Wie wird die Aktienrechtsrevision den Prozess von Firmengründungen verändern? Ab Januar 2023 gelten sämtliche neuen Bestimmungen des neuen Aktien- und Gesellschaftsrechtes. Einige wurden in den letzten Monaten bereits umgesetzt. Sicher ist eines: Die Gründung von AGs wird künftig flexibler. Grössere Freiheiten gibt es bei der Gestaltung der Kapitalstruktur und Ausschüttung von Dividenden.
Bei der Gründung können die Unternehmen neu wählen, ob sie den Schweizer Franken oder eine andere anerkannte Währung (Euro, Pfund, Dollar, Yen) als Referenzwährung verwenden wollen. In einer Zeit, in der der Euro-Schweizer-Franken-Kurs volatil ist, kann diese neue Möglichkeit für Unternehmen interessant sein, die im Rahmen ihrer Tätigkeit mit Unternehmen in der Eurozone interagieren.
Darüber hinaus werden die recht komplexen und unklaren Regeln im Zusammenhang mit der Übernahme von Aktiva und Passiva vereinfacht. Das neue Recht legt den Schwerpunkt auf die unternehmerische Verantwortung, ohne von den Unternehmen zeit- und manchmal auch kostenintensive Berichte und Analysen zu verlangen. Diese Erleichterungen für Unternehmen zugunsten der unternehmerischen Verantwortung sind zu begrüssen.
Flexiblere Aktienkapitalvorschriften
Für ein Unternehmen, das auf Fremdfinanzierung angewiesen ist, bringt das neue Aktienrecht mehr Flexibilität bei der Gestaltung des Aktienkapitals mit sich. Das Unternehmen kann zunächst den Nennwert der Aktien auf den Betrag festlegen, den es für richtig hält, sofern dieser Betrag grösser als Null ist. Diese Flexibilität wird es den Unternehmen ermöglichen, den realen Wert ihrer Wertpapiere zu senken. Insbesondere wenn es darum geht, die Tür für neue Investoren zu öffnen, kann dies attraktiv sein.
Neu ersetzt das Kapitalband das heutige genehmigte Kapital, welches lediglich Kapitalerhöhungen zulässt und maximal zwei Jahre lang gilt. Die Statuten können jetzt den Verwaltungsrat ermächtigen, während einer Dauer von längstens fünf Jahren das Aktienkapital innerhalb einer Bandbreite (Kapitalband) zu verändern. Sie legen fest, innerhalb welcher Grenzen der Verwaltungsrat das Aktienkapital erhöhen und herabsetzen darf.
Die obere Grenze des Kapitalbands darf das im Handelsregister eingetragene Aktienkapital höchstens um die Hälfte übersteigen und die untere Grenze darf dieses höchstens um die Hälfte unterschreiten. Achtung: Die Statuten dürfen den Verwaltungsrat nur dann ermächtigen, das Aktienkapital herabzusetzen, wenn die Gesellschaft nicht auf die eingeschränkte Revision der Jahresrechnung verzichtet hat (Opting-out).
Steuerlich entsteht die Abgabeforderung bei Beteiligungsrechten, die im Rahmen eines Kapitalbands ausgegeben werden, am Ende des Kapitalbands. Auf den Beträgen, die der Gesellschaft im Rahmen eines solchen Kapitalbands zufliessen, wird die Abgabe nur so weit erhoben, als diese Zuflüsse die Rückzahlungen im Rahmen dieses Kapitalbands übersteigen.
Diese neuen Bestimmungen bieten dem Verwaltungsrat eine willkommene Flexibilität bei der Verwaltung des Aktienkapitals der AG, insbesondere im Vorfeld bestimmter Restrukturierungen.
Rechtssicherheit bei Dividenden im laufenden Geschäftsjahr
Dividenden können neu auch aus Gewinnen des laufenden Geschäftsjahres ausgeschüttet werden. Die Gültigkeit einer Zahlung solcher sogenannten «Interimsdividenden» ist nach geltendem Recht umstritten. Die neuen gesetzlichen Bestimmungen bringen damit willkommene Rechtssicherheit.
