Ein junges Start-up aus Baselland macht sich auf, Schulen aus pädagogischer Sicht zu digitalisieren. Dabei macht es mit seinem Produkt vieles anders und besser als andere, auf den Markt drängende Unternehmen. Bei der proscola GmbH und der gleichnamigen App proscola stehen insbesondere Lehrer, Schüler und Eltern sowie Schulleitungen im Fokus.
Frau Nocito, Sie sind Mitgründerin des Startups proscola GmbH mit Sitz Baselland. Ihr Unternehmen besteht nun schon seit 15 Monaten. Sie und Ihre Kollegen haben alles von Grund auf aufgebaut. Viele Startups überstehen gerade die ersten Schritte nicht. Was haben Sie richtig gemacht?
Nun, wir sind keinen Illusionen gefolgt aber eine klare und erreichbare Vision formuliert. Wir waren vom Nutzen und der Besonderheit unseres Produktes überzeugt und haben unsere Idee bereits im Vorfeld potenziellen Kunden vorgestellt. Wir haben deren konstruktives und durchweg positives Feedback genutzt. Zudem sind wir sehr bodenständig und minimieren Risiken. Die Entwicklung des Produktes zur Marktreife hin und der Aufbau der Firma geschah aus eigenen Mitteln. Die Firma ging dadurch keinerlei Verbindlichkeiten ein.
Sie haben ein Schulmanagementsystem entwickelt?
Ja und nein. So ausgedrückt, würde das zu kurz greifen, weil sich viele Menschen darunter nur den administrativen Aspekt von Schule vorstellen. Wir haben ein digitales Lern-, Lehrmanagementsystem für Bildungsinstitutionen entwickelt, welches Lehrer und Schüler in den Mittelpunkt stellt. Es geht um Pädagogik, die Art, wie in modernen Schulen gearbeitet werden soll. Es geht um eine echte, sinnvolle Digitalisierung von Schulen. Wir möchten Schulen in die Moderne überführen ohne die Pädagogik in die zweite Reihe zu stellen.
Schuldigitalisierung ist im Kommen und in diese Richtung werden bereits Anstrengungen unternommen. Wie stellt sich der Markt aktuell dar und wie gestaltet sich die Implementierung von digitalen Instrumenten in Schulen? Welche Erfahrungen machen Sie vor Ort?
Gesamtheitlich betrachtet, sehen wir ein Bildungsumfeld, welches sehr inhomogen ist. Auf der einen Seite ist es mehrheitlich Konsens, dass Bildung, digitale Medien und Digitalisierung zusammengehören. Allein die Art und Weise, wie das praktisch umgesetzt wird, ist sehr uneinheitlich und schon die Definition, was Digitalisierung in Schulen leisten soll, wird nicht einheitlich formuliert. Das Thema selbst wird in Bildungsinstitutionen kontrovers aufgenommen, weil moderne Instrumente auf konservative Pädagogikstrukturen und eine tendenziell konservativ eingestellte Lehrerschaft treffen. Wichtig dabei ist, dass beim Aufeinandertreffen dieser beiden Welten immer eine Wertung im Spiel ist. IT, Digitalisierung und moderne Medien werden zurecht als „die Zukunft“ positiv bewertet aber leider werden gleichzeitig bewährte und bestehende pädagogische Strukturen und Arbeitsprozesse als „altbacken“ angesehen, als etwas, was zu ersetzen wäre. Der Mensch dahinter, welcher gute pädagogische Arbeit leistet, rutscht allzu oft in diese negative Bewertung mit hinein. Dass dann die Akzeptanz bei der Einführung von neuen Instrumenten unterdurchschnittlich bleibt, ist mehr als klar. Verstärkt wird die ablehnende Haltung auch durch schlechte Erfahrungen mit digitalen Hilfsmitteln. In vielen Schulen gibt es für jede Aufgabe je eine Applikation, ein Netzlaufwerk für die Ablage von Dateien und vielleicht eine schuleigene e-Mailadresse, was dann als Schuldigitalisierung verkauft wird. Die Arbeit wird in einer so inhomogenen Struktur mit vielen Tools erschwert und nicht erleichtert. Viele Lehrer sind diesbezüglich frustriert. Solche Apps gibt es unzählige am Markt. Was es kaum gibt, sind voll integrierte, umfassende und rein für Bildungsinstitutionen konzipierte Applikationen. Wenn sie dann zusätzlich in einem System noch pädagogische Funktionen suchen, wird es rar.
Vermutlich versuchen Sie genau hier ihr Produkt zu positionieren!
