Die Unternehmensnachfolgerinnen von heute sind um die 30, gut qualifiziert und erfolgreich. Und sie sind immer noch selten. Das wollen unserer Autorinnen Daniela Jäkel-Wurzer und Kerstin Ott mit ändern. Jetzt haben die beiden ein Buch über Töchter in Familienunternehmen geschrieben.
Es geht immer wieder um die gleiche Frage: «Wo bleiben die Frauen?» Wir haben beide beruflich mit Familienunternehmen zu tun. Wir coachen Unternehmerfamilien beim Generationswechsel oder kommen als Transaktionsund Finanzierungsexpertin ins Spiel, wenn Unternehmen extern nach einem Nachfolger Ausschau halten. Immer noch haben wir nur in Ausnahmefällen mit weiblichen Anwärterinnen zu tun.
Dass Töchternachfolge in Deutschland immer noch ein Thema sein soll, überrascht auf den ersten Blick. Schliesslich leben wir in einer Zeit, in der die Gleichstellung von Männern und Frauen selbstverständlich scheint, in der jährlich die Zahl gut qualifizierter Hochschulabsolventinnen steigt und Frauen in Regierungen der Schweiz und Deutschland mächtige Regierungsämter bekleiden.
Doch die Statistik bestätigt: Der Frauenanteil bei Betriebsübernahmen liegt je nach Bundesland in Deutschland nur zwischen 13 und 28 Prozent. In der Schweiz und Österreich sieht das nicht viel anders aus. Dabei gibt es spannende Erfolgsmodelle. Vier Monate reisten wir im Rahmen des Buchprojektes durch Deutschland, Österreich und die Schweiz und führten intensive Gespräche mit Nachfolgerinnen von Unternehmen verschiedenster Grösse und Branche.
Eine wichtige Erkenntnis war, dass sich die amtierenden Nachfolgerinnen nur selten gegen männliche Konkurrenz durchsetzen mussten. Nur knapp
30 Prozent der befragten Unternehmerinnen haben Brüder. Doch auch wenn das Modell «Töchter in der Nachfolge» immer noch selten ist, konnten wir aufzeigen, dass das Thema Töchternachfolge ein enormes Erfolgspotenzial birgt.
Langsamer Einstieg
Ein erster Erfolgsfaktor weiblicher Nachfolge zeigt sich schon zu Beginn der Übernahme. Töchter haben es nicht eilig, allein die Verantwortung zu tragen. Ganz im Gegenteil. Oft steigen sie über ein neues Projekt ein und führen eine längere Zeit gemeinsam mit dem Übergeber. Auf diese Weise nutzen sie effektiv das Wissen des Vaters, bauen sich wichtige Netzwerke auf und machen sich mit den Strukturen des Unternehmens vertraut. Eine Unternehmensübergabe bereitet im Idealfall auch das Unternehmen auf die zukünftigen Herausforderungen vor. So zählt es als Vorteil, sich mit Unternehmen und Mitarbeitern vertraut zu machen und bei geplanten Veränderungen alle mit ins Boot zu holen – Mitarbeiter, Familie, Übergeber.
Dass diese Strategie zum Erfolg führt, zeigt auch das Beispiel einer jungen Hotelchefin aus München. Diese hatte nicht nur das Geschäft des Vaters übernommen und ausgebaut. Ihr Vater führte sie im Zuge der Übernahme auch Schritt für Schritt in seine öffentlichen Ämter und Positionen ein. Auch nach seinem Austritt aus dem Unternehmen unterstützt er seine Tochter und stellt ihr sein Netzwerk zur Verfügung. Eine Win-win-Situation für das Nachfolgeduo und das Unternehmen.
Loslassen als Hürde
Sich Zeit für den Führungswechsel lassen zu können, das kommt auch bei den Vätern gut an. Loslassen, was Jahrzehnte zentraler Lebensinhalt war, fällt vielen Unternehmern schwer. Dieser Schritt ist eine emotionale Hürde und braucht viel Zeit und Geduld. Begegnen die Töchter ihren Vätern wertschätzend, erleichtern sie ihnen diesen Übergang. Dennoch, ohne verlässlichen Austrittstermin geht es nicht. Denn der Erfolg der Nachfolge nimmt mit der Dauer des Tandems eher ab.
