Stein gemeisselt. Die biometrische Absicherung umfasst zwei Varianten, die auch in Kombination einsetzbar sind: Es gibt einen Todesfallschutz und einen Erwerbsunfähigkeitsschutz. Beim ersten Modell geht es um die Frage der Deckungshöhe. Beim zweiten Modell bieten wir Prämienbefreiung oder auch eine Erwerbsunfähigkeitsrente an. In anderen Ländern können unsere Produkte eine Ausprägung als Renten- oder Lebensversicherung haben. In der Schweiz bieten wir das allerdings nur in Form von Lebensversicherungen an.
Warum?
Die Schweiz ist steuerlich attraktiv, nicht aber beim Thema Leibrenten. Dort greift ein Steuersatz mit 40 Prozent. Es macht für uns keinen Sinn, so etwas vorzuschlagen.
Das soll sich aber 2025 ändern. Die Leibrenten in der Säule 3b sollen den Anlagebedingungen flexibel angepasst werden. Das ist tatsächlich so, die Vorschläge und Veränderungen verfolgen wir aufmerksam. In Deutschland setzen wir auf Rentenprodukte mit Kapitalwahlrecht. Dieses Modell eruieren wir ebenfalls für die Schweiz.
Was heisst das?
Der Kunde kann wählen, ob er eine Rente beziehen will oder sich das Kapital im Rahmen des Renteneintritts auszahlen lässt. Wir agieren auch hier immer mit mehreren Bausteinen.
Beim Thema Rente haben die Kunden heute sehr unterschiedliche Vorstellungen. Das betrifft jetzt nicht nur den Klassiker «risikoreich oder konservativ». Heute gibt es Zielgruppen, die das Thema Nachhaltigkeit in ihrem Portfolio bespielen wollen.
Wie gehen Sie damit um?
Nachhaltigkeit ist ein weites Feld …
… der Begriff ist so schwammig, dass er immer wieder neu geschärft werden
muss. Versuchen wir es!
In der EU sind wir jetzt aber weiter. Im EU-Raum gilt es, nicht nur innerhalb der
Beratung die Anlagepräferenzen abzufragen, sondern auch das Thema Nachhaltigkeit auf den Tisch zu legen. Bei der SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation) handelt es sich um eine EUVerordnung, bei der es um nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor geht. Wir legen unsere Fonds dementsprechend aus. Das ist aber noch ein umkämpftes Feld, da Themen wie die soziale Frage oder Good Governance
unterschiedlich ausgelegt werden können. Wir arbeiten aber auch schon an sehr konkreten neuen Produkten, bei denen beispielsweise der Gender Gap eine Rolle spielt. Das Schweizer Steuersystem ist aber immer noch sehr klassisch aufgestellt, was das Thema Familie betrifft. Das ist eine Gratwanderung, aber wir sind an den Themen dran und kommunizieren das auch unseren Kunden.
Transparenz ist das wichtige Stichwort. Hier hilft vermutlich die Kunden-App
von Liechtenstein Life.
Im ersten Schritt setzen wir in unserem Beratungsportal voll auf Technologie, damit sich der Kunde bereits im Laufe des Beratungsgesprächs einen guten Überblick verschaffen kann. Mit der App ermöglichen wir Transparenz im Nachgang. Wenn die Vorschläge der Beratung mit jener der App übereinstimmen, bin ich auf dem richtigen Weg. Umgekehrt ist das ein Zeichen für unzufriedenstellende Beratung. Die App wird gut angenommen. Vor vier Jahren haben wir sie ausgerollt und inzwischen nutzen 80Prozent der Kunden unsere App.
Sie agieren in einem umkämpften Markt, dem der Vorsorgelösungen, mit vielen
Mitbewerbern. Wie und mit welchen Botschaften positionieren Sie sich hier?
Es geht um das Thema Unabhängigkeit, sowohl beim Thema Beratung als auch in der Veranlagung. Wir fühlen uns da sicher.
Warum ist das so?
Ein grosses etabliertes Vorsorgeunternehmen in der Schweiz punktet mit seinem Namen. Wir haben diesen Vorteil nicht. Wir können hier nur durch bessere Lösungen punkten. Viele Anbieter machen in der Schweiz einen guten Job. Sie sind aber fast alle grösser als wir. Grosse Player sind oft schwerfälliger.
Sehen wir die berühmten schwerfälligen
Tanker?
Ja, hier können wir als Schnellboot ein Zeichen am Markt setzen.
Und wie sieht es mit Chancen in der EU aus?
In Deutschland kommt unsere Lösung in Kombination mit der Währung Schweizer
Franken zum Teil sehr gut an. Das hat glücklicherweise nichts mehr mit den früheren Stiftungsmodellen und Schwarzgeldkonten zu tun. Es geht um Vorsorgelösungen, die eine stabile Währung in den Vordergrund stellen. Hier sehen wir Möglichkeiten der Expansion. So bringen wir das Modell der Schweiz nach Deutschland und in andere europäische Länder.