Ja genau. Es ist ganz klar eines unserer Alleinstellungsmerkmale, was uns gute Chancen eröffnet. Es ist aber trotzdem nicht zu unterschätzen, wie schwer es ist, Menschen mit einem bestimmten Erfahrungshintergrund und einer bestimmten Erwartung zu überzeugen. Was wir unseren potenziellen Kunden und den Anwendern immer aufzeigen ist, dass dieses Produkt von Lehrern konzipiert wurde. In Bezug auf die proscola App ist es nicht nur ein Marketingkniff, wenn wir sagen, dass wir genau wissen was Lehrer brauchen. Genau diesen Satz hören wir aber auch als Bestätigung für unser Produkt von allen Lehrern und Schulleitern, die die Anwendung als Demo gesehen haben.
Sie sprechen von pädagogischen Funktionen. Mit einer Software lassen sich Daten erfassen und darstellen und im Bereich Kommunikation zum Beispiel Infos austauschen. Das ist wenig abstrakt. Wie kann man sich aber in einer App eine pädagogische Funktion vorstellen?
Nun, letztlich sind es nicht die einzelnen Basisfunktionen der App, wie zum Beispiel Noten oder Absenzen verwalten, die eine pädagogische Funktion ausmachen, sondern die Verknüpfung der einzelnen Daten untereinander. Natürlich nimmt proscola auch Noten auf, aber wir verknüpfen die Noten mit Lektionen, den bereitgestellten Lernmaterialien und dem dahinter liegenden Lehrplan. Als Übersicht entstehen dann Leistungsbilder der Lernenden, wo man genau sehen kann, wo im Lehrplan, jeder individuell, noch nacharbeiten muss oder wo sich während der Schulkariere Wissenslücken aufgebaut haben. Wenn sie dieses Leistungsbild auch noch auf Berufsprofile projizieren, sehen sie sehr schnell, welche Berufe für Jugendliche in Frage kommen. Das sind Informationen, die pädagogisch sehr wertvoll sind, die pädagogische Arbeit unterstützen und in manchen Bereichen sogar erst möglich machen.
Gibt es noch andere Dinge, die in der proscola App vernetzt sind?
Vernetzung, Integration und das Teilen von Wissen sind der rote Faden der gesamten Applikation. Genaugenommen findet die Verbindung der administrativ gewonnen Daten über mehrere hierarchisch angeordneten Level statt. Jede Hierarchieebene bringt ihren eigenen Benefit und es entsteht letztlich ein umfassendes Abbild der Arbeit in einer modernen Schule. Proscola ist damit eine in sich konsistente, «All-In-One» Lösung, die alle Beteiligten im Umfeld Schule sowie Schulen untereinander lokal aber auch global vernetzt. Für bildungstechnisch gut entwickelte Länder ist es das perfekte Tool, um Lehrern die Freiräume zu verschaffen, die sie für die pädagogische Arbeit brauchen und für Schüler ein Lernmanagementsystem, welches anleitet und unterstützt. Für Entwicklungsländer wiederum ist es ein komplettes Schulsystem, das Bildungsstrukturen samt Lehrmittel, unabhängig von Ressourcen, ausgebildeten Lehrkräften oder Infrastruktur bereitstellt.
Wie soll eine globale Zusammenarbeit zwischen einer Schweizer Schule und Lernwilligen, in Afrika zum Beispiel, konkret funktionieren?
Dass wir global auftreten, ergibt sich aus dem Konzept unseres Produktes, aber auch aus der Vision, Bildung zu demokratisieren. Lehrkräfte, in der Schweiz zum Beispiel, erstellen, wenn sie proscola benutzen, laufend strukturierte Lernmaterialien für ihre Klassen vor Ort. Diese können, auf Wunsch, lokal für andere Lehrkräfte aber auch global für Lernende weltweit freigegeben werden. Sie sind so gestaltet, dass autonomes Lernen möglich ist. Wir möchten unser Schulsystem in wenig entwickelten Ländern lizenzfrei bereitstellen. Die Inhalte kommen kostenlos von Lehrkräften aus Europa oder von dort wo gute Bildungsstrukturen vorhanden sind. In Ländern mit Entwicklungsbedarf ist es so, dass wenn sie ein Smartphone und mindestens eine temporäre Internetverbindung besitzen, sie mit proscola eine Schule samt Lernmaterialien in ihrer Hosentasche mit sich tragen.
Ihr Gesamtkonzept gefällt und ist vielversprechend. Was fehlt Ihrer Meinung nach, dass dieser Weg weiterhin positiv beschritten werden kann?
Wir möchten den Entwicklungsprozess beschleunigen und die Firma weiterentwickeln. Dafür freuen wir uns über Partner, die unser Konzept interessant finden, investieren oder an der Firma teilhaben möchten. Parallel dazu suchen wir zur Zeit Modellschulen, die proscola als Pilotprojekt lizenzfrei einsetzen möchten und im Gegenzug wichtige Feedbacks zum Einsatz des Produktes liefern. Wir möchten nahe am Kunden und für zukünftige Entwicklungen bereit sein.