In unserer Beratungspraxis erleben wir es häufig in der Beratung, dass Väter ratlos sind angesichts der Möglichkeiten und Entscheidungen, vor denen sie in der Übergabe stehen. Als zusätzliche Herausforderung sind noch die emotionale Betroffenheit sowie die Tatsache, dass unternehmerische Entscheidungen in die Familienbeziehungen einwirken, zu nennen.
Das wichtigste Instrument in einem Nachfolgeprozess ist die Kommunikation. Überraschend wenig wird in Unternehmerfamilien über diese Themen gesprochen, auch wenn die Familienmitglieder tagtäglich zusammenarbeiten und zusammenleben, zeigen die Erfahrungen aus der Beratungspraxis.
Die sechs wichtigsten Regeln für Patrons
1. «Schön, dass wir darüber gesprochen haben!»
Väter wollen von ihren Töchtern gesagt bekommen, dass sie sich für die Nachfolge interessieren. Töchter wollen gefragt werden, ob sie sich diese Aufgabe vorstellen können. Eltern wollen ihre Kinder nicht bedrängen und sprechen sie nicht direkt an. Kinder denken, nur wenn die Eltern mich auch fragen, trauen sie es mir wirklich zu. Die Ergebnisse der Spekulation auf beiden Seiten sind häufig dauerhafte Sprachlosigkeit, unausgesprochene Erwartungen und ein Nachfolgeprozess, der mit mehr Risiken belastet wird, als notwendig ist. Miteinander zu sprechen, ist das wichtigste Instrument in der Gestaltung einer gelungenen Nachfolge. Wer dabei den ersten Schritt macht, ist eigentlich egal
– solange einer den Dialog eröffnet.
2. «Solange du deine Füsse unter meinen Tisch stellst …»
Damit Töchter zu Unternehmerinnen werden, müssen sie auf Augenhöhe mit ihren Vätern sein. Sie sollten ihre Entscheidungen auch durchsetzen. Ein eigener Führungsstil ist dabei wichtig. Sie müssen sich Akzeptanz erkämpfen. Dabei gilt es eigene Strukturen zu entwickeln. All das ist nicht möglich ohne Widerspruch. Um erfolgreich ein Unternehmen zu führen, müssen Nachfolgerinnen zwischen Tochter und Unternehmerin als zwei gänzlich verschiedene Rollen unterscheiden können. Väter brauchen sich angesichts dieser Veränderungen also nicht zu sehr zu ärgern. Sie sind vielmehr ein Zeichen dafür, dass die Tochter gerade auf dem Weg ist, eine gute Nachfolgerin zu sein. Glückwunsch!
3. Welche Wege führen eigentlich nach Rom?
In der Nachfolge sollte es einen Masterplan geben, bei dem Töchter und Väter beteiligt sind. Steuerberater und Rechtsanwalt können wichtige Inputs dafür geben. Nicht nur weil es in einem so heiklen und wichtigen Prozess wie der Unternehmensübergabe eines ausgereiften Plans B bedarf, sollte sich der Übergeber unbedingt über Alternativen informieren. Ob Verkauf,
Fremdgeschäftsführung oder Strategieneuaus richtung – Übergeber sollten sämtliche Optionen kennen, um ihre finale Nachfolgestrategie bestmöglich ausrichten zu können.
4. Bitte adoptieren Sie nicht Prinz Charles!
«Sie ist noch nicht so weit.» «Vorher sollte sie noch ein Abendstudium machen.» «Sie ist noch zu jung für die Aufgabe.» «Sie soll doch noch Familie gründen.» Alles Sätze, mit denen Väter vielleicht begründen, warum sie sich auch nach vielen Jahren der Tandemführung mit der Tochter noch nicht endgültig aus dem Unternehmen zurückgezogen haben.