Die Generalversammlung kann danach gestützt auf einen unterjährigen Zwischenabschluss die Ausrichtung einer derartigen Zwischendividende beschliessen. Der Zwischenabschluss ist nach denselben Grundsätzen wie der reguläre Jahresabschluss zu erstellen.
Die Revisionsstelle muss den Zwischenabschluss vor Beschlussfassung durch die Generalversammlung prüfen. Auf die Prüfung kann allerdings verzichtet werden, wenn sämtliche Aktionäre der Ausrichtung der Zwischendividende zustimmen und die Forderungen der Gläubiger dadurch nicht gefährdet werden. Im Fall eines sogenannten Opting-out (Verzicht auf die reguläre Jahresabschlussprüfung im Fall sogenannter Kleinstunternehmen) ist ebenfalls keine Prüfung erforderlich.
Diese neuen Bestimmungen über Zwischendividenden gelten nicht nur für Aktiengesellschaften, sondern auch für Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH).
Nichtfinanzielle Berichterstattung
Für gewisse Gesellschaften bringt die Aktienrechtsrevision nicht nur grössere Freiheiten, sondern auch mehr Pflichten im Bereich Berichterstattung: Die neuen Governance-Modelle, die in vielen Länder schon anwendbar sind, werden auch in unserem Land Fuss fassen.
Der indirekte Gegenvorschlag zur abgelehnten Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt» ist schon am 1. Januar 2022 in Kraft getreten. Ab dem Geschäftsjahr 2023 kommen die neuen Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten zur Anwendung. Veröffentlicht werden die Dokumentationen für das Geschäftsjahr 2023 im Jahr 2024.
Der Gegenvorschlag möchte Unternehmen mit der Einführung der nichtfinanziellen Berichterstattung und thematischen Sorgfaltspflichten zu verantwortungsvollem Handeln verpflichten, ohne sie bürokratisch zu überlasten. Grosse Schweizer Unternehmen werden gesetzlich verpflichtet, über die Risiken ihrer Tätigkeiten in Bezug auf Umwelt, Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Bekämpfung der Korruption sowie über die dagegen ergriffenen Massnahmen Bericht zu erstatten. Unternehmen mit Risiken in den sensiblen Bereichen der Kinderarbeit und der sogenannten Konfliktmineralien müssen besondere und weitergehende Sorgfaltspflichten einhalten.
Nur die grösseren Unternehmen sind von der neuen nichtfinanziellen Berichterstattungspflicht betroffen. Der Verwaltungsrat spielt eine wichtige Rolle in diesem Bereich. Er genehmigt und unterzeichnet den Bericht über nichtfinanzielle Belange und erstattet jährlich Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten. Die Generalversammlung muss den Bericht über nichtfinanzielle Belange zusätzlich genehmigen.
Eine Regulierung, angepasst an aktuelle Herausforderungen
Die Digitalisierung hält offiziell Einzug – auch im Hinblick auf Generalversammlungen und Verwaltungsrat Sitzungen. Die Lösungen, die im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie eingeführt wurden, treten nun endgültig in Kraft. Ein Unternehmen kann seine Hauptversammlung neu virtuell an verschiedenen Orten und sogar im Ausland abhalten. Diese Möglichkeiten müssen jedoch in den Statuten, der grundlegenden Charta jeder Gesellschaft, vorgesehen werden.
Fazit
Auch wenn sie oft nicht bekannt sind, spielen die Regeln, die unsere Wirtschaftsstrukturen dirigieren, eine wichtige Rolle für den Wirtschaftsstandort Schweiz. Unsere Vorschriften sind dafür bekannt, dass sie sowohl stabil und nachhaltig als auch flexibel und anpassungsfähig sind, um den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern den grösstmöglichen Spielraum für die Führung ihres Unternehmens zu lassen. Die neuen Regelungen sorgen für Kontinuität.
Weitere Informationen:
www.bdo.ch