Solararchitektur kann dabei mit verhältnismässig geringem Aufwand einen erheblichen Effekt erzielen. Das verlangt vorausschauende Planung mit Einbezug der Solararchitektur, basierend auf fundiertem Fachwissen. Wesentlich sind die umfassende Planung und eine integrierte Bauweise. Das CAS Solararchitektur (CAS = Certificate of Advanced Studies CAS) wird von Februar bis Mai 2017 aktuelles Fachwissen vermitteln. Der Fachjournalist Charles von Büren befragte im Vorfeld den Studiengangleiter CAS Solararchitektur Andrea Rüedi und einen der Dozenten, Adrian Christen Architekt, Solarpreisgewinner und Absolvent CAS Solararchitektur 2010).
Ist Solararchitektur das Rezept um vom Verbrauch fossiler Energie für den Betrieb von Bauten wegzukommen?
Andrea Rüedi: Solararchitektur, vor allem das Direktgewinnhaus ist das Lösungsrezept, welches dabei mit ganz wenig Technik auskommt. Aus meiner Sicht der nachhaltigste Lösungsansatz.
Adrian Christen: Sicher gibt es verschiedene Möglichkeiten von der fossilen Energie wegzukommen. Die Solararchitektur hat primär das Ziel den Energieverbrauch durch solaren Direktgewinn zu reduzieren. Der Restenergiebedarf ist meistens sehr gering und kann mit verschiedenen erneuerbaren Energien gedeckt werden. Ein Haus, das auf solaren Direktgewinn ausgelegt ist, braucht meistens keine fossile Energie mehr.
Durch was zeichnet sich Solararchitektur aus? Sind das High-Tech-Installationen wie beispielsweise Solarzellen?
Adrian Christen: Solararchitektur ist Low-Tech. Die Nutzung von solarem Direktgewinn benötigt bloss grosse Fenster gegen Süden und eine entsprechend dimensionierte Speichermasse. Letztere ist ebenfalls Low-Tech: zum Einsatz kommen zum Beispiel Beton, Backsteine, Kalksandsteine, Lehm und Holz. Eine High-Tech-Installation ist dazu nicht nötig. Die einzige High-Tech-Installation ist die Steuerung des Sonnenschutzes damit es im Haus nicht zu heiss wird, aber auch das ist in einem normalen Haus bereits Standard und nicht mehr wirklich speziell.
Andrea Rüedi: Es geht darum, das Haus als Organismus zu sehen, also viel Haus und wenig Technik. Wenn das Haus zu 95 % durch das durch die Fenster eindringende Sonnenlicht beheizt wird, sind die Anforderungen für eine Zusatzheizung für wenige Tage im Jahr gering, da braucht es beispielsweise keine aufwendige Wärmeverteilung. Eine sommerliche Nachtauskühlung die auf nächtlicher Querlüftung basiert und beispielsweise geschickt die innere Hausmasse als Speicher benutzt, kommt ohne elektrischen Strom aus.
Adrian Christen: Zudem sind Solarzellen für die Produktion von Strom heute bereits vielfach erprobt und ein Produkt ohne Risiko. Eine solche Anlage ist einfacher als jede Anlage mit Warmwasserkollektoren: Zellen und ein Wechselrichter und fertig ist die Anlage. Die Solarzellen machen das solare Direktgewinnhaus zum Plusenergiehaus.
Andrea Rüedi: Dazu ist aber auch zu sagen, wenn eine möglichst geringe Abhängigkeit vom Strom zum Systemansatz gehört, hat im Gegensatz zum konventionellen Haus die Sicherheit der Stromversorgung keine Höchstpriorität mehr.
Durch was unterscheidet sich ein Bau der nach den Prinzipien der Solararchitektur gebaut wurde von einem gängigen Bauwerk?
Andrea Rüedi: Ganz einfach, man sieht ihm von aussen an, woher die Sonne scheint. Solararchitektur hat zudem auch innen massive Oberflächen um die Sonnenwärme passiv speichern zu können. Um am wenigsten Technik zu benötigen sind die inneren Oberflächen baubiologisch hochwertig, so können sie Feuchte und Gerüche regulieren. Die karbonfreien Aussenwand- und Dachkonstruktionen sind hoch wärmegedämmt und diffusionsoffen gewählt und damit auch nachhaltig bauschadenfrei und gesund.
Adrian Christen: Einem Gebäude ist dies von aussen, aber auch von innen oft gar nicht anzusehen. Im Innern des Hauses ist es fühlbar. Die Innentemperaturen sind weniger konstant, so kann es im Dezember auch einmal 25° warm sein. Im Sommer ist es aber in einem solchen Haus, dank der grossen Speichermasse und dem guten Sonnenschutz, eher weniger heiss als in einem gängigen Bauwerk. Für das Wohlbefinden der Bewohner sind andere Entscheide wichtiger, zum Beispiel ein gesundes Innenraumklima und damit verbunden die Auswahl der verwendeten Materialien und Konstruktionsweise. Sehr oft ergänzt sich das aber sehr gut mit der Solararchitektur.
Vermittelt der Kurs CAS Solararchitektur genügend Detailwissen für die Planung?
Adrian Christen: Das Detailwissen für die Planung ist ein sehr wichtiger Teil dieses CAS, wenn nicht sogar der Wichtigste. In derartigen Gebäuden steckt viel rechnerisches Wissen. Dieses vermittelt CAS Solararchitektur. In der Modularbeit muss ein Konzept für ein Direktgewinnhaus erarbeitet und die diversen Berechnungen erstellt werden.
Andrea Rüedi: Die Studierenden erarbeiten während des Moduls in Zweiergruppen eine ganze Planung und setzen sich direkt mit Berechnungen und Konstruktionen auseinander. Durch die Dozenten wird sehr breit Detailwissen eingebracht. Die Exkursionswoche bringt zudem die wichtige direkte Tuchfühlung.
Werden im Kurs auch Argumente vermittelt, die skeptische Bauherren zu überzeugen vermögen?
Adrian Christen: Besonders die zahlreichen, bereits korrekt gebauten Direktgewinnhäuser liefern unzählige gute Argumente und damit glaubwürdige Referenzen für Bauherren, die direkte und praktische Informationen suchen. Ich persönlich würde aber nie eine Bauherrschaft dazu überreden ein Direktgewinnhaus zu bauen. Die Bauherrschaft muss das selber wollen und davon überzeugt sein.
Andrea Rüedi: Wir vermitteln die Fakten. So wird die eigene Überzeugung geschult, das ist das glaubwürdigste Argumentarium.
Werden praktische Beispiele gezeigt, resp. entsprechende Bauwerke besucht?
Andrea Rüedi: Wir arbeiten quasi nur an praktischen Beispielen und einige werden auch besucht.
Adrian Christen: Die Besichtigungen solcher gebauten Häuser, manche schon über 20-jährig und andere gerade erst fertiggestellt, sind Höhepunkt und zentrales Element dieses CAS Solararchitektur. Erst diese Exkursionen führen das Potenzial der Solararchitektur, sowohl energetisch wie auch bezüglich Wohnqualität vor Augen. Die kreativen Konzepte für Direktgewinnhäuser sind derart vielfältig, dass man das sehen muss um es zu erfassen. Ich bin auch heute noch, sechs Jahre nach meinem Kursbesuch, von diesen Exkursionen begeistert und profitiere heute noch davon.