Zum Teil mögen die Argumente berechtigt sein. Häufig nutzen Übergeber jedoch derartige Erklärungen bewusst oder unbewusst, um ihren eigenen Abschied aufzuschieben. Sie holen, nicht zuletzt auf Drängen der Beteiligten wie Banken und Mitarbeiter, die Nachfolgerin ins Unternehmen. Anstatt jedoch konsequent die Verantwortung abzugeben, halten die Väter an ihrer Position fest. Mit der vermeintlich fehlenden Kompetenz der Nachfolgerin rechtfertigen sie die Verzögerung. Heraus kommt eine Schleife, die auch als «Prinz-Charles-Prinzip» bezeichnet wird. Und das ist problematisch. Eine Nachfolgerin, die ewig die zweite Geige spielt, verliert nicht nur den Glauben an sich selbst. Sie wird auch bald von niemandem mehr ernst genommen und ist somit bald «verschlissen».
Väter sollten ihre Töchter nicht am langen Arm verhungern lassen, sondern sich direkt für den einen oder den anderen Weg entscheiden. Sind die Erwartungen, die Sie stellen, realistisch und offen besprochen? Dann bedarf es vielleicht einer alternativen Nachfolgelösung. Hat der Übergeber erkannt, dass er noch gar nicht in den Ruhestand gehen will? Dann gilt es dies klar zu kommunizieren und nach alternativen Möglichkeiten zu suchen. Nachfolger in der Ungewissheit zu belassen, ist definitiv kein Weg.
5. Der Übergeber hat das Wort
Die Regelung der Nachfolge ist eine komplexe Angelegenheit. Es gibt unzählige verschiedene Wege, die Übergabe zu gestalten, und jede Familie darf ihren eigenen finden. Aber wem obliegt es überhaupt, die Gespräche anzustossen? Wäre es nicht viel einfacher, wenn die Jungen das übernehmen? Manch ein Senior hat sich vielleicht auch schon beim Gedanken ertappt, das Thema Nachfolge einfach ungeregelt den Kindern zu überlassen. Sollen die sich doch damit rumärgern. Die ganze Last den Nachkommen aufzubürden, ist jedoch keine gute Idee.
Es ist ganz klar die Aufgabe des Übergebers, ein Grundgerüst zu entwerfen. Dazu gehört zum Beispiel, die erbschaftssteuerliche Situation zu prüfen, einen Notfallplan zu erarbeiten und Überlegungen zur Verteilung anzustellen. Steht dieser Rahmen, wird ein Familientisch einberufen und das Vorgehen diskutiert.
Der Prozess der Gestaltung kann sich eine Weile hinziehen. Nicht selten vergehen Jahre, bis eine Übergabe von der Planung bis zum Abschluss gebracht ist. Daher ist es wichtig, rechtzeitig mit den Überlegungen zu beginnen.
Bis die Übergabe vollzogen ist, gilt: Der Senior trägt die finale Verantwortung für das Entstehen einer guten Lösung.
6. Wenn der Vorhang fällt
Niemand lässt freiwillig etwas Liebgewonnenes los. Niemand investiert, ohne zu wissen, dass das Ergebnis sich wirklich lohnt. Kaum einer macht sich auf den Weg, ohne ein Ziel vor Augen zu haben. Damit der Übergeber am Ende des Prozesses Ihr Unternehmen wirklich loslassen kann, benötigen Sie einen Alternativplan. Was machen Sie, wenn der Vorhang fällt und Ihre Chefrolle im Stück «Familienunternehmen» beendet ist? Bleiben Sie hinter dem Vorhang stehen? Suchen Sie sich ein neues Engagement? Wie könnte das neue Stück heissen? Oder hängen Sie Ihre Schauspielkarriere an den Nagel und nehmen etwas ganz anderes in Angriff? Eine sinnhafte Herausforderung für die Zeit nach dem Ausstieg zu haben erleichtert das Loslassen.
Nicht immer funktioniert der Ausstieg der Väter reibungslos. Es gibt auch Beispiele, bei denen die Unternehmerin, nachdem ihr Vater das Unternehmen entgegen aller Zusagen nicht verlassen wollte, den Bruch herbeiführen musste. Das belastet auch die Vater-Tochter-Beziehung sehr. Auch derartige Entscheidungen müssen dann zum Wohle des Unternehmens getroffen werden, greifen keine anderen Mittel mehr.
Kinder und Karriere sind kein Widerspruch mehr
Was zunächst ein Hindernis schien, zeigt sich heute als klarer Erfolgsfaktor der weiblichen Nachfolge. Nachfolgerinnen nehmen sich die Freiheit, ihr Leben zu gestalten. Dazu gehört neben der Karriere auch die eigene Familie. Es in puncto Arbeitspensum ihren Vätern gleichzutun, ist für die meisten Töchter somit schlichtweg unmöglich. Wenn sie Familie und Führungsposition verbinden wollen, können sie nicht 70 Stunden die Woche im Betrieb verbringen.
Wichtig für Töchter ist es, klare Bedingungen für ihren Einstieg zu formulieren. So tat es auch Nachfolgerin eines grossen Textilunternehmens in Bern. Als ihr Bruder sich gegen die Nachfolge entscheidet, kommt sie unerwartet ins Spiel. Zunächst hat sie grosse Zweifel angesichts der verantwortungsvollen Aufgabe. Zu der Zeit ist sie zudem Mutter kleiner Kinder und fragt sich, ob die beiden Rollen überhaupt miteinander vereinbar sind. Doch sie traut sich letztendlich doch, fordert klare Bedingungen für ihren Einstieg ein und übernimmt die Gesamtverantwortung. Heute sagt sie, sie habe den Schritt nie bereut.
Die Doppelrolle Familie & Beruf wirkt sich auch positiv auf die Unternehmensstruktur aus. Die Frauen bauen ein starkes Führungsteam auf, geben Verantwortung ab, führen kooperativer und ermöglichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, sich zu entwickeln. Auch die Führung im Tandem zum Beispiel mit einem Fremdgeschäftsführer gehört zu den Strategien der Vereinbarkeit. Dies ist eine weitere Besonderheit von Frauen in der Nachfolge: Sie kennen ihre Stärken und nutzen aktiv die Führung im Team. Viel seltener als ihre Väter laufen die Unternehmerinnen damit Gefahr, zur Allein-Entscheiderin zu werden und sich unentbehrlich zu machen
Einfacher in der nächsten Generation
Die vielseitigen Aufgaben und Rollen im Leben der Unternehmerinnen sorgen in gewisser Weise auch dafür, dass es die nächste Generation leichter haben wird. Mal davon abgesehen, dass erfolgreiche Rollenvorbilder auch andere Frauen inspirieren, den Schritt an die Spitze des Unternehmens zu wagen. Den Frauen fällt es auch wesentlich leichter als ihren Vätern, das Unternehmen loszulassen. Selbst oft Quereinsteigerinnen und dadurch mit neuen Herausforderungen gut vertraut, planen sie ihre eigene Nachfolge im Schnitt bereits zehn Jahre früher als die Väter.
Es sind eigene Projekte, die sie noch verwirklichen wollen, oder das Wissen darüber, dass man der jungen Generation Raum geben muss, damit diese erfolgreich werden kann. Geschlecht spielt bei der Entscheidung der nächsten Übergebergeneration aber keine Rolle mehr. Qualifikation, ausreichend Erfahrungen ausserhalb und die Freiwilligkeit der Entscheidung sind Kriterien, nach denen zukünftige Nachfolger und Nachfolgerinnen ausgewählt werden.
Gerade weil ihre Rolle nie selbstverständlich war, entscheiden sie sich junge Familienunternehmerinnen ganz bewusst für ihre Führungsaufgabe und gestalten diese selbstsicher und mit Leidenschaft. Das bringt frischen Wind und sichert die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen. Erfolgsgeschichten werden künftig dazu beitragen, dass sich mehr Frauen der Herausforderung Nachfolge stellen, denn: «Töchternachfolge ist ein echtes Erfolgsmodell.»
Weitere Informationen:
www.generation-toechter.de